Obstipation tritt im Kindesalter sehr häufig und oft mit sehr unterschiedlichen Symptomen in Erscheinung. Wichtig ist es, bestimmte Alarmsignale nicht zu übersehen. Bei rechtzeitiger Therapie lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen durch die Gabe von Laxanzien, je nach Schwere in unterschiedlicher Dosierung und Kombination, gut in den Griff bekommen.

Der Begriff „Verstopfung“ beschreibt bei Kindern weniger eine spezifische Erkrankung als vielmehr eine Ansammlung von Symptomen, die sich von Fall zu Fall ganz unterschiedlich präsentieren können. Bei vielen der jungen Patienten mit diesem häufigen Beschwerdebild hat sich der Zustand zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung in der Arztpraxis bereits so weit verschlechtert, dass sie unter massiven Schmerzen und Begleiterscheinungen leiden, die einer effizienten und langwierigen Therapie bedürfen. Um eine solche einleiten zu können, müssen zunächst die häufigsten Ursachen erkannt und seltene ausgeschlossen werden.

Die Diagnostik stützt sich auf die klinische sowie auf die von den Kindern beziehungsweise ihren Eltern geschilderte Symptomatik einschließlich einer genauen Beschreibung von Stuhlgewohnheiten und -beschaffenheit. Mit eben diesen Kriterien hat auch die internationale PACCT (Paris Consensus on Childhood Constipation Terminology)-Konsensusgruppe das Symptomenbild Obstipation definiert und gegenüber anderen funktionellen Darmstörungen abgegrenzt (Kasten 1).

Ursachen

Es wird davon ausgegangen, dass die Obstipation im Kindesalter in 90 % der Fälle auf funktionelle und multifaktorielle, organische und nicht-organische Ursachen, unter anderem Störungen des autonomen und somatischen Nervensystems, der Darmmotilität sowie der Beckenbodenmuskulatur oder des Schließmuskels, zurückgeht. Prospektiven Kohortenstudien zufolge liegt bei einem Teil der Patienten eine verzögerte Darmpassage vor, bei anderen die Unfähigkeit, bei der Defäkation die Beckenbodenmuskulatur zu entspannen. Aus Beobachtungsstudien geht hervor, dass die Beschwerden als Folge einer Ernährungsumstellung, von Schmerzzuständen, fiebrigen Infektionen oder Dehydrierung auftreten können, aber zu einem gewissen Anteil auch auf eine genetische Prädisposition zurückgehen. Zum Teil ist das Auftreten von Verstopfungssymptomen auch mit psychischen Belastungen beziehungsweise einschneidenden Erlebnissen (Sauberkeitserziehung, Mobbing, Scheidung der Eltern, sexueller Missbrauch), aber auch mit Störungen der Neuroentwicklung oder des autistischen Formenkreises sowie mit Drogenkonsum (Opiate) assoziiert. Eine Rolle spielt auch das Zurückhalten des Stuhlgangs aufgrund von vorausgegangenen großen, harten oder schmerzhaften Stühlen, von Analfissuren, mangelnder Zeit für den Toilettengang oder Aversionen gegenüber fremden Toiletten. Bei den meisten Kindern lassen sich die Ursachen für die Verstopfung allerdings nicht eindeutig bestimmen.

Symptomatik und Diagnose

Die meisten Kinder mit Obstipationsbeschwerden zeigen drei oder mehr Symptome (Kasten 2). Prospektiven Studien zufolge haben nur 75 % eine verminderte Stuhlfrequenz, 40 bis 100 % weisen eine fäkale Impaktion (Anhäufung großer Mengen Stuhl im Abdomen bzw. im Becken) auf, bei 75 bis 90 % liegt eine Stuhlinkontinenz vor. Bei 35 bis 40 % der Kinder sind eine stuhlgangvermeidende Körperhaltung respektive entsprechende Bewegungen wie etwa ein Hin- und Herschaukeln zu beobachten.

Gemäß den Leitlinien des National Institute of Health and Clinical Excellence (NICE) lässt sich die Diagnose einer funktionellen Verstopfung anhand einer umfassenden Verlaufserhebung sowie einer gründlichen körperlichen Untersuchung stellen. Dabei dürfen Verdauungsstörungen wie Kuhmilchproteinintoleranz oder Zöliakie, aber auch bestimmte chirurgische Probleme, die sich in Red-flag-Symptomen wie zum Beispiel Morbus Hirschsprung oder Spina bifida äußern, nicht übersehen werden. Besonderes Augenmerk ist auf Gedeihstörungen zu legen, die eine systemische Ursache nahelegen. Auf der anderen Seite könnten Empfindungsstörungen in der perianalen Region ein Hinweis auf eine spinale oder eine andere Neuropathologie sein.

