Der Wunsch, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen, ist in der nachrückenden Ärztegeneration nicht mehr so stark ausgeprägt, wie noch vor etlichen Jahren. Immer mehr junge Ärzte starten deshalb als Angestellte in einer Praxis. Doch wie sieht es da eigentlich mit dem Verdienst aus?

Im Jahr 2020 waren bereits mehr als 46.500 Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung angestellt, und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Offensichtlich übt das Angestelltendasein gerade auf angehende Ärzte einen gewissen Reiz aus, zumal man hier auch in Teilzeit arbeiten kann und sich weniger als ein Praxisinhaber mit Fragen zur Wirtschaftlichkeit und der ganzen Bürokratie auseinandersetzen muss.

Großteil der in Teilzeit arbeitenden Ärzte ist weiblich

Während bei den angestellten Hausärzten fast jede zweite Ärztin in Teilzeit arbeitet, sind es bei ihren männlichen Kollegen nur 27 %. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Fachärzten (62 % vs. 24 %). Grundsätzlich gilt: Je mehr Frauen in den jeweiligen Facharztgruppen vertreten sind, umso höher ist auch der Anteil der Teilzeitbeschäftigten. In der Gynäkologie, bei der der Frauen­anteil insgesamt 80 % beträgt, liegt die Teilzeitquote bei 62 %. Zum direkten Vergleich: Die Chirurgie hat einen Frauenanteil von 16 % und einen Teilzeitanteil von nur 35 %.

Auch Männer wollen bessere Work-Life-Balance

Doch ein Blick auf die Prioritäten und die Bedürfnisse der Befragten zeigt, dass der Teilzeitanteil unter den Männern zukünftig deutlich zunehmen könnte. Wie eine Umfrage der apoBank zeigte, wünschen sich in der jungen Generation auch Männer eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatleben. Laut der Befragung gehören flexible Arbeitszeiten zu den wichtigsten Zusatzleistungen, das gelte für Frauen wie Männer. Doch trotz der lauter werdenden Rufe würden sie nicht mal jedem zweiten Facharzt angeboten. Bei den Hausärzten seien es immerhin knapp 60 %. Um auch in Zukunft motivierte Ärztinnen und Ärzte für die eigene Praxis zu gewinnen, sei es für Arbeitgeber durchaus von Vorteil, dem Nachwuchs mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten zu ermöglichen, konstatiert die Leiterin der Umfrage.

Es gibt keinen Tarifvertrag

Aber ist eine Anstellung auch finanziell attraktiv oder muss man da deutliche Abstriche machen? Da es für diesen Sektor keinen regulären Tarifvertrag gibt, hat die apoBank dazu eine größere Studie durchgeführt und dabei auch die Situation in Praxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZ) miteinander verglichen. Dabei ging es nicht ausschließlich nur um das Gehalt, sondern auch um das Arbeitsumfeld.

Dabei zeigte sich, dass sich die Gehälter der angestellten Ärzte in Praxen und MVZ zwar grob an den Vorgaben für die Kliniken orientieren, doch letztendlich werden sie individuell ausgehandelt. Dementsprechend ergibt sich eine große Spannweite bei den Verdiensten. Eine Auswertung nach hausärztlicher und fachärztlicher Tätigkeit offenbart, dass die Gehälter bei Fachärzten noch stärker auseinanderdriften und im Schnitt höher liegen als bei den Hausärzten.

Angestellte Fachärzte bekommen mehr

So verdienen angestellte Ärzte in hausärztlichen Praxen im Durchschnitt 75.900 € brutto im Jahr, dabei bewegen sich die mittleren Jahresgehälter der Befragten zwischen 60.000 € und 88.000 €. Im Vergleich dazu erhalten Fachspezialisten mit 87.600 € brutto pro Jahr im Durchschnitt rund 15 % mehr Gehalt, hier variieren die mittleren Einkommen zwischen 65.000 und 102.600 €. Vereinzelt wurden auch Gehälter bis zu 158.900 € genannt. Ein Grund für die großen Gehaltsunterschiede bei Fachspezialisten sei wohl die Tatsache, dass die verschiedenen Fachrichtungen unterschiedlich hohe Abrechnungsmöglichkeiten haben. Insbesondere technikintensive Leistungen, die zum Beispiel Augenärzte, Urologen und Chirurgen erbringen, profitieren davon, was sich dann am Ende auch im Gehalt der Angestellten widerspiegelt, so die Studie. Allerdings gebe es seit einiger Zeit das gesundheitspolitische Bestreben, die sogenannte „sprechende“ Medizin finanziell zu fördern, die vor allem Haus- und Kinderärzte, aber auch Neurologen und Psychotherapeuten anbieten.

