Wissenschaftler haben ein neues Modell entwickelt, das erklären soll, wie die Haut entsteht. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen auf das Gleichgewicht von Geweben und Erkrankungen, die mit einer stark gesteigerten Zellvermehrung zusammenhängen.

Die komplexe Stratifizierung der Haut entsteht während der Embryonalentwicklung aus einer Schicht von Zellen. Wie die Stratifizierung angeregt und vorangetrieben wird, ist noch weitestgehend unbekannt. Eine Forschungsgruppe am Kölner Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD und dem Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK) hat nun ein neues Zwei-Phasen-Modell der physiologischen Entwicklung der äußeren Hautschicht vorgelegt..

Mithilfe von Zeitrafferbildgebung und Messungen der Gewebewachstumsdynamik im Mausmodell zeigt das Forschungsteam, dass die erste Phase die Hauptphase der Schichtung ist und durch besonders viele Zellteilungen – sogenannte ­hohe Proliferationsraten – zustande kommt. Dies gilt sowohl bei basalen Vorläuferzellen, den späteren Stammzellen der Haut, als auch bei darüberliegenden Hautzellen, den suprabasalen Hautzellen. Zusätzlich trägt die sogenannte Delamination, das Ablösen und die Bewegung der basalen Zellen in die suprabasalen Hautschichten, zur Aufschichtung bei.

Ein allgemeines Konzept für geschichtete Gewebe?

Für die Wissenschaftler überraschend war, dass viele sich teilende Zellen nicht nur in der basalen Schicht zu sehen waren, wo sich die zukünftigen Stammzellen befinden, sondern auch in den zur Differenzierung bestimmten Zellen darüber. Die gedrängte Umgebung bewege die Zellen dazu, die Basalschicht zu verlassen und neue Schichten zu bilden, so die Forscher. Sie halten es für möglich, dass dies wahrscheinlich ein allgemeines Konzept für die Entstehung anderer geschichteter Gewebe oder sogar pseudostratifizierter Epithelien ist, wo eine einzelne Zellreihe durch die Anordnung der Zellkerne mehrschichtig erscheint.

Bei diesen Resultaten wollte es das Wissenschaftlerteam aber nicht bewenden lassen: Weitere Experimente zeigten, dass die zweite Phase, eine Erhaltungsphase, wahrscheinlich eher durch die zelluläre Ablösung von der Basalschicht als durch die Teilungsorientierung der basalen Vorläufer unterstützt wird. Dies unterscheidet sich von dem früher vorgeschlagenen Mechanismus, der nahelegte, dass dünne Haut durch parallele Zellteilung und dicke Haut durch senkrechte Zellteilung entsteht.

Interessanterweise konnten die Wissenschaftler in Proben von Patienten mit Schuppenflechte und Neurodermitis nachweisen, dass auch hier eine hohe Proliferation von suprabasalen Zellen vorliegt. Dies deute darauf hin, dass bei diesen Erkrankungen Programme aus der Entwicklungsphase reaktiviert werden, folgern die Autoren. Das Verständnis der grundlegenden Mechanismen der sich entwickelnden Haut sei die Grundlage für die klinische Forschung und ermögliche es den Forschern, Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis besser zu verstehen.


Literatur
Damen M et al. (2021) Nat Commun. DOI: 10.1038/s41467-021-23386-4


Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (5) Seite 6