Wenn eine Dermatophyteninfektion fälschlicherweise für eine entzündliche Dermatose gehalten und mit einem topischen Glukokortikoid behandelt wird, kann sich das klinische Bild so verwandeln, dass die korrekte Diagnose schwierig wird.

Bereits 1968 beschrieben Adrian Ive und Ronald Marks 14 derartige Fälle, für die sie den Ausdruck „Tinea incognito“ prägten [1]. Seither habe sich gezeigt, dass nicht nur topische und systemische Kortiko­steroide, sondern auch Calcineurin-­Inhibitoren und andere immunsuppressive Medikamente die typische Morphologie von Dermatophyteninfektionen verändern könnten (Tabelle 1), berichtete Ditte ­Marie Saunte aus Roskilde (DK) auf dem virtuellen EADV-Kongress 2021. Von manchen Autoren wurde die ihnen sprachlich seltsam anmutende Begriffsbildung Tinea ­incognito zu Tinea incognita (= nicht ­erkannte Tinea) abgeändert.

Aus „Ekzem“ wird „Herpes-simplex“

Die Referentin präsentierte eine Reihe eindrücklicher Fälle von Tinea incognita. Das machte deutlich, dass die klinischen Ausprägungen sehr unterschiedlich sein und Ähnlichkeiten mit vielen anderen dermatologischen Krankheitsbildern haben können (Tabelle 2).

Beispielsweise wurde von koreanischen Autoren der Fall eines 30-jährigen Mannes publiziert, der vom Allgemeinpraktiker wegen eines vermeintlichen Ekzems lateral am rechten unteren Augenlid ein topisches Kortikosteroid erhielt [2]. Die Hautveränderung schien zuerst auf die Therapie anzusprechen, doch dann veränderte sie sich und wurde größer. Nach zwei Monaten fanden sich gruppierte erythematöse Papeln, Bläschen und Krusten. Die Morphologie deutete auf eine Herpes-simplex-Infektion hin, doch eine 5-tägige Aciclovir-Therapie blieb erfolglos.

Schließlich führte der Hautbiopsiebefund von Pilzhyphen und Sporen zur Diagnose. Die nicht indizierte topische Kortikosteroid-Therapie über einen Monat hatte das typische Erscheinungsbild der Tinea faciei so verändert, dass die korrekte Diagnose schwierig zu stellen war. Erst nach 12-wöchiger Behandlung mit Terbinafin (250 mg täglich peroral und topisch als Creme) heilte die Tinea faciei ab. Die Autoren weisen darauf hin, dass Fälle von ­Tinea faciei nicht selten initial falsch diagnostiziert würden [2]. Eine versteckte Pilzinfektion sollte in Betracht gezogen werden, wenn die Hautveränderungen auf eine immunsuppressive Therapie nur partiell oder gar nicht ansprechen oder sogar schlimmer werden. Auch Tineafälle bei Familienmitgliedern sind wichtige Hinweise. Direkte Mikroskopie und Histologie eignen sich zum Nachweis der Pilzinfektion, Kultur und molekulare Diagnostik zur Identifikation der Spezies.


Literatur
1. Ive A et al.: Tinea incognito. Br Med J. 1968;3:149–152
2. Park Y et al.: Tinea incognito simulating herpes simplex virus infection. Ann Dermatol. 2014;26:267–269

Quelle
Session D1T07.3 (fungal skin infections), Vortrag "Hidden mycotic infections" beim 30. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) am 30. September 2021, online.

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Schweizer Zeitschrift für Dermatologie und Ästhetische Medizin 01/2022



Autor:
Alfred Lienhard

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (10) Seite 19