Es gibt Lebensphasen, in denen ein Gewichtsverlust durchaus Sinn ergibt, sei es aus persönlichen oder aus gesundheitlichen Gründen. Einfach ist es aber bekanntlich nicht. Am effizientesten ist Fasten. Welche Methode sinnvoll ist und worauf dabei zu achten ist, erklärte Prof. Stephan Vavricka, Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie, Zürich, am VZI-Symposium in Zürich.

Fastenkuren gehören zu vielen alten Kulturen. Die Absicht dabei war, Verzicht zu üben und den Göttern näherzukommen. Auch die fünf großen Religionen kennen asketische Bräuche, in der Regel vor oder an hohen Feiertagen. Im Judentum wird beispielsweise zu Jom Kippur 25 Stunden gefastet sowie an fünf weiteren Tagen, im Islam wird während des Ramadan einen Monat lang von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang gefastet, das Christentum kennt eine Fastenzeit während 40 Tagen zwischen Aschermittwoch und Ostern. Auch im Tierreich kommen mitunter lange Fastenperioden vor. Königspinguine können beispielsweise bis zu fünf Monate fasten.

Wie sich ein monatelanges Fasten auf die Körperfunktionen des Menschen auswirkt, hat der Ernährungswissenschaftler Ancel Keys anhand seines Minnesota-Starvation-Experiments erforscht. Er unterzog 1944 eine Freiwilligengruppe von Kriegsdienstverweigerern einer extremen Mangelernährung unter Beobachtung, um danach verschiedene Methoden der gesundheitlichen Wiederherstellung anzuwenden. Seinen Erkenntnissen zufolge sinkt bei längerem Fasten die Körpertemperatur und es treten verschiedene Symptome auf wie beispielsweise Sehstörungen, Klingeln in den Ohren, Prickeln und Betäubung in den Extremitäten, Schmerzen, Schlafstörungen oder Verlangsamung der Reflexe (Kasten). Nach Aufbrauchen der Fettreserven werden Proteine und damit Muskulatur abgebaut sowie Körperfunktionen reduziert [1]. Beim Fasten zur Gewichtsreduktion geht es jedoch nur darum, Fettreserven abzubauen, ohne dabei Proteine beziehungsweise Muskulatur zu verlieren. Dies kann durch Verlagerung der Energielieferanten von Glukose auf Fett gelingen, das in Form von Fettsäuren und Ketonkörpern ins Blut zur kurzzeitigen Energiegewinnung abgegeben wird. Ab dem ersten Fastentag werden die kurzzeitig verfügbaren Kohlenhydrate in Form von Glykogenen aus der Leber abgebaut, ebenso Proteine – zu Beginn 75 g und danach 15 g/Tag, gleichzeitig erhöht sich der Lipidabbau. Ab dem vierten Fastentag erfolgt dann die Energiegewinnung mehrheitlich durch Abbau von Fettgewebe.

Biologische Folgen des Fastens [1]
  • körperliche Ausdauer nimmt ab
  • Körperkraft nimmt etwa um 10 % ab
  • Reflexe werden träge
  • Ruhestoffwechselrate sinkt
  • Herzzeitminutenvolumen sinkt um etwa 20 %
  • Körpertemperatur sinkt
  • Konzentrationsstörungen; Urteilsvermögen, Verständnis sind reduziert
  • Schwindel, Sehstörungen, Klingeln in den Ohren, Prickeln und Betäubung in den Extremitäten, Bauch-, Glieder- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Haarausdünnung
  • Reduktion Hodengröße, Verlust an sexuellem Verlangen
  • körperliche Anzeichen für eine beschleunigte Alterung

Nützt Fasten der Gesundheit?

Aus dem Tierreich ist bekannt, dass Fastenperioden das Überleben verlängern. Beim Menschen ist aus einer Arbeit mit 100 Freiwilligen, die sich für die Dauer von drei Monaten jeweils während fünf Tagen pro Monat einer Fastenkur (vs. Kontrolldiät) unterzogen hatten, ein positiver Einfluss auf metabolische Variablen wie Körpergewicht, Körperfett, Blutdruck sowie auf das anabole Hormon IGF-1 (insulin-like growth factor) beobachtet worden [2]. "Fasten führt zu einer Vielzahl von positiven Effekten auf zellulärer Ebene wie zum Beispiel der Reduktion von oxidativem Stress, einer Detoxifikation und einer Aktivierung der Autophagie", so Vavricka. Bei Krebspatienten wurde in einer kleinen Studie festgestellt, dass Fasten während 48 bis 140 Stunden vor Beginn einer Chemotherapie im Vergleich zu Nichtfasten die Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie beispielsweise Fatigue, Schwäche, Haarausfall oder Übelkeit, abmildert [3, 4]. "Während gesunde Zellen während des Fastens in eine Art Winterschlaf, in die sogenannte Hibernation, fallen, werden die stets aktiven Tumorzellen gegenüber der Chemotherapie empfindlicher", erklärt Vavricka die Idee dahinter.

