Digitale Konzepte wie Videosprechstunde und Online-Terminvergabe werden mittlerweile auch in der Dermatologie vermehrt eingesetzt. Wie aber sieht es mit der Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die dermatologische Praxis aus? Ist das noch Zukunftsmusik oder in manchen Bereichen sogar schon Realität?

Dr. Alexander Zink beschäftigt sich von Forschungsseite intensiv mit der Teledermatologie. Als Dermatologe hat er neben dem künftigen Potenzial die praktischen Anwendungsmöglichkeiten für das Fachgebiet im Blick. In seinen Vorträgen auf dem Kongress Dermatologie kompakt + praxisnah präsentierte er Systeme, welche die dermatologische Praxis der nahen Zukunft bereichern können und die teilweise bereits schon genutzt werden.

Spiegel und Dusche statt App

Ein entscheidendes Einsatzfeld von KI-gestützter Diagnostik ist für Zink die automatisierte Auswertung von dermatologiespezifischem Bildmaterial, um so u. a. die individuelle Terminvergabe besser steuern zu können. So werde es z. B. auch möglich, verdächtige Hautveränderungen frühzeitig zu erkennen und gefährdete Patienten schneller einer Behandlung zuzuführen [1]. Hier sind bereits diverse Apps im Einsatz, die z. B. eine Bewertung verdächtiger Hautbilder erleichtern sollen.

Richtig innovativ werde es dann, wenn entsprechende Bilder künftig nicht mehr (nur) über Laptop, Kamera oder App generiert werden, sondern z. B. mit einem digital aufgerüsteten häuslichen Spiegel im eigenen Haushalt: Die erzielten Hautbilder könnten dann von Dermatologen ausgewertet werden, um eine Therapie einzuleiten bzw. eine laufende Behandlung zu optimieren. Wird die Spiegelfläche mit weiteren Tools ausgestattet, so sei es – wie beim Smart Mirror 2.0 [2] – möglich, im Rahmen der Therapiebegleitung auch weitere relevante diagnostische Informationen festzuhalten wie die Durchblutungssituation oder die Patientenzufriedenheit (Mood detection). Heute eher auf der Ebene Prototyp und Lifestyle-Produkt anzusiedeln, wird es seiner Einschätzung nach nicht mehr lange dauern und man kann diese Konzepte auch in der Teledermatologie in Deutschland nutzen. Für Ganzkörperaufnahmen, die besonders aussagekräftig sind, sei es sogar denkbar, für die Bilderstellung häusliche Einrichtungen wie die Dusche zu nutzen, um eine fortlaufende Erfassung des Hautorgans des gesamten Körpers zu ermöglichen, optimalerweise mit Zoom hin auf einzelne Hautabschnitte oder verdächtige Muttermale.

Auch das ist längst keine Zukunftsmusik mehr: In Australien können Dermatologen bereits ihre Patienten zu einem ultrahochauflösenden Ganzkörperscan plus Auswertung mittels KI schicken (System: vectra). Das sei auch für die Erstellung von Zweitmeinungen praktisch, so Zink. Außerdem müsse für diese Form der Digitaldiagnostik kein Mediziner mehr vor Ort sein, sondern nur qualifiziertes medizinisches Personal. Solche Konzepte würden dadurch insbesondere für Regionen mit mangelnder Versorgung vor Ort wichtig (Motto: Den Hautarzt zu den Menschen vor Ort bringen).

Chatbots im Dienste der Medizin

Mithilfe qualifizierter QuatBots werde in naher Zukunft eine automatisierte Teilanalyse möglich, so der Dermatologe. Im Bereich der Telekommunikation beantworten von den großen Anbietern im Bereich Kundenservice bereits bis zu 80 % die Anfragen ihrer Kunden mittels Chatbot. Dieses ­Konzept beginne langsam auch die Medizin zu erreichen, denn die auf diesem Wege erzielte Zeitersparnis und die Standardisierung der Informationen sind auch für den medizinischen Sektor interessant und wurden, so Zink, bereits in einzelnen Forschungsarbeiten ausgewertet: z. B. für den Bereich der ästhetischen Dermatologie [4], die Betreuung von Krebspatienten [5] und bei der Impfaufklärung zu COVID-19. Kombiniert mit den vielversprechenden Erkenntnissen aus dem Sektor komplexer automatisierter Debattiersysteme sei zeitnah eine automatisierte Teilanamnese auch in der hiesigen dermatologischen Praxis denkbar. Das könne z. B. zu Fragestellungen erfolgen wie „Wie lange besteht die Hauterkrankung schon?“

Am besten geschieht das dann nicht nur mit der mechanisch wirkenden Chatfunktion, sondern mittels Sprachfunktion. Letzteres könnte auch dafür sorgen, dass der Einsatz von KI-Systemen deutlich menschlicher „wirken“ kann und sich so die Nutzungsbereitschaft bei den Patienten erhöht. Durch teledermatologische Innovationen sind also nicht nur Entlastungen des Fachpersonals denkbar sowie eine bessere Versorgungsdichte möglich, sondern auch qualitative Verbesserungen bei Anamnese und Therapie durch Standardisierung/Automatisierung. Eine entsprechend qualifizierte Datenlage vorausgesetzt.

