Eine Patient:in verlangt ihre Behandlungsunterlagen heraus. Sie ziehe in Kürze um und wolle diese zur neuen Hausarztpraxis mitnehmen. Was gilt es jetzt zu beachten?

Alle Patient:innen haben das Recht, ihre Patientenunterlagen einzusehen. Dieses Recht lässt sich – seit dem Patientenrechtegesetz – auch auf eine konkrete Rechtsnorm stützen: Nach § 630 g BGB steht Patient:innen ein Recht auf unverzügliche und vollständige Einsicht zu, "soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen".

Auch die Berufsordnungen der Ärztekammern statuieren die Gewährung des Einsichtsrechts als Berufspflicht. Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 lässt sich das Einsichtsrecht auch auf einen gesonderten datenrechtlichen Anspruch stützen.

Verweigert werden darf die Einsichtnahme nur aus erheblichen therapeutischen Gründen oder erheblichen Interessen dritter Personen. Solche Fälle kommen aber äußerst selten vor, meist im psychotherapeutischen Kontext. Eigene Interessen der behandelnden Person kommen nur ausnahmsweise in Betracht, sodass diese meist nicht als Grund für eine Verweigerung der Herausgabe dienen können. Insgesamt ist die Schwelle, ab welcher ein erheblicher, für eine Herausgabeverweigerung angemessener Grund anzunehmen ist, äußerst hoch.

Bis zum Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung im Jahr 2018 konnten die für die Anfertigung von Kopien der Behandlungsunterlagen entstehenden Kosten weiterberechnet werden. Mit der neuen Rechtslage ist dies jedoch nicht mehr möglich, da mit der DSGVO ein kostenfreier Auskunftsanspruch eingeführt worden ist.

Insgesamt sollte man begründeten Einsichtsrechten möglichst umgehend Rechnung tragen − auch, weil es Fälle gibt, in denen findige Patientenanwält:innen kurzfristig Klage einreichen, wenn der Anspruch nicht direkt erfüllt wird. Hieraus entstehende Kosten (und zusätzlicher Aufwand) sollten möglichst vermieden werden.

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Autor

© Björn Stäwen
Björn Stäwen, LL. M.

Fachanwalt für Medizinrecht, kwm rechtsanwälte – Kanzlei für Wirtschaft und Medizin PartG mbB
Lehrbeauftragter der Universität Münster im Masterstudiengang Medizinrecht für den Bereich Vertragsarztrecht

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (11) Seite 71