Patienten mit einer chronischen Obstipation oder Darmträgheit fühlen sich in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Um eine Grundlage für die Behandlung zu schaffen, sollte der Hausarzt zunächst Lebensstilfaktoren und die Art der Ernährung eruieren. Daraus kann ein erster Behandlungspfeiler erwachsen, um die Chronifizierung der Symptomatik oder den unsachgemäßen Gebrauch von Laxantien zu verhindern.
Ursächlich für eine Obstipation sind aus ernährungswissenschaftlicher Sicht Fehler in der täglichen Speisenauswahl, vornehmlich was Ballaststoffe angeht. Aber auch der Verzehr von Sauermilchprodukten ist meist defizitär [5]. Der häufig genannte Mangel an Bewegung als Mitverursacher einer Verstopfung lässt sich durch Studiendaten nicht belegen [15].
Was ist normal?
Die normale Darmpassage der Nahrung beträgt 50 - 80 Stunden (erwünscht: 24 - 36 Stunden). Der Weitertransport der Nahrung im Darm erfolgt durch die rhythmische Peristaltik, die u. a. auch vom Füllungsdruck des Darmes abhängig ist. Dabei übernimmt das autonome Nervensystem die Regelung dieser Motilität.
Die normale Stuhlmenge liegt bei westlicher Kost im Durchschnitt bei etwa 100 - 500 g pro Tag. Der Wassergehalt des Stuhles macht rund 75 % aus. Eine „normale“ Stuhlfrequenz liegt definitionsgemäß zwischen dreimal täglich und dreimal wöchentlich (Tabelle 1). Die Art der täglichen Ernährung bestimmt die Stuhlmenge. Ein Mangel an Füll- und Quellstoffen - insbesondere aus Getreide, Gemüse und Obst - führt zu einer Abnahme der Stuhlmenge, aber auch zu einer Änderung der bakteriellen Darmflora, zu veränderten Druck- und Stoffwechselverhältnissen im gesamten Gastrointestinaltrakt und in der Folge zu einer verlängerten Transportzeit.
Ernährungsprotokoll als Erstmaßnahme
Medizinisch muss eine Grunderkrankung, die eine Obstipation nach sich zieht, diagnostiziert und ggf. auch medikamentös therapiert werden (Übersicht 1). Ansonsten können alle Empfehlungen rund um die bessere Stuhlentleerung nicht greifen.
Grundsätzlich gehört aber zur ersten sinnvollen Maßnahme vor aller anderen invasiven Diagnostik die Kontrolle der täglichen Ernährung. Dabei sind die in Abb. 1 aufgeführten Gegebenheiten und Interventionen zu überprüfen. Dazu sollte ein Ernährungs- und Symptomprotokoll über sieben Tage angefertigt werden.
Flüssigkeitsbilanz
Patienten, die unter Obstipation leiden, trinken nicht weniger als Gesunde! In vielen Untersuchungen zeigte sich bezüglich der Flüssigkeitsaufnahme kein Unterschied. Lediglich eine Flüssigkeitsaufnahme von weniger als 0,5 Liter wirkte sich verhärtend auf den Stuhlgang aus. Insgesamt ist die Studienlage zur Wertigkeit der Flüssigkeitsaufnahme in Bezug auf die Stuhlkonsistenz und -frequenz aber uneinheitlich [7, 14]. Was viele Patienten nicht wissen: Milch zählt in der Trinkbilanz nicht zur Flüssigkeit. kohlensäurehaltige Getränke können bei manchen Patienten den Stuhlreiz durchaus verstärken, bei anderen wiederum kann das Bläh- und Schmerzgefühl deutlich zunehmen. Hier bedarf es der akkuraten Auswertung des Ernährungsprotokolls, um geeignete Getränke individuell für den Patienten empfehlen zu können.
Die meisten Patienten mit nachlassender Stuhlfrequenz oder verhärteten Stühlen wissen oder ahnen die Notwendigkeit einer Ernährungsumstellung in Richtung pflanzenbetonte Mischkost bei ausgeglichener Trinkbilanz: Es werden - je nach Ernährungsvorlieben - zwischen 1,5 und 2,0 l Flüssigkeit über den Tag verteilt empfohlen [4, 5, 6]. Mangelndes Durstempfinden, häufigere Toilettengänge und „keine Zeit“ sind Störfaktoren, die diesem effektiven Ernährungstool im Wege stehen. Mit der Bilanzierung des Trinkverhaltens und der Angabe sinnvoller Getränke wird jedoch der Grundstein einer Ernährungstherapie bei Obstipation gelegt. Denn häufig müssen auch Medikamente eingesetzt werden, deren Wirkung eine geregelte Flüssigkeitsaufnahme voraussetzen.
