Unspezifische Gelenkschmerzen stellen ein häufiges differenzialdiagnostisches Problem dar. Eine ausführliche Anamnese ist meist der Schlüssel zum Erfolg – insbesondere wenn die Schmerzen nach einer Auslandsreise auftreten.Wie man hier am besten vorgeht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Kasuistik
Eine 19-jährige Frau stellt sich in einer rheumatologischen Ambulanz vor. Sie leidet seit vier Wochen an einem schmerzenden und geschwollenen Kniegelenk. Die Beschwerden begannen während eines Aufenthalts auf Mallorca, wo die Patientin als Sport-Animateurin in einem Strandhotel gearbeitet hatte. In Spanien wurde das Gelenk punktiert (blutiger Erguss mit ansonsten normaler Zellzahl und ohne Nachweis von Erregern) und geröntgt (unauffällig). Es ergeben sich anamnestisch und familienanamnestisch keine Hinweise auf eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises (übrige Gelenke unauffällig, keine Hautveränderungen, kein Raynaudphänomen, keine Morgensteifigkeit, Beschwerden eher bei Belastung). Die Patientin gibt auf Nachfrage diverse neue Sexualkontakte, jedoch keine Beschwerden im Genitalbereich an, sodass am ehesten von einer reaktiven Arthritis aufgrund einer Chlamydieninfektion ausgegangen wird. Es erfolgt eine gynäkologische Vorstellung zur Erregersicherung. Zeitgleich wird das Röntgenbild aus Spanien erneut befundet. Dabei ergibt sich der Befund einer Impressionsfraktur des Tibiaplateaus. Der Chlamydiennachweis blieb negativ. Ursache der Fraktur ist vermutlich die ungewohnte Belastung des Knies durch Volleyballspielen am Strand.

Unspezifische Gelenkbeschwerden können vielfältige Ursachen haben. Während normalerweise rheumatische Erkrankungen, Fehl- und Überbelastungen, somatoforme Störungen und Infektionen gleichermaßen erwogen werden müssen, rücken die Infektionen bei Patienten, die gerade von einer Auslandsreise zurückkommen oder aus dem Ausland eingewandert sind, etwas stärker in den Vordergrund, wenngleich die anderen möglichen Ursachen nicht komplett ignoriert werden sollten.

Wo ging die Reise hin, und was hat man dort gemacht?

Anamnestisch muss geklärt werden, welche Länder für wie lange bereist wurden und welchen Grad an Exposition zu heimischen Erregern der Patient hatte. So ist das Risiko für Zoonosen ohne Tierkontakt recht gering und die Wahrscheinlichkeit, an einer durch Moskitos übertragenen Infektion zu leiden, ist bei Urlaub im klimatisierten Strandhotel geringer als bei einer Reise im Zelt durch Feuchtgebiete. Auch bei durch Lebensmittel übertragbaren Erkrankungen spielen die genauen Umstände der Reise eine große Rolle. Im Urlaub treiben viele Menschen ungewohnt viel Sport oder Sportarten, denen sie zu Hause nicht nachgehen. Dadurch entsteht das Potenzial für auch zunächst unerkannte Schäden an Muskeln, Knochen, Bändern und Gelenken. In diesem Zusammenhang ist insbesondere Skifahren zu nennen, aber auch Tennis, Golf oder Beachvolleyball sind nicht ungefährlich. Zu guter Letzt sollte auch eine Sexualanamnese erhoben werden, da gerade auf Reisen die Wahrscheinlichkeit eines Risikokontakts höher ist als "am heimischen Herd".

Vorher erfolgte Impfungen müssen genauso erfragt werden wie medikamentöse Prophylaxen, da dadurch das Risiko für einzelne Erkrankungen deutlich sinkt. So ist es unwahrscheinlich, dass ein Patient mit gutem Impftiter sich eine Hepatitis B zugezogen hat. Um eine falsche Fixierung auf die Reise des Patienten zu vermeiden, muss genau erfragt werden, ob die Beschwerden sicher erst während oder nach der Reise aufgetreten sind oder eben doch schon vorher bestanden. In letzterem Fall rücken die oben genannten Differenzialdiagnosen wie rheumatische Erkrankungen wieder in den Fokus.

