Die Ernährungs- und die Bewegungstherapie dominieren nach wie vor die Behandlung des Typ-2-Diabetes. Ein gesunder Lebensstil bleibt demnach die Grundlage der modernen Diabetestherapie, vor allem für Typ-2-Patienten, von denen 85 % übergewichtig oder adipös sind. Kommt man mit einer Lifestyle-Änderung allein nicht weiter, kommen zusätzlich altbewährte und neue Antidiabetika ins Spiel.

Nestor der deutschen Diabetologie
Wer kennt ihn nicht? Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert ist seit über 50 Jahren auf dem Gebiet der Diabetologie aktiv. Auch heute noch hält der ehemalige Chefarzt der 3. Medizinischen Klinik des Krankenhauses München-Schwabing Vorträge und leistet Aufklärungsarbeit. Prof. Mehnert möchte Diabetesforschung so vermitteln, dass sie auch für den niedergelassenen Allgemeinarzt umsetzbar ist. In diesem Sinne sind auch "Mehnerts Diabetes-Tipps" verfasst, die als Serie im Allgemeinarzt erscheinen und hoffentlich dazu beitragen, dass Sie Ihre Diabetes-Patienten besser betreuen können.

Metformin ist seit 1998 – seit dem IDF-Kongress in Barcelona – vom Stiefkind zum Kronprinzen avanciert: Die Daten zeigten schon damals, dass Diabetespatienten, die allein mit Metformin behandelt werden, eine signifikant reduzierte Mortalitätsrate im Vergleich zu anderen Behandlungsformen aufweisen. Metformin hat insgesamt viele gute Eigenschaften: Das orale Antidiabetikum senkt über die Hemmung der Glukoneogenese den Blutzucker, wirkt lipidreduzierend (Triglyzeride), regt die Inkretinsekretion an (wichtig für die Kombination mit Gliptinen, vgl. unten), wirkt appetitmindernd sowie gewichtsreduzierend und womöglich antikarzinogen. Metformin sollte der Arzt stets einschleichend geben, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermeiden: "Start low, go slow!", so die Devise. Die tägliche Dosis von 2.000 mg sollte man nicht überschreiten und der Patient das Medikament immer mit dem letzten Bissen der Mahlzeit einnehmen, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermeiden. Kontraindikationen sind bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 30 ml/min pro 1,73 m² angezeigt (Cave: Laktazidose, was allerdings durch verschiedene Studien nicht sehr stringent belegt ist).

Weitere orale Antidiabetika

Als Auslaufmodelle gelten Sulfonylharnstoffe, da sie zu schweren, gelegentlich tödlichen Hypoglykämien führen können (nach Gallwitz und Nauck: 40 – 80 Todesfälle pro Jahr in Deutschland). Zudem erhöhen sie bei älteren Patienten die Sturzgefahr um das Doppelte. 5,5 % von ihnen müssen stationär behandelt und gegebenenfalls operiert werden, was den ursprünglichen Kostenvorteil der günstigeren Sulfonylharnstoffe wieder zunichtemacht. Anhand der Banister-Studie lässt sich überdies vermuten, dass Sulfonylharnstoffe kardiovaskuläre Schäden verursachen.

Acarbose ist ein durchaus passables Medikament, bei zu hoher Anfangsdosierung verursacht es allerdings starke Blähungen, so dass auch hier der Spruch "Start low, go slow" gilt. Die Blutzuckersenkung ist nicht sehr ausgeprägt. Ein Vorteil: Die Substanz ist bei postprandialen Hyperglykämien infolge der Hemmung der intestinalen Glukosidase gut wirksam und hat keine Kontraindikationen. Bei der Insulintherapie von Typ-1-Diabetikern, die post-
prandiale Blutzuckerspitzen aufweisen, empfiehlt Dr. med. Hans-Jürgen Ziegelasch jeweils 25 mg Acarbose vor der Mahlzeit, allerdings als Off-Label-Use. Pioglitazon erweist sich als gutes Medikament, das stark der Insulinresistenz entgegenwirkt und auch die Fettleber günstig beeinflusst. In Deutschland wird es von den gesetzlichen Kassen allerdings nicht bezahlt.

Zwei weitere Gruppen von oralen Antidiabetika sind die Gliptine (DPP4-Hemmer) und die Gliflozine (SGLT2-Rezeptorenhemmer). Glip-
tine wirken zwar ebenfalls insulinotrop, im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen haben sie aber den großen Vorteil, dass sie nur dann den Blutzucker senken, wenn dieser erhöht ist. Sie verhindern durch die DPP4-Hemmung den raschen Abbau des so nützlichen GLP1, das ohne diese Medikation in ein bis zwei Minuten aus dem Stoffwechsel verschwindet. Durch Sitagliptin etwa, das schon über ein Jahrzehnt ohne Nebenwirkungen im Handel ist, wird der GLP1-Abbau verzögert, sodass damit das Inkretin über 24 Stunden wirkt. Ein gewisser Nachteil ist, dass Gliptine auf eine noch funktionierende körpereigene Insulinsekretion angewiesen sind, die im Laufe der Jahre beim Typ-2-Patienten parallel zu dem zunehmenden Defizit an endogenem Insulin aber ständig nachlässt.