Bildgebende Diagnostik ist nicht notwendig, wenn Anamnese und körperliche Untersuchung das Vorliegen einer Verstopfung klar anzeigen. Auch Bluttests sind zur Bestätigung der Diagnose nicht erforderlich, können aber hilfreich sein, um Hypothyreose, Zöliakie oder Elektrolytverschiebungen bei Kindern auszuschließen, bei welchen die Verstopfung therapieresistent oder mit anderen klinischen Symptomen vergesellschaftet ist.

Invasive Untersuchungen (Endoskopie, anorektale Manometrie, Darmpassage) sind selten erforderlich, um eine funktionelle Verstopfung gegen andere Ursachen abzugrenzen, und bleiben besonderen Situationen (rektale Blutung, chronischer Abdominalschmerz) vorbehalten.

Therapie

Die Behandlung der Verstopfungssymptomatik hat generell das Ziel, einen schmerzfreien Stuhlgang mit normaler Frequenz und Konsistenz der Stühle und ohne rektale Blutungen oder Inkontinenz zu erreichen. Therapieprinzipien sind Schulung, Vermeidung von Kotstau und -wiederansammlung sowie ein kontinuierliches Follow-up.

Hilfreich für die Kinder kann das Führen eines Tagebuchs zu Toilettengewohnheiten einschließlich eines Belohnungssystems sein. Kinder sollten angehalten werden, täglich nach jeder Mahlzeit für fünf Minuten auf der Toilette zu versuchen, Stuhlgang zu haben.

Für alle Altersgruppen ist eine orale Behandlung mit einem osmotischen Laxans (Polyethylenglykol [PEG] bzw. Macrogol, Laktulose) allein oder in Kombination mit einem stimulierenden Laxans (z. B. Bisacodyl, Senna) indiziert. Als Erstlinientherapie empfiehlt die NICE-Leitlinie PEG, das weniger Nebenwirkungen als Laktulose aufweist. Generell sind unerwünschte Effekte von Laxanzien und Stuhlweichmachern aber selten und dann eher gering ausgeprägt (vgl. Tabelle). Eine kleinere prospektive Studie konnte zeigen, dass PEG3350 in einer Dosierung von 1 bis 1,5 g/kg/Tag über drei Tage zu einem effizienten und sicheren Abführen des Stuhlballens führt. Falls dies allerdings auch nach zwei Wochen ausbleibt, wird als Zweitlinientherapie die zusätzliche Gabe eines stimulierenden Laxans empfohlen. Außer für Sennaglykosid liegen zur Wirksamkeit stimulierender Laxanzien allerdings keine prospektiven Studiendaten vor.

Wenn die orale Therapie auch über längere Zeit nicht zum Erfolg führt, ist zur Vermeidung von Komplikationen (z. B. Megarektum) nach entsprechender Indikationsstellung durch einen Spezialisten oder Pädiater die Durchführung eines Einlaufs (Natriumzitrat, Microklist®) in Erwägung zu ziehen. Zur besseren Wirksamkeit der rektalen Therapie sollten orale osmotische Laxanzien zuvor abgesetzt werden.

Zur Erhaltungstherapie ist first-line ebenfalls PEG (alternativ Lactulose) in einer Anfangsdosierung von etwa der Hälfte der zur Darmentleerung eingesetzten Menge indiziert; auch hier kann die Therapie mit einem stimulierenden Laxans kombiniert werden. Die Dosis ist so zu titrieren, dass ein täglicher weicher Stuhlgang resultiert.

Ballaststoffe haben einen positiven Effekt auf Stuhlfrequenz und -konsistenz sowie auf Abdominalschmerzen. Außerdem sollte nach Kuhmilch als Auslöser für Obstipationsbeschwerden gefragt werden.

Prognose

Gemäß zwei großen Langzeitstudien konnte im Allgemeinen nach einem Jahr Behandlungsdauer bei rund der Hälfte der Kinder und nach zwei Jahren bei etwa 65 bis 70 % eine Auflösung der Verstopfungsbeschwerden erreicht werden; bei immerhin einem Drittel persistierten schwerwiegende Probleme jedoch bis in die Pubertät oder darüber hinaus.▪

Ralf Behrens


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 4/2013


Quelle
Marcus KH Auth et al.: Childhood constipation. BMJ 2012; 345: e7309.

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (8) Seite 18-20