Wenn chronisch kranke Heranwachsende erwachsen werden, ist oft ein Arztwechsel von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin erforderlich. Bei diesem Übergang können erhebliche Probleme auftreten, die zur Gefährdung der jungen Patienten durch Verlust einer intensiven Betreuung führen. Die Transitionsmedizin soll hier Abhilfe schaffen, doch sind dabei oft die Allgemeinärzte nicht oder zu wenig eingebunden.

Kinder/Jugendliche mit chronischen Erkrankungen bedürfen einer intensiven Betreuung durch Ihre Ärzte. Die Betreuung können im Kindesalter sowohl Kinder- und Jugendärzte als auch Allgemeinärzte sicher stellen, bei schwerwiegenden Erkrankungen sind oft auch Spezialisten am Betreuungskonzept beteiligt. Dadurch, dass in Deutschland Jugendliche generell nur bis zu einem Alter von 18 Jahren von Kinder- und Jugendärzten behandelt werden dürfen, bedarf es bei den jungen Patienten, die nicht schon von Allgemeinärzten betreut werden, einer "Überführung" von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin. Dieser Übergang wird als Transition bezeichnet. Da immerhin mehr als 15 % aller Jugendlichen mit einer chronischen, also dauerhaft zu behandelnden Krankheit belastet sind, ist es notwendig, dass sich alle an der Primärversorgung on Heranwachsenden beteiligten Ärzte mit diesem Thema befassen.

Verschiedene Szenarien

Aufgrund der Tatsache, dass in Deutschland sowohl Kinder- und Jugendärzte als auch Allgemeinärzte an der Versorgung der jungen Menschen beteiligt sind, und darüber hinaus auch Spezialisten ohne Überweisung durch einen Primärarzt die Patienten betreuen können, gibt es viele verschiedene Möglichkeiten der Versorgungsstruktur. Daraus ergeben sich mehrere Szenarien der Transition. Zu beachten ist natürlich, dass die chronisch kranken Patienten immer auch interkurrente Probleme (z. B. Infekte, Verletzungen, Impfungen etc.) haben können und damit immer auch auf eine Versorgung durch einen "Hausarzt" angewiesen sind. Ebenso ist bei vielen chronischen Erkrankungen die Mitbetreuung durch andere medizinische Fachberufe erforderlich, und man darf keinesfalls Eltern, Selbsthilfegruppen, Sozial- und Jugendämter beim Transitionsprozess vergessen.

Szenario 1: Am einfachsten ist die Transition, wenn der Heranwachsende bereits von einem Allgemeinarzt betreut wird. In diesem Fall ist kein großer Transitionsaufwand nötig, da ja kein Arztwechsel erforderlich ist.


Beispiel 1: Jugendlicher mit Asthma bronchiale

  • Versorgung von Geburt an durch Allgemeinarzt
  • DMP Patient
  • Weiterversorgung durch gleichen Hausarzt

Szenario 2: Der Heranwachsende wird durch einen Kinder- und Jugendarzt betreut und muss spätestens mit 18 Jahren zu einem Allgemeinarzt wechseln. Hier ist größerer Aufwand nötig. Mindestens ein Telefonat der Beteiligten oder ein ausführlicher Übergabebrief sind zur Sicherstellung des Übergangs erforderlich.


Beispiel 2: Jugendlicher mit Neurodermitis sowie Reizdarmsyndrom

  • Versorgung durch Kinder- und Jugendarzt
  • Weiterversorgung durch Allgemeinarzt

Szenario 3: Der Heranwachsende wird vom Allgemeinarzt seit seiner Kindheit betreut, zusätzlich jedoch auch vom Kinder- und Jugendspezialisten. Hier bedarf es intensiver Betreuung, da ein Übergang vom Kinder- und Jugendspezialisten zum Erwachsenenspezialisten erforderlich sein wird. Hier reichen wohl kaum ein Telefonat oder ein Übergabebrief aus. Im Idealfall ist eine Kommunikation zwischen Kinder- und Jugendspezialisten und Erwachsenenspezialisten erforderlich, wobei der Allgemeinarzt unbedingt einbezogen werden muss.


