Kann durch frühzeitige Anwendung von Emollienzien bei „Risikokindern“ aus Allergikerfamilien eine atopische Dermatitis vermieden werden? Und lassen sich damit sogar weitere Allergien verhindern oder verzögern? Die bisherigen Studiendaten dazu sind widersprüchlich. Das könnte auch an der Auswahl der Emollienzien liegen.

Ursachen und Auslöser der atopischen Dermatitis (AD, Neurodermitis) sind vielfältig. Einerseits spielt die familiäre Vorbelastung eine wichtige Rolle, denn mindestens 25 – 40 % der Kinder mit positiver Familienanamnese erleiden schon im ersten Lebensjahr selbst eine AD. [1] Dazu kommen noch zahlreiche Umweltfaktoren sowie eine defekte Hautbarriere. „Sowohl die Struktur als auch die Funktion der Hautbarriere sind bei AD-Patienten gestört“, erläuterte Prof. Dr. Magdalena Czarnecka-Operacz, Poznan/Polen, in einem Symposium beim virtuellen EADV-Kongress sowie im Gespräch mit DERMAforum.

Die geschädigte Hautbarriere kann als Einfallstor fungieren: Nehmen Risikokinder in ihrem Wohnumfeld frühzeitig über die Haut ­Allergene auf (wie etwa Erdnussstaub), so entwickeln sie gehäuft Th2-vermittelte Allergien, konstatierte Prof. Dr. Kilian Eyerich, Stockholm/Schweden. Kommen die Säuglinge zuerst über den Verdauungstrakt mit den Allergenen in Kontakt, sei dagegen häufiger eine Toleranz zu beobachten [2].

Präventionsstudien zeigen widersprüchliche Daten

Aufbauend auf dieser These gibt es seit einigen Jahren Versuche, einer manifesten AD durch Stärkung der Hautbarriere mithilfe frühzeitiger vorsorglicher Emollienziengabe vorzubeugen. Die Ergebnisse sind bislang widersprüchlich.

Erfolgreiche AD-Prävention

So zeigte eine japanische Studie mit 118 Neugeborenen (Emolliens vom Emulsionstyp vs. keine regelmäßige Emollienziengabe) eine Reduktion des AD-Risikos um fast ein Drittel: Eine manifeste AD fand sich nach 32 Wochen bei 47,5 % der Kinder in der Kontrollgruppe vs. 32,2 % in der Emollienziengruppe (p = 0,012; Abb. 1) [3].

In einer Studie mit 124 Säuglingen konnte die AD-Inzidenz sogar halbiert werden. Hier wurden wahlweise verschiedenste Emollienzien eingesetzt (Cetaphil-Creme/Doublebase-Gel oder Sonnenblumenöl oder Aquaphor/andere Flüssigparaffinsalbe). Während die Kinder in der Kontrollgruppe, für die keine regelmäßige Emollienzienpflege vorgesehen war, nach sechs Monaten eine AD-Inzidenz von 43 % hatten, waren es in der Emollienziengruppe nur 22 % (p = 0,017) [4].

Und auch in der PEBBLES-Pilot­studie (n = 70) konnte der Anteil der Kinder, die eine AD bekamen, unter Emollienziengabe deutlich reduziert werden, von 16 % (Kontrollgruppe) auf 5 % (Emolliens auf Trilipidbasis) nach zwölf Monaten. In dieser kleinen Studie war noch keine Signifikanz nachweisbar (p = 0,15). Es zeigte sich jedoch noch ein weiterer Vorteil: Auch die Neigung zu Nahrungsmittelallergien, gemessen mittels Standard-Prick-Test (SPT), war in der Gruppe mit dem Trilipid-Emolliens reduziert (Abb. 2) [5].

Eine größere Nachfolgestudie – ebenfalls unter dem Namen PEBBLES – läuft derzeit in Australien, sie schließt 760 Kinder ein. Die Ergebnisse werden für 2021 erwartet.

Keine AD-Prävention erzielt

Andere Studien zeigten dagegen keinen Erfolg, so etwa die BEEP-Studie (Barrier ­enhancement ­eczema prevention), die 1.394 Säuglinge in 16 britischen Zentren einschloss. Die Kinder wurden gleichmäßig randomisiert auf ein Emolliens (Doublebase-Gel oder/und Diprobase-Creme) vs. nur Standard-Hautpflegeempfehlungen. Nach zwei Jahren (allerdings mit sinkender Adhärenz der behandelnden Eltern) hatten 25 % vs. 23 % der Kinder Hautekzeme (p = 0,61). Die Intervention hatte die Symptome weder verhindert noch verzögert noch die Krankheits­schwere reduziert. Zudem wurden in der Emollienziengruppe vermehrt Haut­infektionen beobachtet [6].

In eine populationsbasierte skandinavische Studie (PreventADALL) waren 2.397 AD-gefährdete Säuglinge eingeschlossen. In ­einem faktoriellen Design wurden gegenübergestellt:

  • regelmäßige Hautpflege mit Emollienzien (Badeöl auf Paraffinbasis, zusätzlich Ceridal-Gesichtscreme mit Flüssigparaffin und Vaseline) vs. lediglich allgemeine Hinweise zur Babypflege und jeweils
  • Beikost (nach drei Monaten) mit winzigen Kostproben von Kuhmilch, Weizenbrot, Hühnereiweiß und Erdnusscreme viermal pro Woche vs. keines dieser potenziellen Nahrungsallergene.