Verschiedene Fastenmethoden

Es gibt verschiedene Fastendiäten, darunter solche mit holistischen Ansätzen, deren Ziel es zusätzlich ist, den Lebensstil zu verändern. Dazu zählen beispielsweise das "Heilfasten nach Otto Buchinger" und die "Fastentherapie nach F. X. Mayr". Demgegenüber stehen Diäten, die einzig die Kalorieneinnahme reduzieren (Tabelle 1). Nulldiäten nur mit Wasser und Tee oder Wasserfasten nur mit destilliertem Wasser bewirken einen beschleunigten Proteinkatabolismus und haben mehr und zum Teil tödliche Nebenwirkungen als modifiziertes Fasten.

Eine Kalorienrestriktion auf 220 bis 800 kcal/Tag mit speziellen Flüssigmahlzeiten und Proteinzusatz hat einen Gewichtsverlust zum Ziel. Zusätzlich einen positiven Einfluss auf die Gesundheit kann mit kontinuierlichem Fasten, wie beispielsweise mit der als "FdH" im Volksmund bekannten Kur, durch Kalorienreduktion um 30 bis 40 % erreicht werden. Eine weitere Option mit positivem Gesundheitseinfluss ist das intermittierende Fasten: zum Beispiel jeden zweiten Tag oder fünf Tage pro Woche essen und zwei Tage fasten oder 16 Stunden pro Tag fasten [5].

Intermittierend fasten

Ein lebensverlängernder Effekt von intermittierendem Fasten wurde erstmals bei Ratten beobachtet: Jene Ratten, die nur alle zwei Tage Nahrung hatten, lebten doppelt so lange wie ihre ad libitum fressenden Artgenossen [6].

Diesen Beweis kann die Diät bei Menschen zwar nicht antreten, doch ist damit ein Gewichtsverlust mit positivem Gesundheitseinfluss erreichbar. Eine normale europäische Ernährung besteht aus vier Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Nachtsnack. Fett kann dabei nicht abgebaut werden, weil immer wieder genügend Glukose zugeführt wird, die für die Energiegewinnung leicht verfügbar ist. Wird die Fastenperiode auf 18 oder 24 Stunden ausgedehnt, setzt nach 12 Stunden der Fettabbau ein, was durch einen Ketonkörperanstieg messbar ist [7].

Mit mehreren Fastentagen pro Woche wird der Fettabbau immer wieder angekurbelt, was sich auf der Waage rasch bemerkbar macht. "Diese Art von Fasten kann ich empfehlen, weil sie nicht nur wirksam, sondern auch noch einigermaßen sozialverträglich ist", bestätigt Vavricka aus eigener Erfahrung.


Quelle: "Fasten und Hunger". Fortbildungssymposium der Vereinigung allgemeiner und spezialisierter Internistinnen und Internisten Zürich, 25. Januar 2018 in Zürich.


Literatur
1) Keys A et al.: The biology of human starvation. University of Minnesota Press, 1950.
2) Wei M et al.: Fasting-mimicking diet and markers/risk factors for aging, diabetes, cancer, and cardiovascular disease. Science Translational Medicine 2017; 377: eaai8700.
3) Raffaghello L et al.: Fasting and differential chemotherapy protection in patients. Cell Cycle 2010: 9: 4474–4476.
4) Safdie FM et al.: Fasting and cancer treatment in humans: a case series report. Aging 2009; 1: 9888–1007.
5) Michalsen A et al.: Fasting therapy for treating and preventing disease – current state of evidence. Forsch Komplementmed 2013; 20: 444–453.
6) Goodrick CL et al.: Effects of intermittent feeding upon growth and life span in rats. Gerontology 1982; 28: 233–241.
7) Mattson MP et al.: Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res Rev 2016; 39: 46–58.



Autor:
Valerie Herzog



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (20) Seite 26-28