Ob Chlamydien, Gonokokken, Syphilis oder HIV: Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind oft häufiger von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) betroffen. Welche Erkrankungen dabei dominieren und welchen Einfluss der Gebrauch der HIV-Prophylaxe (PrEP) auf die Prävalenz anderer STI hat, sollte eine Studie des Robert Koch-Instituts klären.

Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) gegen HIV wurde 2016 auch in Deutschland zugelassen. Sie ist ein weiteres, effektives Präventionsinstrument gegen HIV. Seit Einführung der PrEP wird jedoch diskutiert, ob deren Anwendung durch häufigeren Verzicht auf Kondome und Steigerung risikoreicheren sexuellen Verhaltens zu einem Anstieg anderer STI (Chlamydien, Gonokokken, Syphilis u. a.) führt. Die deutsch-österreichischen Leitlinien sehen momentan eine Untersuchung auf Syphilis alle drei Monate, auf Chlamydien und Gonokokken an drei Lokalisationen alle drei bis sechs Monate vor [1].

Das Robert Koch-Institut (RKI) führte 2018 die MSM-Screening-Studie durch – mit dem Ziel, die aktuelle Prävalenz von Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalium, Neisseria gonorrhoeae und Trichomonas vaginalis bei MSM in Deutschland und deren Risikofaktoren zu bestimmen. Im Fokus standen die PrEP und die systematische getrennte Analyse der STI-relevanten Lokalisationen (Genitale, Pharynx, Rektum). Die Studie schloss HIV-positive und HIV-negative Männer ein, die mindestens 18 waren, sich als MSM definierten, deren HIV-Status bekannt war und die in den letzten zwei Wochen keine Antibiose erhalten hatten. Die 13 beteiligten infektiologischen Schwerpunktpraxen führten ein Screening auf Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalium, Neisseria gonorrhoeae und Trichomonas vaginalis durch. Die Auswahl der vier Erreger erfolgte anhand ihrer vermuteten epidemiologischen Relevanz.

Die Ergebnisse

Mindestens eine der genannten STI wurde bei 30,1 % der Studienpopulation diagnostiziert, Mykoplasmen bei 17 % aller Teilnehmer, gefolgt von Chlamydien mit 9,9 % und Gonokokken mit 8,9 % (Abb. 1). Trichomonaden fand man nur bei zwei Teilnehmern. Infektionen mit Chlamydien, Gonokokken und Mykoplasmen wurden am häufigsten rektal festgestellt, bei Chlamydien und Mykoplasmen gefolgt von urogenitalen Infektionen, bei Gonokokken gab es auch einen höheren Anteil pharyngealer Infektionen. Bei 16,7 % der STI-positiv getesteten Teilnehmer fand man eine Koinfektion mit mehreren Erregern: 4,6 % mit einer Koinfektion mit Chlamydien und Gonokokken, 6,1 % mit Chlamydien und Mykoplasmen, 4,0 % mit Gonokokken und Mykoplasmen und weitere 2,0 % mit allen drei Erregern. Stratifizierte man die HIV-negativen MSM nach PrEP-Gebrauch, traten deutliche Unterschiede zwischen den drei Gruppen auf. Die HIV-negativen MSM unter PrEP wiesen nun mit 40,2 % die mit Abstand höchste Gesamt-STI-Prävalenz auf, gefolgt von HIV-positiven MSM mit 29,4 % und HIV-negativen MSM ohne PrEP-Nutzung mit 25,0 %. Diese Verteilung ergab sich auch bei Analyse der einzelnen STI sowie der verschiedenen Lokalisationen.

Die Studie zeigt, dass der PrEP-Gebrauch eine sehr wichtige Indikation für eine angemessene STI-Testung ist. Dabei ist die Kostenübernahme der STI-Testung durch die Kassen ein überaus wichtiger Faktor. Mit Einführung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes wurden die PrEP sowie regelmäßige Tests auf Chlamydien und Gonokokken für PrEP-Anwender als Leistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen [2]. Eine adäquate STI-Testung ist im Rahmen der PrEP die zentrale Basis für eine möglichst frühe und effektive Diagnose und Behandlung von STI für PrEP-Gebraucher, die vor allem auch hinsichtlich der Kondombenutzung beraten werden sollten.

Die gefundenen STI-Prävalenzen machen zudem deutlich, dass eine risikoadaptierte STI-Testung auch wichtig für HIV-negative MSM ohne PrEP sowie HIV-positive MSM ist. Wesentlich ist hier eine ausführliche Sexual-Anamnese, mit der Risikofaktoren identifiziert und die Notwendigkeit und Häufigkeit einer STI-Testung individuell festgelegt werden können.

Die Studienergebnisse zeigen auch, dass eine allein urogenitale STI-Diagnostik den größeren Teil der Infektionen nicht erkennen würde, besonders bei asymptomatischen Infektionen. Aktuell findet wegen der zum Teil recht hohen STI-Prävalenzen und -Inzidenzen vor allem bei PrEP-Nutzern eine Debatte über die Behandlungsbedürftigkeit der gefundenen Infektionen statt. Die Therapie symptomatischer Infektionen steht dabei außer Frage, es wird allerdings diskutiert, ob der Nutzen oder der Schaden bei Therapie aller asymptomatischen Infektionen überwiegt, besonders wenn diese pharyngeal lokalisiert sind.

Ein Argument für eine Behandlung aller gefundenen asymptomatischen Infektionen ist die Vermeidung von Folgeschäden. Vorhandene Erreger-Reservoire lassen sich damit effektiver beseitigen, wodurch die Infektionswahrscheinlichkeit insgesamt gesenkt würde. Auch die Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen durch eine möglichst umfassende Therapie wird genannt, vor allem für Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae und Mycoplasma genitalium. Gegen eine Therapie aller asymptomatischen und vor allem der pharyngealen Infektionen spricht, dass diese häufiger selbstlimitierend sind. Der bei rezidivierender Therapie erhöhte Antibiotika-Verbrauch wird kritisch gesehen, auch mit Blick auf das Mikrobiom. Für eine endgültige Bewertung liegt jedoch noch keine ausreichende Datengrundlage vor.

Die Ergebnisse der MSM-Screening-Studie zeigen aber, dass vor Antibiose-Beginn eine möglichst detaillierte STI-Diagnostik an allen Lokalisationen durchgeführt werden sollte, um Fehlbehandlungen von Koinfektionen mit anderen Erregern zu vermeiden.


Referiert aus: Jansen, K., Steffen, G., Potthoff, A. et al. STI in times of PrEP: high prevalence of chlamydia, gonorrhea, and mycoplasma at different anatomic sites in men who have sex with men in Germany. BMC Infect Dis 20, 110 (2020). https://doi.org/10.1186/s12879-020-4831-4
Es wird diskutiert, ob der Nutzen oder der Schaden bei Therapie aller asymptomatischen Infektionen überwiegt.


Literatur
1. Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG), Deutsch-Österreichische Leitlinien zur HIV-Präexpositionsprophylaxe. 2018.
2. Bundesministerium für Gesundheit. Schnellere Termine, mehr Sprechstunden, bessere Angebote für gesetzlich Versicherte: Erste Lesung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes im Bundestag (13. Dezember 2018). 2018 20.2.2019].



Autoren:

© Klaus Lange
Dr. Klaus Jansen (Foto)

Gyde Steffen
Robert Koch-Institut, Fachgebiet für HIV, Hepatitis und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Erreger
13353 Berlin

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (8) Seite 48-50