Infektionen als Ursache

In der klinischen Untersuchung sollte darauf geachtet werden, ob es sich um eine echte Arthritis mit Schwellung und eventuell Rötung des Gelenks handelt oder ob lediglich Arthralgien ohne Schwellung des Gelenks vorliegen. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, diese Unterscheidung in der klinischen Untersuchung und nicht anamnestisch zu treffen, da Patienten schmerzende Gelenke sehr häufig als geschwollen wahrnehmen. Weiterhin sollte auf Exantheme als mögliche Folge eines Virusinfekts geachtet werden. Im Labor sind neben Entzündungszeichen ein Differenzialblutbild und Leberwerte sinnvoll. Serologien sollten je nach Anamnese erfolgen. Bei stark geschwollenen, gut zu punktierenden Gelenken kann eine Punktion zum direkten Erregernachweis (Borrelien, Tuberkulose) zielführend sein.

Virusinfekte führen selten zu Arthritiden, können jedoch teils langwierige Arthralgien hervorrufen. Es sind zumeist mehrere Gelenke betroffen und die Arthralgien werden von allgemeinem Krankheitsgefühl begleitet. Häufige Erreger sind Hepatitis B und C, EBV, Parvovirus B19, Zika und Chikungunya. Auch Enteroviren können im Anschluss an oder zeitgleich mit Infektionen des Gastrointestinaltraktes Gelenkbeschwerden hervorrufen. Arthralgien durch Virusinfekte sind oft selbstlimitierend und die therapeutischen Möglichkeiten sind gering. Bei Infektionen mit Hepatitis B oder C sollte jedoch ein in der Therapie dieser Infektionen erfahrener Arzt hinzugezogen werden. Jede Neudiagnose einer sexuell übertragenen Erkrankung sollte auch einen Test auf HIV nach sich ziehen, um eine Koinfektion nicht zu übersehen.

Neben Viren können Chlamydien und Gonokokken sexuell übertragen werden. Beide Erreger können eine reaktive Arthritis auslösen, die sich gerne als Monarthritis des Knies manifestiert. In diesem Fall sind Abstriche des Penis oder der Zervix sowie im Falle von Gonokokken auch Serologien zur Diagnose sinnvoll. Die Therapie erfolgt antibiotisch unter Einbeziehung des Partners. Auch Yersinien, Shigellen, Salmonellen, Campylobacter und E. coli können reaktive Arthritiden auslösen. Hier ist besonders die Frage nach Durchfallerkrankungen während der Reise von Bedeutung, während Serologien oft nicht weiterhelfen, da sie auch nach früherer, komplikationsloser Infektion positiv sein können.

Nach Reisen in Endemiegebiete kann nach Zeckenbiss eine Lyme-Arthritis auftreten. Es ist jedoch zu beachten, dass die Arthritis im Stadium III der Erkrankung auftritt und somit erst Monate bis Jahre nach dem ursächlichen Zeckenbiss. Vorübergehende Arthralgien sind hingegen auch im frühen Stadium denkbar. Es sollte stets sehr genau erfragt werden, ob ein Erythema migrans bemerkt wurde. Die Serologie hilft in aller Regel nur weiter, wenn sie negativ ist, da unspezifische Befunde häufig sind. Eine PCR zum Erregerdirektnachweis kann aus Gelenkflüssigkeit versucht werden. Unspezifische Symptome ohne Erinnerung an ein klassisches Erythema migrans sind in aller Regel nicht Folge einer Borrelieninfektion und es muss darauf geachtet werden, den Patienten nicht auf diese falsche Vorstellung zu fixieren.

Eine seltene, aber dramatische Ursache einer Monarthritis großer Gelenke kann eine Tuberkulose sein. Diese Differenzialdiagnose ist weniger nach kurzen Reisen in Endemiegebiete, sondern vor allem bei Einwanderern aus Endemiegebieten relevant.



Autorin:

Dr. med. Eva C. Schwaneck

Internistin und Rheumatologin, Sektion Rheumatologie und klinische Immunologie der Asklepios Klinik Altona 22763 Hamburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (11) Seite 47-48