Wann kommt die Entbudgetierung auch für Fachärzte, wie kann das Wesen des freien Berufes Arzt wieder gestärkt werden, und wann kommt endlich die GOÄ-Novelle? Das Themenspektrum des diesjährigen SpiFa-Fach­ärztetages wurde auch in diesem Jahr geprägt von großen, dringend benötigten Reformvorhaben.

„Selbstverständlich haben wir großes Verständnis dafür, dass die Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukraine-­Krieges auf unser Gesundheitssystem die Tagesordnung der Gesundheitspolitik dominieren“, sagte Dr. Dirk Heinrich, der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Fachärzte (SpiFa), gleich zu Beginn des diesjährigen Fachärztetags. Aber gerade weil dem so sei, dürften die strukturellen Reformvorhaben nicht vergessen werden, forderte Heinrich. Die Ärzteschaft sowie das Fachpersonal in Medizin und Pflege würden spürbar unter der derzeitigen Belastung ächzen und müssten sich darauf einstellen, dass diese künftig noch größer wird, denn man sehe gleichzeitig einem Mangel an Ärztinnen und Ärzten, MFAs und Pflegepersonal entgegen. Da sei dringend ein Handeln seitens der Politik und des Gesundheitsministers gefordert.

Kommt die Entbudgetierung?

Ein Diskussionspunkt war das Thema Entbudgetierung. Für die Hausärzte sei das bereits in trockenen Tüchern, jetzt müsse auch bei den Fachärzten nachgezogen werden. Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, zeigte sich hier überzeugt, dass die Ampelkoalition das Thema im Blick hat. Er habe den Eindruck, dass es den Politikern sehr wichtig sei, das Thema voranzutreiben. Wie schnell das gehe, stehe allerdings noch in den Sternen.

Das Ende der Budgetierung für ­alle Vertragsärzte sei notwendig, um am Ende wieder zu einer Niederlassungsfreiheit zu kommen bei gleichzeitiger Überwindung der starren Sektorengrenzen, damit Niedergelassene und Klinikärztinnen und -ärzte in Kooperation die Zukunft gestalten könnten. Denn das sei das, was gerade der ärztliche Nachwuchs wolle: gemeinschaftlich und im Team arbeiten.

Wo bleibt die GOÄ-Reform?

Nach wie vor unbeantwortet blieb die Frage, wann die GOÄ-Reform endlich umgesetzt wird. Hier sieht es nach wie vor so aus, als ob das bei Bundesgesundheitsminister Lauterbach nicht an vorderster Stelle seiner Prioritätenliste stünde. Beim Fachärztetag erhielten die Befürworter einer GOÄ-Reform jedoch Unterstützung von Prof. Armin Grau, Arzt und Abgeordneter der Grünen im Bundestag. Er sprach sich für eine Reform der Gebührenordnung aus. Es sei richtig, dass die derzeitige GOÄ inzwischen völlig veraltet sei. Eine neue Systematik könne „innovative Elemente einbinden“, so der Politiker.

Der SpiFa-Vorsitzende Dr. Dirk Heinrich insistierte hier: Die GOÄ sei die legitime Gebührenordnung eines freien Berufes. Im Übrigen sei es für ihn unverständlich, warum andere freie Berufe ihre Gebührenordnungen regelmäßig aktualisieren könnten, den Ärzten dieser Schritt aber nun so schwer gemacht werde. Heinrich betonte noch einmal, dass aus seiner Sicht kein rationaler Grund mehr existiere, warum das Ministerium die neue GOÄ noch abblocken könne. Die neue GOÄ enthalte Preissteigerungen, mit denen die Ärzteschaft gut leben könne. Dass nicht auf einen Schlag Preisanpassung und Inflationsentwicklung der vergangenen 30 Jahre nachgefordert werden könnten, sei klar. Das sei auch ein wenig der Preis, den die Ärzteschaft für eine zu lange Zeit der Untätigkeit bezahlen müsse. Sollte es aber zu weiteren Verzögerungen bei der Umsetzung der GOÄ-Novelle kommen, müsse man sich auch einen Plan B überlegen. Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt deutete hier an, dass man intern bereits an einer entsprechenden Reaktion arbeite. Klar sei dabei, dass es dann auch darauf ankomme, dass sich die Ärzteschaft als kampagnenfähig erweisen und geschlossen handeln müsse. Welche Maßnahmen und Aktionen er damit konkret ­meinte, ließ er offen.

Digitalisierung muss Ärzten und Patienten nutzen

Ein weiteres Diskussionsthema war die Digitalisierung. Dass hier immer noch vieles im Argen liege, zeige aktuell die Forderung nach einem Austausch der TI-Konnektoren für 350 Millionen Euro. So könne es nicht weitergehen, monierte Heinrich, denn so könne man mit dem Geld der Versicherten nicht umgehen. Auch hier müsse das Bundesgesundheitsministerium umgehend handeln. Denn natürlich sei Digitalisierung im Gesundheitswesen erforderlich, „aber sie muss am Nutzen für Patientinnen und Patienten und für Ärztinnen und Ärzte orientiert sein – und nicht am Nutzen für die Firmen, die Konnektoren herstellen und bauen wollen."



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (6) Seite 2