Das deutsche Gesundheitswesen ist für rund 5 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Und in der haus- und fachärztlichen Versorgung verursachen inhalative Arzneimittel, wie sie vor allem bei Patient:innen mit Asthma bronchiale und COPD zum Einsatz kommen, die größten klimaschädlichen Emissionen. Dieses Problem ist erkannt, und nun wird nach klimafreundlichen Lösungen gesucht.

Brennpunkt Klima
Arztpraxen sind zwar geeignete, bislang jedoch auf breiter Ebene kaum genutzte Anlaufstellen für die Förderung des klimabedingten Gesundheitsschutzes. Doch wie können Hausärzt:innen ihrer Multiplikatorenfunktion gerecht werden und dies in praktisches Handeln überführen? In einer 12-teiligen Serie greift doctors|today diese und andere Fragen auf und liefert hierzu Fakten, Orientierung und praxisnahes Handlungswissen.

Eine klimaneutrale Medikation mit Pulverinhalatoren ist zwar nicht immer möglich. Diese könnten aber weit häufiger als bislang eingesetzt werden. Daran sind vor allem die Dosier-Aerosole (DA) Schuld. Diese benutzen seit dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) Hydrofluoroalkane (Flurane) als Treibmittel. Diese schädigen zwar nicht – wie FCKW – die Ozonschicht, sind aber dafür starke und damit klimaschädigende Treibhausgase. Im Vergleich zu Pulverinhalatoren (DPI) haben sie ein vielfach höheres Schädigungspotenzial für die Atmosphäre. Das wird gemessen mit dem Global Warming Potential (GWP). Das in den meisten DA verwendete Treibmittel Norfluran hat schon ein überdurchschnittlich hohes GWP von 1.430. Mit dem ebenfalls eingesetzten Apafluran schnellt das GWP sogar auf 3.220 hoch.

Pulverinhalatoren sind klimaschonender

Doch der Einsatz von DA ist heute häufig auch aus medizinischer Sicht gar nicht mehr indiziert. Lediglich bei Kindern unter 5 Jahren oder alten Menschen setzt man derzeit noch in erster Linie DA ein, da sie etwas leichter einzuatmen sind. Für viele weitere Patientengruppen sind Pulverinhalatoren ein gleichwertiger Ersatz – mit positiven Folgen für die Klimabilanz. Die Unterschiede sind gravierend. Einer britischen Studie zufolge [1] entspricht die Klimaschädlichkeit eines Inhalators mit dem Treibmittel Norfluran dem CO2-Ausstoß einer Pkw-Fahrt von 322 Kilometern. Zum Vergleich: Die klimaschädigende Wirkung eines Pulverinhalators liegt nur bei einem Zwanzigstel davon.

Und das summiert sich, wenn man allein nur die 12-Monats-Prävalenz-Raten aus dem Robert Koch-Institut von COPD (5,8 %) sowie Asthma bronchiale (6,2 %) heranzieht. Laut neuer Erhebungen (siehe Kasten) könnten 46.600 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr eingespart werden, wenn nur alle Pneumologen in Deutschland ihre Verschreibungspraxis ändern würden. Weitere Verordnungen durch andere Facharztgruppen – insbesondere die hausärztlich tätigen Ärzt:innen – sind hierbei noch nicht einmal berücksichtigt.