Bedeutung von Ballaststoffen
Füll- und Quelleffekte sind - je nach Wasserlöslichkeit - völlig unterschiedlich (vgl. Abb. 2). So ist es kein Wunder, dass so manche Studien zum Thema Obstipation hinsichtlich der Wertigkeit der Ballaststoffmenge ebenso inkonsistente Daten bringen [1].
Wasserunlösliche Ballaststoffe (Weizenkleie, Vollkornprodukte) erhöhen die Stuhlmasse, ohne aber deren Gleitfähigkeit zu erhöhen. Sofern der Patient bereits genügend Flüssigkeit verzehrt und die bislang vorhandene Stuhlsäule im Colon ascendens durch Entleerungsmaßnahmen beseitigt wurde, kann mit diesen Nahrungsmitteln eine wertvolle Unterstützung der Entleerung stattfinden. Andernfalls führt die Gabe zu verstärkten Beschwerden und bringt keinesfalls Erleichterung. Im Gegenteil. Gerade bei Patienten mit Rectocelen oder Divertikulose, bei denen z. B. auch mit Stenosen zu rechnen ist, sollte die Gabe von wasserunlöslichen Ballaststoffen nur mit Achtsamkeit geschehen [2, 14].
Wasserlösliche Ballaststoffe (Gemüse, einige Obstsorten, Pektin, Psyllium) hingegen dienen eher als Quellstoffe denn als Füllstoffe. Sie können auch enge Darmschlingen eher passieren und machen den Stuhl vor allem gleitfähig. Durch ihre partielle Verdaubarkeit dienen sie auch als Prebiotikum, was dem Darmklima von Obstipierten in der Regel gut bekommt. Je nach Mikroflora kann es hier zwar zu vermehrten Blähungen kommen, denen aber z. B.durch Sauermilchprodukte wirkungsvoll entgegengetreten werden kann [3].
Patienten mit Obstipation profitieren von regelmäßigen Mahlzeiten mit einem angemessenen - eher hohen - Ballaststoffanteil (~ 30 g und mehr/Tag). Die Ballaststoffaufnahme lässt sich mit wenigen Maßnahmen effektiv erhöhen: 2 - 3 Portionen Gemüse und 1 - 2 Portionen Obst sind dabei die Basis. Über Ölsaaten, Nüsse und verschiedene fein gemahlene Vollkornvarianten (Brot, Knäcke) kann auch dem empfindlichen Bauch eine vollkommen ausreichende Menge angeboten werden.
Sauermilchprodukte
Quark, Joghurt und fermentierte Sauermilchprodukte sollten in keinem Tagesplan eines Obstipierten fehlen. Auch die Datenlage bezüglich der Probiotika ist ermutigend [8, 9, 10]. Inwieweit die isolierte Gabe eines Probiotikums sinnhaft ist oder ob nicht der regelmäßige Verzehr von Sauermilchprodukten ausreicht, muss individuell entschieden werden. Auf jeden Fall profitieren die Stuhlkonsistenz und die Stuhlfrequenz eines obstipierten Patienten durch die Veränderung der Biomasse im Dickdarm vom regelmäßigen Verzehr dieser Produkte. Mittlerweile ist auch eine Reihe von randomisierten, plazebokontrollierten Studien publiziert, die eine beschleunigte gastrointestinale Transitzeit durch Gabe von speziellen probiotischen Lebensmitteln zeigen. Insbesondere die Stämme L. casei Shirota, B. animalis DN-173030 und E. coli Nissle 1917 erwiesen sich als wirksame therapeutische Ernährungsintervention.
Stuhlgangtraining
Beim Stuhlgang- bzw. Toilettentraining geht es darum, den optimalen Zeitpunkt für die Entleerung zu ermitteln. Das Toilettentraining erfordert Zeit und ein „neues Gespür“ für den eigenen Körper und die Entleerung. Sinnvoll ist die zeitgleiche Kooperation mit einem Physiotherapeuten. Hier können parallel z. B. bestimmte Muskelgruppen über das Beckenbodentraining angesprochen werden. Zudem können hier Maßnahmen wie „nicht pressen“ und bestimmte Atemtechniken während der Defäkation besprochen werden.
Fazit
Patienten mit Obstipation können durch die Ernährungstherapie in die Lage versetzt werden, einer Verstopfung vorzubeugen, bzw. lernen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (2) Seite 40-42