Wertvolle Vital-Parameter

Teledermatologie umfasse laut Zink aber noch weit mehr als die automatisierte Bildgebung. Insbesondere in einer optimalen Patientenversorgung seien tragbare Diagnostikgeräte ein wichtiges Thema. Bereits auf dem Markt befinden sich Systeme, mit denen man vom Stresslevel beim Autofahren über die Bestimmung der Blutzuckerwerte beim Gang zur Toilette bis zu angepassten Ernährungsempfehlungen über den digitalisierten Kühlschrank viele gesundheitlich wertvolle Daten erheben kann. Einige dieser Vitalparameter könnten auch wichtige Infos für den Einsatz in der Dermatologie liefern. Vorstellbar wäre z. B., dass Ergebnisse zur Schlafqualität, die bei bestimmten Hauterkrankungen beeinträchtigt sein kann, im Rahmen einer Behandlung monitort wird. Mit dem Ziel, so Behandlungsfortschritte zu visualisieren.

Über das „Smarthome“ hinaus stuft der Dermatologe auch die Entwicklungen im Bereich der medizinischen Wearables als wichtig ein: von der Messung des Augendrucks über spezielle Linsen bis zur Hoffnung, über „Microneedle Patches“ Impfungen effizienter verabreichen zu können. Als besonders innovative Konzepte stellte er u. a. ein Patch vor, mit dem die Elektrolytkonzentration im Schweiß gemessen werden kann, sowie einen „smart sock“, der die Vital-Parameter eines Babys trackt.

Einiges wird bereits genutzt

Videokonsultationen konnten gerade im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie bereits einen wertvollen Beitrag leisten [6]. Im Facharztbereich hat sich auch die Nutzung der Online-Terminvergabe zu einem Benefit entwickelt, der administrative ­Prozesse entschlackt und das Personal bei Terminvergabe sowie Check-in merklich entlastet.

Auch bei den „Gesundheits-Apps“ hat sich einiges getan, das Einsatz in der niedergelassenen Arztpraxis mit dermatologischem Schwerpunkt finden kann: Hier ist z. B. die eDermoscopy-Plattform zu nennen, die Ärzte dabei unterstützt, KI zur Ersteinschätzung von ­Muttermalen in die kabellose Praxis zu integrieren (inkl. Zweitmeinung). Die WundApp wiederum eignet sich z. B. für die Betreuung von Patienten mit chronischen Wundproblemen wie Diabetikern. Hinzu kommen Konzepte wie dermanostic (App) und derma2go (Website), die mit Diagnose, Therapieplan und Medikamenten innerhalb einer kurzen Frist „locken“. Dermatologen könnten sich mit einer Tätigkeit für diese Anbieter interessante Zusatzeinnahmen erschließen. Denkbar ist auch, auf diesem Wege die eigene Patientenneugewinnung zu optimieren: Wer für eine Nutzung 15 bis 25 ­Euro entrichtet, hat potenziell auch eher Interesse an privat zu finanzierenden Leistungen (z. B. IGeL; ästhetische Dermatologie) in der Hautarztpraxis.

Im „Digi Derma Campus“, der vom BVDD an den Start gebracht wurde, engagieren sich zahlreiche Unternehmen explizit für die Weiterentwicklung teledermatologischer Konzepte wie u. a. OnlineDoctor (­digitale Ersteinschätzung von Hautproblemen), Skinuvita (digitale ­Fototherapie-Kur für zu ­Hause), Legit.Health (Daten- und Kommunikationstool, das Hautläsionen anhand von Smartphone-­Bildern einordnet), Nia Health (App für Neurodermitis- und Schuppenflechte-Patienten), Dermtest (verbindet Hausärzte mit Dermatologen), Formel Skin (med. Online-Beratung für Menschen mit Hautproblemen), Nala.care (KI-basierte Neuro­dermitis-App) und Dermagnostix (Mikrofluidik-basierte Plattform für die molekulare Diagnostik von Hauterkrankungen) [8].


Literatur
1. Teledermatologie, Innovationen, KI, Datenbanken. Alexander Zink. Vortrag auf dem diesjährigen kompakt & praxisnah-Kongress, Februar 2022.
2. Reflecting health: smart mirrors for personalized medicine. npj Digital Medicine ­volume 1, Article number: 62 (2018).
3. Expert-Level Diagnosis of Nonpigmented Skin Cancer by Combined Convolutional Neural Networks. 2019. JAMA Dermatol. 2019.
4. Anonymous automated counselling for ­aesthetic dermatology using a chatbot – an analysis of age- and gender-specific usage patterns. 2020.
5. A Chatbot Versus Physicians to Provide Information for Patients With Breast Cancer: Blind, Randomized Controlled Noninferiority Trial. 2019.
6. Teledermatologie in den Zeiten von ­COVID-19 – ein systematisches Review. August 2020.
7. Dermatologen intensivieren Zusammenarbeit mit Digi-Tech-Unternehmen. BVDD-Presseinformation. März 2022.


Autorin:
Sabine Mack

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (5) Seite 8