Auch Gliflozine haben sich als äußerst nützlich erwiesen. Sie erhöhen durch eine SGLT2-Rezeptorenhemmung die Glukosurie – es kommt zur Blutzuckersenkung. Zudem verstärkt sich die Natriurese mit einer entsprechenden konsekutiven Blutdrucksenkung. Der Abbau an viszeralem Fettgewebe (also nicht etwa der Muskulatur!) durch den Kalorienverlust infolge der Glukosurie ist ein weiterer Vorteil, da dieses Fettgewebe ja besonders schädlich und atherogen ist. Bei der so bedingten Gewichtsabnahme gibt es übrigens keinen Jo-Jo-Effekt, vielmehr bleibt sie konstant. Am wichtigsten ist sicher die Einwirkung auf die kardiovaskuläre Situation. So zeigte die EMPA-REG-Outcome-Studie, dass sich die kardiovaskuläre Mortalität unter Empagliflozin um 38 % reduziert, die Gesamtmortalität um 32 %, die Mikroangiopathie und die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz (eine besonders gefürchtete Diabeteskomplikation) um jeweils 35 % – im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Gliflozintherapie.

Gliptine, Gliflozine – was zuerst?

Es stellt sich die Frage, ob man neben Metformin sofort Gliptine geben sollte. Letztere sind, wie gesagt, ideale Kombinationspartner für Metformin, da dieses ja die Inkretinsekretion anregt und damit das GLP1 gleichsam "auf dem Tablett" den Gliptinen für ihre DPP4-Hemmung offeriert. Soll man nun Gliptine oder Gliflozine als Erstes zum Metformin geben? Dies ist letztlich eine Ermessensfrage. Vielleicht sollte man immer erst mit Gliptinen beginnen. Es sei denn, es liegen vaskuläre Schäden vor, bei denen die geschilderten günstigen kardiovaskulären Effekte gezeigt wurden. So hat der Gemeinsame Bundesausschuss Empagliflozin – was einer Seltenheit gleichkommt – im September 2016 einen "beträchtlichen Zusatznutzen" bei kardiovaskulär vorgeschädigten Patienten bescheinigt.

Die Triple-Therapie

Ein letztes Wort sei noch zur sogenannten Triple-Therapie gesagt. Hier kann man – was in den USA häufig und auch bei uns immer öfter gemacht wird – die Blutzuckersenkung (ohne Hypoglykämien!) durch die gemeinsame Gabe von Metformin, Gliptin und Gliflozin bewirken. Natürlich muss man die Frage stellen, ob nicht rechtzeitig und frühzeitig auch Insulin, etwa in Form eines langwirkenden Basalinsulins (vorzugsweise Glargin U 300), gegeben werden soll. Dies ist aber nicht nötig, wenn die Blutzuckereinstellung auf das normale Maß unter der Triple-Therapie gesenkt werden kann. Die in der Regel zu injizierenden GLP1-Rezeptoragonisten (Exenatid, Liraglutid, Semaglutid) senken hervorragend durch ihren inkretinähnlichen Effekt den Blutzucker und reduzieren vor allem das Körpergewicht durch Appetitminderung. Auch für Liraglutid sind günstige Effekte in kardiovaskulärer Hinsicht beschrieben. In Kombination mit Insulin haben sich diese Substanzen ebenfalls sehr bewährt (ISI = "Incretin supported insulin therapy" oder " Insulin supported incretin therapy"). Semaglutid soll jetzt auch in hoher Dosierung als orales Antidiabetikum verfügbar sein.

Ist eine Insulintherapie doch irgendwann nötig, sollte man die oralen Antidiabetika beibehalten und eine basalunterstützte orale Therapie (BOT) mit der erwähnten Gabe von Glargin U 300 in kleinen, langsam steigenden Dosen verabreichen. Mit dieser BOT lässt sich in der Regel über lange Zeit der Blutzucker normalisieren.

Treten postprandiale Spitzen auf, kann man auch die BOT plus anwenden, d. h. man spritzt noch etwas kurzwirkendes Analogon (Lispro, Aspart oder am besten Glulisin) zusätzlich zu der basalen Insulingabe. Insulin glulisin ist deshalb so vorteilhaft, weil es als einziges kurzwirkendes Analogon nicht auf Zinkbasis wirkt, was einen gewissen Verzögerungseffekt mit sich brächte. Die Senkung des Blutzuckers erfolgt also innerhalb kürzerer Zeit im Vergleich zu den anderen Analoga, die aber auch gut wirksam sind.

Fazit für die Praxis
Mit den neuen oralen Antidiabetika und den GLP1-Rezeptor-Agonisten konnten in den letzten Jahren hervorragende Medikamente für die Therapie des Typ-2-Diabetes hinzugewonnen werden – eine Entwicklung, die noch vor 20 Jahren kaum denkbar erschien. Eine Medikation sollte stets erfolgen, wenn alle ernährungs- und bewegungstherapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft sind – unter der Therapie mit Antidiabetika sollte man diese aber unbedingt beibehalten.



Autor:

© Kirchheim
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert

Forschergruppe Diabetes e.V.
82152 Krailling

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (13) Seite 22-23