Frage: Wir betreuen eine 68 Jahre alte, normalgewichtige Patientin, bei der seit einigen Jahren ganz allmählich ansteigende "Leberwerte" aufgefallen sind (ALAT zuletzt 2,7 – entspricht GPT: 162 IU/L); AP 2,1; gGT 3,3). Alkohol-Abusus glaubhaft negiert. Wegen einer rheumatoiden Arthritis wurde sie auf MTX-TNF-alpha-Blocker und später Abatacept eingestellt, aufgrund der oben geschilderten Problematik dann aber MTX abgesetzt. Derzeit besteht keine wesentliche rheumatische Entzündungsaktivität. Die Hepatitisserologie B+C war unauffällig. Z.n. asymptomatisch abgelaufener Hepatitis A. Im Verlauf nimmt das Ferritin allmählich zu: 2016: 443, 2018: 661, 2019: 871, aktuell 895. Gleiches gilt für die Transferrinsättigung: 2019: 49,9, aktuell 61,7.Unter V. a. Hämochromatose erfolgte eine molekulargenetische Untersuchung, die unauffällig blieb. Eine Bestimmung des Lebereisens ist vor Ort nicht möglich. Könnte trotz negativer Molekulargenetik eine Hämochromatose vorliegen? Kann im MRT der Eisengehalt der Leber ausreichend beurteilt werden? Sollten ggf. Aderlässe erfolgen? Was sollte differenzialdiagnostisch noch untersucht werden?

Antwort

Wahrscheinlich sind die mäßig ausgeprägte Erhöhung des Serumferritins und die leichte Erhöhung der Transferrinsättigung nicht durch eine Eisenüberladung bedingt, sondern durch die rheumatische Grunderkrankung und die in diesem Rahmen gegebenen Medikamente.

Bei der HFE-Hämochromatose Typ 1 sind Ferritinwerte von mehr als 500 ng/ml in der Regel mit Werten der Transferrinsättigung von mehr als 90 – 95 % assoziiert [1]. Die HFE-Hämochromatose wurde zudem schon molekulargenetisch ausgeschlossen. Von den übrigen Hämochromatose-Formen geht nur eine Form der Ferroportin-Erkrankung mit nahezu normalen oder niedrigen Werten für die Transferrinsättigung einher, dies ist die Hämochromatose Typ 3A. Im Zweifelsfall kann man diese Form molekulargenetisch nachweisen, wenn man nach entsprechenden Polymorphismen im Ferroportin-Gen sucht.

Mit fast jedem MRT-Gerät ist eine nicht invasive, semi-quantitative Messung des Lebereisengehaltes möglich, wenn man die Software FerriScan® nutzt. Eine Liste mit Radiologie-Instituten, die diesen Service anbieten, findet man unter http://www.haemochromatose.org/pdf/FerriScan-Folder.pdf. In der Regel werden die Kosten für diese Untersuchung aber nicht von den Krankenkassen übernommen. Daher sollte man sich zuvor an die Krankenkasse wenden.

In unserem Fall erscheint ein MRT oder eine erweiterte genetische Diagnostik nur dann sinnvoll, wenn man eine deutliche Leberfibrose nachweist, z. B. mittels Elastographie. Sollte dies nicht der Fall sein, kann man abwarten und die Elastographie oder einen anderen nicht invasiven Fibrosetest (z. B. den FIB-4-Score) einmal jährlich wiederholen (ebenso wie die Messungen von Ferritin und Transferrinsättigung). Bei Hinweisen für eine Fibrose von mehr als F1 kann man überdenken, ob die o. g. Zusatzuntersuchungen und auch eine Leberpunktion zur weiteren Klärung sinnvoll sind. Die Erhöhung der ALAT ist nicht erklärt durch die Ferritinerhöhung oder eine Eisenüberladung, so dass bei andauernder deutlicher Erhöhung der Serumtransaminasen die Klärung der Lebererkrankung wichtiger ist als die weitere Untersuchung des Eisenstoffwechsels.

Da offensichtlich das übrige Labor unauffällig ist, liegt wahrscheinlich keine fortgeschrittene Fibrose vor. Eine Aderlasstherapie wäre nur indiziert, wenn der Lebereisengehalt nachweislich deutlich erhöht ist. Das Risiko einer erheblichen Leberfibrose und -zirrhose beginnt bei der HFE-Hämochromatose Typ 1 erst bei Serumferritinwerten von über 1.000 ng/ml. Auch deshalb kann man die deutliche ALAT-Erhöhung nicht mit den mäßig erhöhten Ferritinwerten erklären.

