Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Ursachen für Krankenhausaufnahmen in Deutschland. Trotz aller modernen Therapieansätze ist die Prognose dieses Syndroms inakzeptabel ernst. Im Folgenden werden einige Komorbiditäten besprochen, die für die allgemeinärztliche Betreuung von Bedeutung sind.

Fallstudie: Ein typischer Patient
Ein 59-jähriger Patient kommt in die allgemeinärztliche Praxis mit der Hauptbeschwerde "zunehmende Luftnot und Beinödeme". Ansonsten habe er keine Beschwerden. Die Ehefrau des Patienten schildert außerdem, dass er ihr in letzter Zeit sehr freudlos vorgekommen sei und "nicht mehr lachen würde". Gemeinsame Freizeitaktivitäten würden schon länger nicht mehr stattfinden. So richtig seien die Probleme losgegangen, seitdem ihr Mann im letzten Winter eine Virusgrippe durchgemacht habe. In der Vorgeschichte des Patienten ist eine koronare Herzerkrankung bekannt, die systolische linksventrikuläre (LV) Pumpfunktion ist als mittelgradig eingeschränkt beschrieben (Ejektionsfraktion des Iinken Ventrikels ca. 35 %). Im körperlichen Untersuchungsbefund fallen feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungenfeldern auf, außerdem deutliche Beinödeme. Es erfolgt die sofortige Einweisung in die nächstgelegene kardiologische Klinik. Dort wird eine ausführliche Diagnostik inkl. Labor durchgeführt (Laborwerte siehe Tabelle 1).

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Bei der Herzinsuffizienz werden drei Formen unterschieden: jene mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion, bei der die Ejektionsfraktion (EF) <35 % beträgt, die Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Pumpfunktion (EF>45 %) sowie als dritte Kategorie die Herzinsuffizienz mit mittelgradig eingeschränkter Pumpfunktion (EF >35 %,<45 %) [1].

Allen drei Entitäten ist gemeinsam, dass Komorbiditäten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Prognose der Patienten haben [1]. Diese Komorbiditäten können die Prognose deutlich verschlechtern und insbesondere auch das subjektive Krankheitsgefühl signifikant aggravieren [2]. Eine englische Untersuchung von 2018 zeigt, dass ca. 98 % der Patienten bei Erstdiagnose der Herzinsuffizienz bereits bis zu 15 Komorbiditäten aufweisen [3]. Darunter fallen kardiale Erkrankungen wie die ischämische Herzkrankheit (49 %) und Vorhofflimmern (40 %), aber auch extrakardiale Erkrankungen wie Diabetes, Niereninsuffizienz oder Depression (in immerhin 22 % der Fälle).

Auf Depressionen achten

Von allen Komorbiditäten scheint letztere das Allgemeinbefinden von Herzinsuffizienzpatienten in besonders starkem Maß zu beeinträchtigen [2]. Außerdem ist diese Komorbidität möglicherweise auch besonders schwierig zu entdecken und ihre Symptome schwer von anderen krankheitsassoziierten Problemen zu diskriminieren. Hier kommt der allgemeinärztlichen Betreuung der Patienten eine besonders wichtige Rolle zu, eine neue bzw. larvierte Depression zu identifizieren und ggf. eine psychologisch/psychiatrische Mitbetreuung zu initiieren. Helfen kann hierbei, dass eine vertrauensvolle Langzeitbeziehung mit den Patienten sowie den Angehörigen besteht, die dazu führt, dass eine kritische Veränderung der Stimmungslage sowie andere neue Symptome einer Depression eher erkannt werden können.

Nieren- und Herzinsuffizienz: Das kardiorenale Syndrom

Eine der wichtigsten Komorbiditäten bei Herzinsuffizienz ist die Niereninsuffizienz. Beide Entitäten spielen so eng zusammen, dass man auch vom "kardiorenalen Syndrom" spricht. Beide Erkrankungen treten sehr oft gemeinsam auf, so haben bis zu 50 % der Patienten mit Herzinsuffizienz im Verlauf der Erkrankung auch eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion [4]. Beide Erkrankungen haben gemeinsame Risikofaktoren, wie arteriellen Hypertonus und Diabetes. Es wird vermutet, dass eine gemeinsame Pathophysiologie besteht, die über das Konzept einer renalen Minderperfusion bei Herzinsuffizienz hinausgeht. Zum Beispiel ist das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System in das pathologische Remodelling beider Organe involviert [4]. Für die Betreuung der Betroffenen ist vor allem zu bedenken, dass die Komorbidität Niereninsuffizienz die Prognose der Patienten deutlich verschlechtert.

In einer großen amerikanischen Untersuchung an Patienten, die mit akuter Herzinsuffizienz in eine Klinik eingewiesen wurden (so wie der in der Fallstudie beschriebene Patient), war der Serum-Harnstoff der genaueste Parameter zur Vorhersage der Mortalität, besser als andere Parameter wie Troponin, NYHA-Klasse oder Echokardiographie. Ein Serum-Harnstoff von >43 mg/dl war mit einem Risiko von fast 9 % verknüpft, während des Krankenhausaufenthaltes zu versterben [5].