Beispiel 3: Jugendlicher mit Typ-1-Diabetes

  • Hausärztliche Versorgung durch Allgemeinarzt, dort auch Feststellung der Krankheit
  • Mitversorgung durch Kinder- und Jugendspezialisten (Diabetologe)
  • Weiterbetreuung durch Allgemeinarzt und Erwachsenenspezialisten (Diabetologe)

Szenario 4: Der Heranwachsende wird vom Kinderarzt seit der Kindheit betreut, zusätzlich jedoch auch vom Kinder- und Jugendspezialisten. Hier bedarf es intensiver Betreuung, da ein Übergang sowohl vom Kinder- und Jugendarzt zum Allgemeinarzt als auch vom Kinder- und Jugendspezialisten zum Erwachsenenspezialisten erforderlich sein wird. Hier ist ein Zusammenkommen aller Beteiligten zwingend erforderlich, um einem Betreuungsverlust bei dem betroffenen Patienten vorzubeugen. Hierfür wurde der Begriff der "Transitionskonferenzen" geprägt.


Beispiel 4: Jugendlicher mit Epilepsie seit Kindheit

  • Hausärztliche Versorgung durch Kinderarzt
  • Mitversorgung durch Kinderneurologen
  • Weiterbetreuung durch Allgemeinarzt
  • Spezialistische Betreuung durch Erwachsenenneurologen
  • Einberufung einer Transitionskonferenz mit Beteiligung aller Ärzte, Patient und Eltern

Es ist wohl unschwer ersichtlich, dass der Prozess der Transition umso komplizierter wird, je schwieriger das Krankheitsbild des Betroffenen ist und je mehr verschiedene Institutionen an der Betreuung beteiligt sind. Die Beispiele spiegeln einen Großteil der Fälle wieder, jedoch gibt es auch Krankheitsbilder, bei denen noch viele andere medizinische Fachberufe beteiligt sein können. Jugendliche mit ADHS, geistigen Behinderungen oder auch nach Transplantationen sind solche Fälle. Hier sind Psychologen, Physiotherapeuten, Selbsthilfegruppen und auch Jugendämter und die Schulen zusätzlich maßgeblich an der Betreuung und dem Wohl der heranwachsenden Menschen beteiligt und unbedingt mit in den Transitionsprozess einzubeziehen.

Hausarzt muss dabei sein

Die Probleme, die bei der Transition entstehen können, sind durchaus erkannt und es gibt auch erste Projekte, die sich zum Ziel setzen, den Jugendlichen einen besseren Übergang in die Erwachsenenmedizin zu ermöglichen (Beispiele: Transfit, Berliner Transitionsprogramm), doch ist dies bei weitem noch nicht flächendeckend der Fall. Diskussionsbedarf besteht vor allem auch, da jeder Transitionsprozess je nach Krankheitsbild einen erheblichen Zeitbedarf bedeutet und dies einer adäquaten Honorierung bedarf. Auch die Tatsache, dass nicht alle Fachgruppen gleichwertig eingebunden sind, bedarf einer intensiven Diskussion und Nachbesserung. In jedem Fall der Transition ist zwangsläufig der Allgemeinarzt eingebunden, doch ist er in den bisherigen Projekten entweder gar nicht oder nur geringfügig involviert. Dies spiegelt nicht die Realität der Versorgung wieder, die im Barmer Report aufzeigte, dass bereits ab 13 Jahren mehr Jugendliche vom Allgemeinarzt als vom Kinderarzt betreut werden. Hier ist eine Anpassung nötig, so wie es die Versorgungsrealität widerspiegelt.

Jugendliche mit chronischen Erkrankungen, die am Übergang in die Erwachsenenmedizin stehen, sind oft nicht mehr gut betreut und ihre Krankheiten verschlechtern sich in dieser Phase nicht selten. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass alle Ärzte, die an der Betreuung von Heranwachsenden mit chronischen Krankheiten beteiligt sind, sich dieser Tatsache bewusst sind und mit der Thematik auseinandersetzen. Hierzu steht zum Beispiel zur Fortbildung ein IhF-Modul zur Verfügung ( http://www.hausaerzteverband.de/cms/IhF-zertifizierte-Fortbildungsangebote.366.0.html ). In jedem Fall sind die Allgemeinärzte in den Prozess mit einzubeziehen.



Autor:

Dr. med. Dipl.-oek. Bernhard Riedl
Facharzt für Allgemeinmedizin
93173 Wenzenbach

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (18) Seite 26-27