Mensch vor Profit! – so heißt es sinngemäß in dem Ärzte-Appell "Rettet die Medizin", der Anfang September letzten Jahres in der Zeitschrift "Stern" veröffentlicht wurde. Leider ist das keine neue Forderung, denn schon lange davor mahnte der bekannte Medizinethiker Prof. Giovanni Maio den Werteerhalt in der Medizin an und erinnerte an die Verantwortung eines jeden Arztes bzw. einer jeden Ärztin, sich gegen eine privatwirtschaftliche Vereinnahmung und gegen eine kontraproduktive Deprofessionalisierung unserer ärztlichen Tätigkeit zur Wehr zu setzen.

Schließlich ist es die prosoziale Einstellung, die Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende zu ihrer Berufswahl motiviert hat. Aber schon bald nach Beginn der Facharztweiterbildung sehen sich Ärztinnen und Ärzte heute mit der Frage konfrontiert, ob sie mit ihrer Arbeit zur Konsolidierung der Finanzen beitragen oder nicht. Eine Entwicklung, die nur so nach Aufbegehren schreit. Endlich scheint das Maß voll zu sein. Hunderte von Ärztinnen und Ärzten unterschreiben den Appell "Rettet die Medizin" und kämpfen damit dafür, dass bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten ärztliche Werte im Vordergrund stehen und nicht gewinnorientiertes Handeln.

Wichtigste Grundlage für den Kampf um den Werteerhalt in der Medizin ist der Erhalt der ärztlichen Freiheit oder, anders ausgedrückt, der Erhalt des ärztlichen Berufes als freier Beruf. Hierfür müssen sich die ärztlichen Selbstverwaltungsstrukturen weiterhin unermüdlich einsetzen.

Welche Werte sind das, die es für unsere Patientinnen und Patienten zu erhalten gilt? Ein wichtiger Wert, den sich Patienten von uns erhoffen, ist die Geduld. Geduld aber erfordert Zeit sowie Sorgfalt und hat gutes Zuhören – mit Offenheit und Feinsinn – als Grundlage. Für das Patientengespräch im Sinne einer Begegnung von zwei Menschen ist bei der heutigen Ökonomisierung der Medizin viel zu wenig Zeit vorgesehen. Das Zuhören wird leider immer mehr verdrängt durch das vorherrschende Ziel des Zeitgewinns. Nichtsdestotrotz ist das Zuhören als "Haltung des Zeitgebens" eine Grundvoraussetzung, um einem Patienten wirklich gerecht zu werden. Ziel muss es außerdem sein, das gute ärztliche Patientengespräch in seiner Komplexität zu erhalten. Allein der bloße Kontakt zu einem Patienten beinhaltet an Ärzte die Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen.

Ärztinnen und Ärzte wollen sich dem Diktat der Gewinnmaximierung nicht beugen, denn sie sind allein dem Wohle ihrer Patientinnen und Patienten verpflichtet. Wir haben einen sozialen Beruf gewählt und haben damit einen sozialen Auftrag, dem wir treu bleiben müssen und den wir unseren Patienten schuldig sind. Entscheidend hierbei ist unsere innere Grundeinstellung. Sie beruht auf der ärztlichen Verlässlichkeit und Beständigkeit unseren Patienten gegenüber, denen wir uns verbunden fühlen. Unsere Grundwerte in der Medizin lassen es nicht zu, dass die ökonomische Orientierung in der Medizin mit ihrer Erlösmaximierung die emotionale Beziehung zu unseren Patienten abwertet.



Autorin:

© Carrolina Ramirez
Monika Buchalik

Fachärztin für Allgemeinmedizin
Vizepräsidentin der Landesärztekammer Hessen
63477 Maintal

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (1) Seite 5