Bei kardiorenalen Patienten sollte zudem bedacht werden, dass z. B. eine intensivierte Herzinsuffizienzmedikation (ACE-Hemmer, Angiotensin-Antagonisten, Betablocker, Aldosteronantagonisten) häufig aufgrund der Gefahr einer Hyperkaliämie schwer durchführbar ist [6] und dass sogar die Evidenz für diese etablierten Therapien mit zunehmender Niereninsuffizienz immer schlechter wird [7]. Auch Ernährungsaspekte sind zu bedenken: Während eine kaliumreiche "mediterrane Diät" (Obst, Nüsse etc.) als kardioprotektiv betrachtet wird, kann diese bei zusätzlicher Niereninsuffizienz sogar kontraindiziert sein.

Herzinsuffizienz und Diabetes

Ein gemeinsamer Risikofaktor für Herz und Niere ist der Diabetes mellitus. Dazu sollte man wissen, dass nicht mehr Schlaganfall und Herzinfarkt, sondern – neben der pAVK – die Herzinsuffizienz die häufigste kardiovaskuläre Erstkomplikation des Typ-2-Diabetes zu sein scheint [8]. Was ist wichtig für die allgemeinmedizinische Betreuung? Neben Lifestyle-Änderungen, wie Gewichtsreduktion und sportliche Betätigung, ist Metformin die Basis der Therapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes [1].

Glitazone sollten nicht eingenommen werden, da sie die Symptome der Herzinsuffizienz verschlechtern können [1].

Eine neue interessante Medikamentengruppe, die möglicherweise insbesondere Diabetikern mit Herzinsuffizienz helfen kann, ist die Gruppe der SGLT2-Inhibitoren. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob diese Substanzklasse bei herzinsuffizienten Diabetikern lebensverlängernd wirkt, jedoch scheinen diese Medikamente Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz bei Diabetikern verhindern zu können [9, 10]. Patienten, bei denen ein solches Medikament eingesetzt werden soll, müssen über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden, dazu zählen z. B. häufigere Urogenitalinfekte und selten auch Ketoazidosen.

Eisenmangel wird oft unterschätzt

Eine weithin unterschätzte Komorbidität insbesondere bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion ist der Eisenmangel. Eisen ist nicht nur als Bestandteil des Hämoglobins wichtig, sondern spielt auch eine zentrale Rolle im Stoffwechsel des Herzens, z. B. als Komponente des kardialen Myoglobins. Bei Herzinsuffizienzpatienten besteht unabhängig vom Hämoglobinwert ein Eisenmangel, wenn das Serumferritin <100 µg/l und/oder die Transferrin-Sättigung <20 % beträgt [1]. Der in der Fallstudie vorgestellte Patient hat einen Eisenmangel (Ferritin 76 µg/l).

Unabhängig vom Hämoglobinwert verschlechtert ein Eisenmangel die Prognose herzinsuffizienter Patienten [11]. Es wurde zwar bisher nicht gezeigt, dass eine Substitution von Eisen bei entsprechenden Patienten die Prognose verbessert (entsprechende Studien laufen gerade). Es wurde aber bereits nachgewiesen, dass eine Therapie mit Eisencarboxymaltose die Leistungsfähigkeit und das subjektive Befinden der Patienten nachhaltig verbessert [12]. Man sollte daher die Komorbidität Eisenmangel bei Herzinsuffizienz mitbedenken, wenn man nach Wegen sucht, das Befinden der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Influenza-Impfung verbessert die Prognose

Eine Domäne der allgemeinärztlichen Betreuung ist die Prophylaxe, Diagnostik und supportive Therapie der Influenza, besonders in den entsprechenden Risikomonaten. Besonders Risikopatienten wie Senioren und Menschen mit chronischen Erkrankungen sind von einem ernsten Verlauf der Influenza bedroht. Es liegt nahe, dass auch Herzinsuffizienzpatienten zu dieser Risikogruppe gehören. Neue Untersuchungen zeigen, dass die Influenza tatsächlich die Prognose von Herzinsuffizienzpatienten signifikant verschlechtert [13, 14].

Das Thema "Impfungen" wird insbesondere in Deutschland sehr emotional und kontrovers diskutiert. Allgemeinärzte sind als erste Ansprechpartner der Patienten besonders in diese Diskussion involviert. Neue Daten zeigen, wie sehr eine Impfung von Herzinsuffizienzpatienten die Prognose der Betroffenen verbessern kann, insbesondere wenn die Impfung in regelmäßigen jährlichen Abständen erfolgt, am besten zu Beginn der Risikomonate [15]. Die Risikoreduktion ist so überzeugend, dass unabhängig von der eigenen Einstellung auf jeden Fall eine ausführliche Aufklärung der Herzinsuffizienzpatienten zu diesem Thema anzuraten ist.

