Die jüngsten Pläne von Politik und Krankenkassen offenbaren aus Sicht der Freien Ärzteschaft, dass die ambulante medizinische Versorgung der gesetzlich Versicherten endgültig an ihre Grenzen gekommen ist.

Einerseits unbegrenztes Leistungsversprechen und andererseits Planwirtschaft mit strikter finanzieller Begrenzung – das widerspricht sich aus unserer Sicht im Kern. Terminpressing in einer Gröhe-Sprechstunde mit Vier-Wochen-Terminzwang ist weder mit ärztlicher Sorgfaltspflicht nach dem 2013 eingeführten Patientenrechtegesetz noch mit ärztlichem Berufsethos vereinbar. Damit würde die Zwei-Minuten-Medizin forciert, die Versorgung verschlechtert und Ärzte wie Patienten würden immer unzufriedener. Es ist ohnehin so, dass in vielen Fachbereichen, sowohl bei Haus- als auch bei Fachärzten, die Versorgung unserer Patienten infolge der Unterfinanzierung immer prekärer wird. Masse statt Klasse – dies scheint die einzige Maxime für Politik und KVen zu sein, exekutiert auch durch das immer absurder werdende Honorarsystem EBM, das nur Mengen, nicht aber Qualität belohnt und das zur fortschreitenden Ausgrenzung wirklich Kranker führt.

Auch das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen bietet keine Lösung. Denn sowohl staatliche Praxen als auch die ambulante Versorgung an Krankenhäusern sind organisatorisch und wirtschaftlich keine annähernd gleichwertige Alternative zu freien Arztpraxen. Das haben auch die vielen Pleiten Medizinischer Versorgungszentren gezeigt. Immerhin bestätigt das Gutachten die große Unzufriedenheit der Vertragsärzte mit dem Vergütungssystem, die bereits bei der Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2013 deutlich zum Ausdruck kam.

Der Gipfel ist aber der jüngste Vorschlag des GKV-Spitzenverbands, Zulassungen künftig zu befristen. Welcher Arzt wird unter solchen Bedingungen noch in eine Praxis oder deren Übernahme investieren und sich niederlassen? Es stellt sich die Frage, ob die Kassen überhaupt noch eine kassenärztliche Versorgung der bundesdeutschen Bevölkerung wollen – dann könnten sie auch gleich das Ende aller Zulassungen fordern.

Ohnehin stellen viele Ärzte fest, dass unter den Bedingungen der gesetzlichen Kassen meist nur noch eine Mangelbehandlung möglich ist. Wir müssen uns ungeachtet aller beschönigenden Imagekampagnen fragen, ob die Tätigkeit als Vertragsarzt überhaupt noch eine Existenzgrundlage und eine Perspektive für eine gute Patientenversorgung bietet. Mit weniger Kassen- und mehr Privatmedizin wäre die Situation möglicherweise für viele Ärzte besser, weil wir damit überbordende Bürokratie, Bevormundung und Mangelwirtschaft reduzieren und mehr gute Medizin machen können – und das käme auch unseren Patienten zugute.



Autor:

Wieland Dietrich

Vorsitzender der Freien Ärzteschaft e. V.
45144 Essen

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 35 (14) Seite 3