Bei vielen entzündlichen Erkrankungen und insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis reagiert das Ferritin wie ein Akut-Phase-Protein [2]. Ferritin wird dabei aus aktivierten Makrophagen freigesetzt und es kommt zu einem Hyperferritinämie-Syndrom, das nicht durch eine Eisenüberladung verursacht ist [2]. Ein solcher Mechanismus könnte den Ferritinanstieg in diesem Fall zumindest teilweise erklären.

Die Gabe der Rheuma-Medikamente könnte einen zweiten Teil des beschriebenen Anstiegs von ALAT und Ferritin erklären. Zum Teil sind die hepatotoxischen Wirkungen der Rheuma-Medikamente autoimmun vermittelt. Nach Gabe von Abatacept kann man eine Erhöhung der Serumtransaminasen bei 1,4 bis 2,4 % der Patient:innen mit rheumatoider Arthritis nachweisen [3 – 4]. Auch nach Gabe von TNF-Antagonisten sind Transaminasenanstiege beobachtet worden [5]. Die Häufigkeit deutlicherer Leberschädigungen einschließlich eines Bilirubinanstiegs ("DILI") lag nach Infliximab-Gabe aber bei unter 1 % [6]. Methotrexat (MTX) kann relativ häufig zur Erhöhung der Serumtransaminasen führen (15 – 50 %) [7] und bei langer Dauer und hoher Dosis auch zu Fibrose und Zirrhose [8]. Die Durchführung eines nicht invasiven Leberfibrosetests z. B. mittels Elastographie wäre in diesem Fall auch wichtig für die Wahl und das Monitoring weiterer Rheuma-Medikamente in der Zukunft.

Es wird beschrieben, dass die Hepatitis-B-Serologie unauffällig gewesen sei. Da in der Vergangenheit immunsuppressive Medikamente verabreicht wurden, die eine HBV-Reaktivierung hervorrufen können, sollte die Serologie entsprechend den neuen HBV-Leitlinien überprüft werden, insbesondere auch mit der Frage, ob eine HBV-Vakzinierung indiziert ist.

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Literatur:
1. Niederau C. Hemochromatosis. In: Encyclopedia of Gastroenterology, 2nd Edition. Kuipers E. Hrsg. Elsevier Verlag Amsterdam 2020.
2. Giemza-Stokłosa J, Islam A, Kotyla PJ. Hyperferritinaemia: An Iron Sword of Autoimmunity. Curr Pharm Des 2019; 25:2909 – 18.
3. Iwanaga N, Origuchi T, Terada K et al. Rheumatoid arthritis complicated with severe liver injury during treatment with abatacept. Mod Rheumatol 2014; 24:874 – 6.
4. Alten R, Kaine J, Keystone E et al. Long-term safety of subcutaneous abatacept in rheumatoid arthritis: integrated analysis of clinical trial data representing more than four years of treatment. Arthritis Rheum 2014; 66:1987 – 97.
5. French JB, Bonacini M, Ghabril M et al. Hepatotoxicity associated with the use of anti-TNF-α agents. Drug Saf 2016; 39:199 – 208.
6. Björnsson ES, Gunnarsson BI, Grondal G et al. Risk of drug-induced liver injury from tumor necrosis factor antagonists. Clin Gastroenterol Hepatol 2015; 13:602 – 8.
7. Tran-Minh M, Sousa P, Maillet M, et al. Hepatic complications induced by immunosuppressants and biologics in inflammatory bowel disease. World J Hepatol 2017; 9: 613 – 26.
8. Lewis JH, Schiff E. Methotrexate-induced chronic liver injury: guidelines for detection and prevention. The ACG committee on FDA-related matters. Am J Gastroenterol 1988; 83:1337 – 45.


Autor

Prof. Dr. med. Claus Niederau

Klinik für Innere Medizin mit Gastroenterologie, Hepatologie und Diabetologie
Katholisches Klinikum Oberhausen, St. Josef-Hospital
46045 Oberhausen

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (8) Seite 24-25