Nachtrag zum Patientenfall

Der Patient wurde nach stationärer Aufnahme zunächst mit i. v.-Diuretika rekompensiert. Darunter zeigte sich keine Verschlechterung der Nierenfunktion, sondern eine Verbesserung (auch eine Flüssigkeitsüberladung kann durch Rückstau die Nierenfunktion beeinträchtigen, wodurch Flüssigkeitsentzug die Niere entlasten kann). Der bestehende Eisenmangel wurde ausgeglichen. Durch Messung der Nüchtern-Glukose wurde der Verdacht eines Diabetes mellitus bestätigt, es erfolgte eine Ersteinstellung mit Metformin.

Es wurde nach Besserung der Nierenfunktion die Herzinsuffizienztherapie optimiert. Nach Entlassung aus der Klinik erfolgt eine Anbindung an eine Herzsportgruppe sowie eine ambulante psychotherapeutische Mitbetreuung. Der Folgeverlauf zeigt sich sehr stabil. Ein Termin zur jährlichen Grippeimpfung im Oktober wird vom Patienten eigeninitiativ ausgemacht.

Fazit für die Praxis
Die Bedeutung von Komorbiditäten bei der Herzinsuffizienz kann nicht überschätzt werden. Wir haben uns aus Gründen der Einfachheit auf die Darstellung einiger Komorbiditäten beschränkt, die aus unserer Sicht besonders wichtig sind, andere Entitäten wie z. B. COPD, arterieller Hypertonus, Vorhofflimmern, Malignome sind ebenfalls von großer Bedeutung für den Krankheitsverlauf der Herzinsuffizienz. Aus der Vielzahl der Erkrankungen, die bei Herzinsuffizienz von Bedeutung sind, wird die besondere Rolle des Allgemeinarztes in der Betreuung der Patienten deutlich, zum einen durch die Erfordernis einer fundierten Kenntnis der vielfältigen Probleme. Zum anderen erfordert diese Vielfältigkeit auch in besonderem Maße die allgemeinmedizinische Steuerungsfunktion zwischen den einzelnen Fachdisziplinen, z. B. Kardiologen, Nephrologen und Diabetologen. Ein Ziel, das bei diesen multimorbiden Patienten nur gemeinsam erreicht werden kann, ist die Optimierung der Herzinsuffizienztherapie. Dazu gehört nicht nur, dass alle prognoseverbessernden Medikamentengruppen eingesetzt werden, also ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten, Betablocker, Mineralkortikoidantagonisten, ggf. Entresto® [1]. Wichtig ist auch, dass alle Medikamentengruppen möglichst in der Zieldosis oder zumindest in der größtmöglichen verträglichen Dosis eingesetzt werden, da oftmals nur für die Zieldosis eine durch Studien belegte Wirksamkeit nachgewiesen ist [1]. Aber neben den hier genannten Problemen bieten sich möglicherweise auch neue Chancen: Eine optimale Therapie von Komorbiditäten kann auch ein Ansatzpunkt sein, das Allgemeinbefinden der Patienten zu verbessern und damit auch die Lebensqualität nachhaltig zu steigern.


Literatur
1. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, Bueno H, J.G.F. C, Coats AJS, Falk V and González-Juanatey JR. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J. 2016;37:2129-2220.
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3. Conrad N, Judge A, Tran J, Mohseni H, Hedgecott D, Crespillo AP, Allison M, Hemingway H, Cleland JG, McMurray JJV and Rahimi K. Temporal trends and patterns in heart failure incidence: a population-based study of 4 million individuals. Lancet. 2018;391:572-580.
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8. Shah AD, Langenberg C, Rapsomaniki E, Denaxas S, Pujades-Rodriguez M, Gale CP, Deanfield J, Smeeth L, Timmis A and Hemingway H. Type 2 diabetes and incidence of cardiovascular diseases: a cohort study in 1.9 million people. Lancet Diabetes Endocrinol. 2015;3:105-13.
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12. Anker SD, Comin Colet J, Filippatos G, Willenheimer R, Dickstein K, Drexler H, Luscher TF, Bart
B, Banasiak W, Niegowska J, Kirwan BA, Mori C, von Eisenhart Rothe B, Pocock SJ, Poole-Wilson PA, Ponikowski P and Investigators F-HT. Ferric carboxymaltose in patients with heart failure and iron deficiency. N Engl J Med. 2009;361:2436-48.
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Concomitant Heart Failure to Outcomes in Patients Hospitalized With Influenza. Am J Cardiol.
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15. Modin D, Jorgensen ME, Gislason G, Jensen JS, Kober L, Claggett B, Hegde SM, Solomon SD, Torp-Pedersen C and Biering-Sorensen T. Influenza Vaccine in Heart Failure. Circulation.
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Autor:

PD Dr. Mark Lüdde

Kardiologische Gemeinschaftspraxis Bremerhaven
27574 Bremerhaven

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (18) Seite 42-46