Eine Überempfindlichkeitsreaktion auf NSAR ist sehr häufig. Die betroffenen Patienten können leichte Symptome, aber auch schwere anaphylaktische Reaktionen zeigen. Eine aktuelle Erhebung hat die Auslöser für NSAR-Überempfindlichkeit und den Nutzen des oralen Provokationstests (OPT) als diagnostisches Instrument untersucht.

Überempfindlichkeitsreaktionen (ÜR) auf nicht steroidale Antiphlogistika (NSAR) sind häufig. Die Palette reicht von milden Symptomen bis zur lebensgefährlichen Anaphylaxie. Da NSAR häufig verordnet werden, sind vermutete ÜR von hoher Relevanz, schreiben Frankfurter Dermatologen im Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft [1].

Die Mechanismen der Auslösung von ÜR sind nicht genau bekannt, infrage kommen allergische und nicht allergische Mechanismen. NSAR führen u. a. zu einem Anstieg der Leukotriene. Bei Patienten mit ÜR wirken hohe Leukotrienspiegel begünstigend auf anaphylaktische Reaktionen, die sich in Bronchokonstriktion, Urtikaria und Pruritus äußern können.

Was liegt vor: Allergie oder CR?

Die Symptome einer echten Allergie und einer nicht allergischen Reaktion, auch Kreuz-Überempfindlichkeitsreaktion (CR) genannt, sind klinisch nicht unterscheidbar. Bei Letzterer kann es allerdings schon nach der ersten Einnahme zu einer anaphylaktischen Reaktion kommen. Auch die Dosis spielt hier eine Rolle. Allergische Reaktionen können bei allen NSAR mit COX-1-Hemmung auftreten, während sich CR vor allem bei Präparaten mit starker COX-1-Inhibition (z. B. ASS) zeigen. Als Risikofaktoren für eine NSAR-induzierte ÜR gelten bereits vorliegende Grunderkrankungen wie Atopie, allergisches Asthma oder Urtikaria.

Für die Diagnostik einer Überempfindlichkeitsreaktion auf NSAR gilt der orale Provokationstest (OPT) als „Goldstandard“, denn dieser ermöglicht eine präzise Vorhersage (negativer prädiktiver Wert: 97,8 %). Die Studie von Flavia Angeletti et al. [1] hatte das Ziel, die Validität von klinischer Anam­nese mit der des OPT bei Patienten mit ÜR auf NSAR zu vergleichen sowie sichere Alternativen, also andere Analgetika, zu finden. Kontrolliert wurden die Reaktionen auf folgende Substanzen: Acetyl­salicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen, Metamizol, Diclofenac, Indometacin und Etoricoxib.

Die retrospektive Studie untersuchte 104 Patienten mit bestätigter Überempfindlichkeit auf NSAR, die zwischen 2004 und 2012 stationär behandelt wurden. Es zeigte sich, dass die Angaben aus der Anamnese und die mittels OPT ausgelösten Symptome weitgehend übereinstimmten. Die aufgetretenen Symptome hatten eine leichte bis mäßige Ausprägung. Als häufigster Auslöser kristallisierte sich hier Acetylsalicylsäure (ASS) heraus – zu 27,9 % in der Anamnese, zu 47,8 % im OPT. Die wenigsten Reaktionen in der oralen Provokation mit nur 4,2 % gab es bei Etoricoxib. Eine starke Diskrepanz zeigte sich bei Paracetamol: 50 % nannten es als Auslöser allergischer Symptome, aber nur in 3 Fällen (6,7 %) war der OPT positiv.

Die Autoren raten daher, möglichst immer einen OPT durchzuführen, da die zu erwartenden Symptome meist nur leicht bis mäßig auftreten. Der Patient sollte zur Testung die mutmaßlich auslösende Substanz erhalten.

In der Studie haben sich Hinweise ergeben, wonach sich Etoricoxib und Paracetamol bei einer NSAR-induzierten Überempfindlichkeit als sichere Alternativen empfehlen. Doch auch hier ist ein OPT stationär erforderlich, bevor man diese beiden Arzneimittel verabreicht, da sich ­schwere Symptome nicht ausschließen lassen. Deutlich bestätigt wurde zudem die Annahme, dass die Mehrheit der Patienten COX-2-Hemmer besser verträgt.


Literatur
1. Flavia Angeletti et al.: Überempfindlichkeitsreaktionen auf nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) – eine retrospektive ­Studie, J Dtsch Dermatol Ges. 2020 Dec; 18(12): 1405–1416


Autorin:
Angela Monecke

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (9) Seite 15