Die Durchimpfung der Bevölkerung zum Aufbau einer Herdenimmunität gegen COVID-19 ist eine riesige Herausforderung. Mangels effektiver Behandlungsoptionen ist die Impfung DER Schlüssel zum Ausstieg aus dem Pandemiegeschehen. Deshalb wurde im Bundesministerium für Gesundheit mit viel Liebe zum Detail eine neue Struktur zur Massenimpfung erschaffen: die Impfzentren. Sicherlich sinnvoll zu Beginn der Impfkampagne mangels vorhandener Ressourcen und folglich schwieriger Steuerung von Patientenströmen. Die mehr als unerfreulichen Diskussionen, die wir im Herbst in den Praxen infolge nicht vorhandenen Grippeimpfstoffs erleben mussten, finden nun in den Impfzentren statt.

Doch so langsam wendet sich das Blatt – endlich! Die Impfstofflieferungen nehmen in Anzahl und Frequenz deutlich an Tempo zu. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um JETZT die Hausarztpraxen mit ins Boot zu nehmen. Doch weit gefehlt. In der Coronaimpfverordnung von Minister Spahn ist eine COVID-19-Impfung in der Praxis bisher schlichtweg nicht vorgesehen gewesen. Auch wenn gerade an einer Anpassung gearbeitet wird und alle mit einem Impfangebot in den Praxen im Verlauf des 2. Quartals rechnen, ist dies ein hoch bemerkenswertes Statement.

Ist dem Bundesminister bekannt, dass in Hausarztpraxen jedes Jahr ca. 30 Mio. Impfungen durchgeführt werden? Ist bekannt, was der ausdrückliche Wille der Bevölkerung ist: die Impfung in einer vertrauten Struktur mit einem vertrauten und bestens geübten Team vorzunehmen? Oder fällt es einfach nur extrem schwer, nach dem Kraftakt des Zentrenaufbaus nun das Impfangebotsfenster für originär zuständige Hausarztpraxen weit zu öffnen, um viel mehr Tempo hineinzubringen in den Impfprozess? In einigen Bundesländern laufen jetzt schon dank großem Engagement vieler Hausärzt:innen Pilotprojekte zur Impfung in unseren Praxen. Und dennoch: Hausarztpraxen wollen nicht Modell stehen oder als Übergangslösung herhalten für ein ausgeweitetes Impfangebot in neuen, weiteren Impfzentren. Stoppt den Aufbau weiterer Strukturen! Impfungen sind das Kerngeschäft hausärztlicher Versorgung. Hierin haben die Patient:innen das größte Vertrauen. Hier bestehen flächendeckend bereits effiziente und professionelle Strukturen, die von den Patient:innen in einem hohen Ausmaß geschätzt und mit Dankbarkeit gerade in der jetzigen Zeit angenommen werden. Wir brauchen eine schlanke Verwaltungsstruktur, überlasst die Dokumentation den professionell ausgestatteten Praxen und sorgt für eine adäquate Vergütung dieser so essenziellen ambulanten Strukturen. Nur mit einer effizienten Durchimpfung der Bevölkerung können wir den Schutzwall für die Krankenhäuser vor Überlastung auch langfristig aufrechterhalten und weiter verfestigen.

Das Zi hat berechnet, wie schnell die Erstimpfung der Bevölkerung bspw. in Rheinland-Pfalz, meiner Heimat, abgeschlossen sein kann: mit Hausarztpraxen bis 25.7.2021, ohne Hausarztpraxen erst bis 21.11.2021. Lassen Sie uns starten mit der Massenimpfung in unseren Praxen!



Autorin:

© Hausärzteverband Rheinland-Pfalz
Dr. med. Barbara Römer

Fachärztin für Allgemeinmedizin
1. Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz
55291 Saulheim

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (3) Seite 5