Der Mangel an Hausärzt:innen ist schon da und wird sich in den nächsten Jahren noch vergrößern. Denn in Deutschland sind mehr als 35 % der Hausärzt:innen älter als 60 Jahre. Sollten diese nicht adäquat ersetzt werden können, ist die gesundheitliche Versorgung gerade in ländlichen Regionen gefährdet. Kann ein Genossenschaftsmodell hier Abhilfe schaffen?
Da der Hausärztemangel keine ganz neue Entdeckung ist, gibt es auch schon einige potenzielle Lösungsansätze. So gibt es in vielen Bundesländern finanzielle Zuschüsse für jene, die sich in einer ländlichen Region niederlassen wollen, und eine Landarztquote für den Zugang zum Medizinstudium soll den Hausarztberuf für angehende Mediziner:innen attraktiver machen und so hausärztlichen Nachwuchs auf´s Land locken.
Erste Genossenschaften gibt es
Auf einem etwas anderen Weg versucht man in Baden-Württemberg die hausärztliche Versorgung vor Ort langfristig zu sichern und es Hausärzt:innen zu erleichtern, im Alter eine Nachfolge für ihre Praxis zu finden. Ein Schritt dahin war die Gründung einer gemeinnützigen Genossenschaft im Jahr 2019 im Landkreis Calw im Nordschwarzwald – die erste ihrer Art in Deutschland. Das Ganze funktioniert wie ein ärztliches Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Entwickelt hat dieses Konzept die Beratungsfirma Diomedes. Dem Beispiel Calw folgend hat sich inzwischen eine zweite Genossenschaft gegründet. An diesem Gesundheitsnetzwerk sind vier Gemeinden, drei niedergelassene Ärzte und ein regionales Klinikum beteiligt.
Welche Vorteile bietet eine Genossenschaft?
Ein wichtiges Argument für eine Genossenschaft sei das geringe Risiko für alle Beteiligten. So seien die Haftungsrisiken der Mitglieder bei diesem Genossenschaftsmodell minimal und klar auf kleine Beträge begrenzt, sagen die Entwickler. Damit sei dieses Modell insbesondere für Kommunen sehr attraktiv. Für Hausärzt:innen ist das Modell insofern interessant, weil immer mehr junge Ärzt:innen eine Anstellung der selbstständigen Niederlassung vorziehen. Grund dafür ist, dass viele das wirtschaftliche Risiko bei der Übernahme einer Praxis scheuen. Beim Genossenschaftsmodell entfällt dieses Risiko. Außerdem werden die jungen Ärzt:innen von administrativen Tätigkeiten entlastet und haben keine Personalverantwortung. Dass zudem auch Teilzeitmodelle möglich sind, mit denen sich Beruf, Familie und Freizeit leichter miteinander vereinbaren lassen, mache das Modell besonders attraktiv für den Nachwuchs.
Alternative zur Suche nach Praxisnachfolge
Profitieren könnten davon dann eben auch etablierte Ärzt:innen, die auf dem üblichen Weg keine Nachfolger:innen finden und für die das Genossenschaftsmodell doch noch eine neue Möglichkeit eröffnen könnte, ihre Praxis zu übergeben und so den Bestand zu sichern. Dabei könnten sie in dem Modell ihre hausärztliche Tätigkeit zum Rentenalter hin schrittweise reduzieren.
Selbstständig bleiben oder nicht?
Tatsächlich wollen in der Modellregion am Hochrhein wohl zwei Hausärzte ihre Selbstständigkeit aufgeben und ihre Praxis in das neu zu gründende MVZ einbringen. Sie wollen weiter ärztlich tätig sein, dabei aber weniger wirtschaftliche Verantwortung tragen und in Sachen Verwaltungsaufwand entlastet werden. Neben den beiden Hausärzten wird auch eine Kinderärztin Mitglied in der Genossenschaft. Sie gibt ihre Selbstständigkeit jedoch nicht auf. Dies zeige, dass man sich auf verschiedenen Wegen in der Genossenschaft engagieren könne und nicht jeder gleich seine Selbstständigkeit aufgeben müsse. Ein weiteres Mitglied im Bunde der Genossen ist das regionale Klinikum. Denn eine enge Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung biete für alle Beteiligten Vorteile im Behandlungsverlauf, nicht zuletzt für die Patient:innen, so die Initiatoren.
Wie sich die Genossenschaft im Süden etabliert, wird sich noch zeigen müssen. Der Genossenschaft im Nordschwarzwald soll es aber bereits gelungen sein, innerhalb weniger Monate neue Ärzt:innen zu finden.
Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (3) Seite 28-29