Frage: Dr. M. aus Frankfurt: Ich bin Hausarzt und Inhaber einer Einzelpraxis. Bei der Urlaubsplanung versuche ich, auf meine Mitarbeiter:innen möglichst weitgehend Rücksicht zu nehmen. Wenn ich selbst Urlaub machen möchte, ohne eine Vertreter:in zu haben, kann ich das Personal jedoch nicht sinnvoll beschäftigen. Kann ich meine Mitarbeiter:innen in diesen Fällen gleichzeitig auch in den Urlaub schicken oder muss ich sie bezahlt freistellen? Kann ich auch zu anderen Anlässen meine Praxis schließen und gegenüber meinen Mitarbeiter:innen Urlaub anordnen?

Antwort von Rechtsanwalt Stäwen: Wenn Sie als Inhaber einer Einzelpraxis in den Urlaub gehen, fällt in der Regel in dieser Zeit keine Arbeit für das Praxispersonal an. Hier kann auf die Möglichkeit der Anordnung des sogenannten Betriebsurlaubs zurückgegriffen werden.

Ein Anordnen des Betriebsurlaubs ist generell dann möglich, wenn dies "dringende betriebliche Belange" erfordern. Das ist zum Beispiel bei dem Urlaub der Praxisinhaber:in einer Einzelpraxis der Fall. Auch ein Umbau der Praxis kann einen solchen dringenden betrieblichen Belang darstellen. Wichtig ist, dass Umstände vorliegen, aufgrund derer keine alltägliche Arbeit für die Mitarbeiter:innen anfällt und daher eine Beschäftigung nicht sinnvoll ist. In diesen Fällen können Sie Ihr Praxispersonal also grundsätzlich in den Urlaub schicken. Ein zeitweise zu geringes Patientenaufkommen oder sonstige Störungen im Betriebsablauf, die im Risikobereich der Praxisinhaber:in liegen, stellen hingegen keinen "dringenden betrieblichen Belang" dar, der eine Schließung der Praxis auf Kosten der Urlaubsansprüche des Personals rechtfertigt.

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Der Betriebsurlaub wirkt sich also nachteilig auf die Urlaubsplanung der Mitarbeiter:innen aus. Die angeordneten Urlaubstage werden von den Urlaubsansprüchen des Personals grundsätzlich abgezogen und damit genauso behandelt wie Urlaub, der durch die Mitarbeiter:in selbst beantragt wurde. Dies gilt jedoch nur insoweit, als dass die Mitarbeiter:in noch nicht alle Urlaubstage genutzt hat. Falls kein Resturlaub mehr besteht oder der Resturlaub schon genehmigt worden ist, gilt: Glück für die Mitarbeiter:in. Hier besteht die Option, den Betriebsurlaub für die Mitarbeiter:in aufzuheben oder sie bezahlt freizustellen. Einmal genehmigter Urlaub kann durch den Betriebsurlaub nicht wieder entzogen werden. Deshalb sollte der Betriebsurlaub langfristig angekündigt werden, idealerweise zu Beginn des Urlaubsjahres und mindestens sechs Monate im Voraus. Allerdings darf der Betriebsurlaub nicht beliebig lang andauern. Den Mitarbeiter:innen müssen genügend Urlaubstage zur freien Verfügung bleiben. Wann dies der Fall ist, ist gesetzlich nicht festgelegt und wird auch von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte der Betriebsurlaub jedoch zwei Wochen in der Regel nicht übersteigen.|



Autor:

© Björn Stäwen
Björn Stäwen, LL. M.

Fachanwalt für Medizinrecht, kwm rechtsanwälte – Kanzlei für Wirtschaft und Medizin PartG mbB
Lehrbeauftragter der Universität Münster im Masterstudiengang Medizinrecht für den Bereich Vertragsarztrecht

Erschienen in: doctors|today, 2020; 1 (1) Seite 62