Umsatzbeteiligung eher selten

Bei einer umsatzunabhängigen Vergütung – auf die sich der Großteil der Studienergebnisse bezieht – erhält ein angestellter Arzt in jeden Monat ein fest vereinbartes Gehalt. Doch grundsätzlich besteht für die Angestellten auch die Möglichkeit, mit ihren Arbeitgebern eine Umsatzbeteiligung zu verhandeln. Allerdings kommt das eher selten vor: Nur 27 % der Befragten erhalten eine Umsatzbeteiligung. Während dieses Modell bei den Hausärzten eher unüblich ist (19 %), findet es bei den Fachärzten mit immerhin 36 % deutlich mehr Zuspruch.

In MVZ verdient man besser

Ein Vergleich der Einrichtungen zeigt, dass in medizinischen Versorgungszentren höhere Gehälter gezahlt werden als in den Praxen – und das unabhängig vom Vergütungsmodell. So liegen die reinen Festgehälter in einer Praxis im Durchschnitt rund 16.500 € unter den Gehältern im MVZ; bei einer Umsatzbeteiligung fällt der Unterschied mit 13.600 € brutto pro Jahr etwas geringer aus.

Ein Gehaltsmodell mit Beteiligung am Umsatz kommt in medizinischen Versorgungszentren häufiger vor als in den Praxen. Dort sei das Arbeitspensum allerdings auch etwas größer, so die Studie. Die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit betrage in MVZ durchschnittlich 38,5 Stunden und damit eine Stunde mehr als in der Praxis. Unterschiede ergäben sich aber vor allem mit Blick auf die Patientenanzahl pro Quartal pro Arzt. So versorge ein MVZ-Arzt pro Quartal mehr Patienten (1.143) als seine angestellten Berufskollegen in Praxen (985) oder Berufsausübungsgemeinschaften (971).

Auf dem Land gibts etwas mehr

Die Verdienstmöglichkeiten nach Region variieren kaum, die Arbeit in der Kleinstadt oder auf dem Land steht der Arbeit in der Großstadt aus finanzieller Sicht in nichts nach: In ländlichen Regionen mit weniger als 20.000 Einwohnern ist das durchschnittliche Bruttojahresfestgehalt (umsatzunabhängiges Vergütungsmodell) bei Hausärzten mit 78.200 € sogar leicht höher als in den großen Städten (74.900 €). Die befragten Fachärzte verdienen in der Kleinstadt bzw. auf dem Land mit 86.300 € nur marginal weniger als in der Großstadt (87.700 €).

Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer

Die in der ambulanten Versorgung angestellten Ärztinnen verdienen im Durchschnitt 18 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Das trifft sowohl auf Haus- als auch auf Fachärztinnen zu. Dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen weniger Geld fordern als ihre männlichen Kollegen, sei immer wieder in Untersuchungen zu beobachten, so die Studienautoren. Die Ergebnisse machten jedoch deutlich, dass es insgesamt hohe Differenzen zwischen den Gehältern gebe, was letztendlich auch bedeute, dass ein großer Verhandlungsspielraum vorhanden ist. Und für die Mehrheit der Befragten sei das Gehalt durchaus ein wichtiger Faktor, wenn es um die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz geht. Allerdings bleibt eine Niederlassung dann doch attraktiver.

Was wird aus der Versorgungssicherheit?

Mehr Teilzeitmodelle in der ambulanten Versorgung könnten durchaus Treiber für mehr Zufriedenheit unter angestellten Ärzten sein. Das hat aber möglicherweise auch Auswirkungen auf die Versorgungskapazitäten.

Wenn in Zukunft immer mehr Ärztinnen und Ärzte angestellt und in Teilzeit arbeiten, bestehe das Risiko einer Versorgungslücke beim Patienten. Die Gesamtzahl der Mediziner im System steigt zwar Jahr für Jahr an, aber das Versorgungsangebot pro Kopf wird bei einem anhaltenden Trend zur Anstellung und Teilzeittätigkeit weiter sinken.

Die Schlussfolgerung der Studienautoren: Aufgabe der Gesundheitspolitik müsse es also sein, eine ausreichende Zahl an Ärztinnen und Ärzten für die Versorgung zu gewinnen.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (6) Seite 4