Nahrungsmittelallergien. Der AD-Teil ist bereits ausgewertet und brachte enttäuschende ­Ergebnisse: Die Emollienziengabe auf Paraffinbasis konnte das Auftreten von AD im ersten Lebensjahr nicht reduzieren oder verzögern [7].

Emollienzientyp entscheidend für Therapieerfolg?

folg der AD-Prävention und -Therapie spielt die Auswahl des passenden Emolliens“, betonte Czarnecka-Operacz. Vorzugsweise sollten Emollienzien mit guter Evidenz für Wirksamkeit und Verträglichkeit ausgewählt werden, mit hoher Verarbeitungsqualität und geringem Risiko für Hautirritationen (etwa durch Zusatzstoffe).

Auf Nachfrage von DERMAforum präzisierte sie: „Das eine, einzige ‚passende‘ Emolliens für alle Risikokinder oder für alle AD-Patienten gibt es nicht. Es kommt immer auf das klinische Bild beim individuellen Patienten an.“

So genüge oftmals ein ganz einfaches Basispflegemittel. Wenn jedoch die Hautbarriere bereits geschädigt ist (nicht immer offensichtlich!), sollte die Hautpflege auch anti­inflammatorische und antipruriginöse Eigenschaften haben. Bei akut entzündeter Haut könne ein eher flüssiges Emolliens (etwa ein Schaum oder Spray) hilfreich sein, es komme also auch auf die Applikationsform an. Und bei sehr trockener Haut zeigen laut der Expertin trilipidbasierte Emollienzien Vorteile gegenüber vaselinebasierten Produkten.

Einen einfachen Algorithmus gebe es derzeit nicht; weiterhelfen könnten nur Beobachtung und Erfahrung. Wenn sich ein Emolliens bei einem Kind nicht bewährt, könne es sich lohnen, auf ein anderes (mit einer anderen Basis) zu wechseln.

Trilipidbasis ähnelt den natürlichen Hautfetten

Seit einigen Jahren werden die Eigenschaften der Emollienzien auch in Studien gezielt miteinander verglichen. Dabei haben sich Vorteile für eine trilipidbasierte Pflege gezeigt: Sie enthält Ceramide, Cholesterin und Fettsäuren im Verhältnis 3 : 1 : 1 und ahmt damit die Zusammensetzung der natürlichen Hautfette nach.

Das scheint insbesondere gegen die bei AD verbreitete Hauttrockenheit zu helfen. So war der transepidermale Wasserverlust (TEWL) in einer Pilotstudie von Sindher et al. nach fünfwöchiger Anwendung einer Trilipidcreme (Epiceram) deutlich gesunken, unter einer Vaselinecreme (Aveeno) dagegen fast unverändert [8]. „Weitere und größere Studien zur Rolle der verschiedenen Emollienzien in der AD-Prävention müssen noch folgen“, schloss die Dermatologin.

Prävalenz und Bedeutung der atopischen Dermatitis
12,6 % der Mädchen und 13,1 % der Jungen von 0bis 17Jahren in Deutschland leiden an AD, das zeigen die Daten der KiGGS-Basiserhebung. Die Erkrankung setzt meist früh ein; schon in den ersten beiden Lebensjahren ist mehr als jedes zehnte Kind in Deutschland von AD betroffen. [9]

Die chronischinflammatorische Hauterkrankung AD mit Hauttrockenheit, Ekzemen und quälendem Juckreiz ist jedoch oftmals nur der Anfang einer langen Allergikerkarriere: Der sogenannte „atopische Marsch“ setzt sich bei vielen Kindern fort und manifestiert sich in Nahrungsmittelallergien, allergischem Asthma bronchiale und/oder allergischer Rhinitis („Heuschnupfen“) [10], wie Prof. Dr. Kilian Eyerich, Stockholm/Schweden, in einem Symposium beim virtuellen EADV-Kongress 2020 betonte. Wirksame Präventionsmaßnahmen werden also dringend benötigt.


Literatur
1. Simpson EL et al., JACI 2012;130:137–44.
2. Du Toit G et al., JACI 2018;141:30–40.
3. Horimukai K et al., JACI 2014;134:824–830 e826.
4. Simpson EL et al., JACI 2014;134:818–823.
5. Lowe AJ et al., Br J Dermatol 2018;178: e19–e21.
6. Chalmers JR et al., Lancet 2020;395: 962–972.
7. Skjerven HO et al., Lancet 2020;395: 951–961.
8. Sindher S et al., Allergy 2020;75:2662–2664.
9. Thamm R et al. (RKI), Journal of Health Monitoring 2018;3–18.
10. Hill DA, Spergel JM, Ann Allergy Asthma Immunol 2018;120:131–137.


Autorin:
Simone Reisdorf

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (1/2) Seite 14