DEGAM-Leitlinie für klimakonformes Handeln

Doch ist das – bezogen auf Klimaschäden – überhaupt relevant? Zum Vergleich: Die Treibhausgas-Emission in Deutschland betrug laut Umweltbundesamt 2021 rund 762 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Erklärtes Ziel für 2030 ist ein Wert von 438 Millionen Tonnen. Danach verblasst dieser Einspareffekt auf den ersten Blick. Wenn man aber weiß, dass nach Berechnungen aus Großbritannien Dosieraerosole für 3,5 % des kompletten Treibhausgasausstoßes im Nationalen Gesundheitsdienst NHS verantwortlich sind, sieht die Rechnung schon wieder anders aus. Dies gilt umso mehr, als nach Einschätzung von PD Dr. Guido Schmiemann als federführender Autor der S1-Leitlinie "Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln" der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) bei 80 – 85 % aller Patient:innen die Verordnungen problemlos auf die weniger schädlichen DPI umgestellt werden könnten. Die Leitlinie ist die erste, die explizit die Bedeutung der Verschreibung einer Medikamentengruppe für den Klimawandel thematisiert. Mit dieser neuen Leitlinie stehen Hausärzt:innen nun valide Informationen zur Verfügung, damit sie in der Praxis klimakonform handeln können.

Sichere Therapie muss gewährleistet sein

Doch steckt auch hier der Teufel im Detail. Denn eine Umstellung sei nicht nur bei Kleinkindern und geriatrischen Patient:innen, sondern auch bei schwerst erkrankten Menschen höchst problematisch, warnt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Skeptisch steht sie daher auch der geplanten EU-Verordnung gegenüber, die nur noch eine begrenzte Herstellung treibgasbetriebener Dosieraerosole ab 2025 vorsieht. Auf diese DA seien derzeit allein in Deutschland rund 3,5 Millionen Menschen mit medikamentös behandeltem Asthma sowie 2,6 Millionen Patient:innen mit COPD angewiesen. Darüber hinaus seien auch für die Inhalationstherapie in einer Notsituation treibgasbetriebene DA in den allermeisten Fällen nicht zu ersetzen. Insbesondere für die am schwersten Erkrankten könne dann laut DGP keine sichere Therapie mehr gewährleistet werden. Daher appelliert die DGP nun an die Europäische Kommission, für diese Sonderfälle eine Ausnahmeregelung für die Herstellung treibgasbetriebener DA für inhalative Medikamente bis 2030 zu erteilen. Bis 2030 wollen aber auch die Lungenärzte leitlinienbasiert so weit sein, um mit dem Einsatz auch innovativer Inhalatoren sowohl ihrer medizinischen Verantwortung für Patient:innen wie auch dem Klimaschutz besser gerecht werden zu können.

Ein Fortschritt wäre es aber schon, wenn alle Ärzt:innen ab sofort dort, wo Umstellungen ohne Weiteres möglich sind, diese jetzt auch tatsächlich vornehmen würden. Das kann mit einem kleinen Schritt – etwa Apafluran durch Norfluran zu ersetzen – erst mal beginnen. Diesem können und müssen dann auch angesichts der fortschreitenden Klimaschäden aber rasch weitere und noch größere Schritte folgen.

Klimaschutz in der Arztpraxis ist möglich
Die noch häufig verwendeten treibgashaltigen Dosieraerosole (DA) verursachen einen 10- bis 40-fach höheren CO2-Fußabdruck als treibgasfreie Pulverinhalatoren (DPI). Die Pneumologen Dr. med. Jakob Bickhardt und Dr. med. Uta Bader haben daher in ihrer Dresdner Gemeinschaftspraxis seit 2021 ihren Anteil an DPI-Verordnungen von rund 49 % auf fast 78 % steigern können. Bei Patient:innen, die auf kortisonhaltige Inhalationspräparate angewiesen sind, war der Sprung von 20 auf 74 % noch höher. Durch diese Umstellung ließen sich in ihrer Dresdner Praxis jährlich zwischen 115 bis 480 kg CO2-Äquivalent pro Patient:in einsparen. Bei etwa 2.600 Behandlungsfällen sind das 35 bis 40 Tonnen CO2-Äquivalent weniger. Laut Bickhardt wäre bundesweit so allein bei den Pneumologen eine Einsparung von 46.600 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr möglich [2]. (ras)


Literatur:
1. Woodcock A et al. (2022) Thorax. DOI: 10.1136/thoraxjnl-2021-218088
2. Bickhardt J. et al. (2022) Pneumologie. DOI 10.1055/a-1771-5292


Autor
Raimund Schmid

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (1) Seite 24-25