Bund und Länder haben sich auf ein Paket zur Finanzierung der geplanten milliardenschweren Entlastungen angesichts der hohen Energiepreise geeinigt. Darin enthalten sind auch acht Milliarden Euro, die Kliniken und Pflegeeinrichtungen erhalten sollen. Dass Arztpraxen in dem Paket jedoch nicht erwähnt werden, stößt auf massive Proteste.

Die steigenden Energiekosten werden das Gesundheitssystem erheblich belasten, das hat auch Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach erkannt. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen könnten nur schwer beim Heizen und Strom sparen, ohne die Gesundheit der Patienten zu gefährden. „Kein Krankenhaus soll wegen hoher Gas- und Stromkosten schließen müssen, zusammen mit der Gas- und Strompreisbremse würden die Milliarden Euro aus dem Doppel-Wumms dafür sorgen, dass kein Krankenhaus in Not gerate“, sagte Lauterbach der Presse.

Was aber passiert mit den Arztpraxen?

Hohe Energiepreise sind nicht nur für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen eine besondere Herausforderung. Nun sollen aber offenbar lediglich stationäre Einrichtungen im Gesundheitswesen über eine spezielle Härtefallregelung Milliardenhilfen wegen der Gas- und Strompreise erhalten. Bis zu acht Milliarden Euro sollen für Krankenhäuser, Universitätskliniken und Pflegeeinrichtungen bereitstehen.

Arztpraxen werden mit den Kosten alleingelassen

Ärztevertreter und Kassenärztliche Vereinigungen fordern deshalb Hilfen von Bund und Ländern auch für Arztpraxen, da Kostensteigerungen bei der Energie nicht durch Preisanhebungen oder durch Einstellung des Betriebs ausgeglichen werden könnten. Mit den hohen Kosten für Energie und Inflation würden die Arztpraxen alleingelassen, mahnt z. B. der Präsident der Landesärztekammer Bayern. Und auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns warnt: „Trotz Strom- und Gaspreisbremse stehen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vor einer ähnlichen Situation wie die Krankenhäuser. Explodierende Kosten könnten dazu führen, dass manche Leistungen für die Praxen unwirtschaftlich werden und sie diese folglich nicht mehr erbringen können.“

Noch drastischer formuliert der Bayerische Facharztverband (BFAV) seine Kritik: Wer den niedergelassenen Fachärzten, die die Hauptlast der ambulanten Versorgung in Deutschland tragen, 400 Millionen Euro Honorar entziehe (gemeint ist der Wegfall der Neupatientenregelung) und zwei Wochen später den Kliniken unabgesichert eine Geldtransfusion in Höhe von 8 Milliarden Euro spendiert, habe klar kommuniziert, auf welchem Auge er blind ist bzw. wohin die Reise mit den selbstständigen Praxen gehen soll, beklagt der BFAV die selektive Wahrnehmung des „Bundeskrankenhausministers Lauterbach“. Steigende Energie-, Personal- und Sachkosten beträfen in gleicher Weise auch die Praxen der Niedergelassenen.

Fatales Zeichen der ­Geringschätzung seitens der Politik

Vor einer selektiven Wahrnehmung der Gesundheitspolitik warnt auch der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt. Es sei ganz sicher richtig, den Kliniken mit Blick auf Energiekosten und galoppierende Inflation jetzt schnell und mit Augenmaß unter die Arme zu greifen, aber: „Was ist mit den Zehntausenden Praxen, die unter denselben Belastungen leiden?“, gibt Reinhardt, der gleichzeitig auch Präsident der Bundesärztekammer ist, zu bedenken.

Dass die Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei den Entlastungsplänen aus dem Bundesgesundheitsministerium mit keinem Wort erwähnt werden, stößt auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) übel auf. Sie sieht darin ein fatales Zeichen für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, dass ihre Arbeit von der Politik mitnichten geschätzt, sondern einfach stillschweigend registriert werde. Es sei zwar richtig, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu helfen, aber die Praxen dürften hierbei nicht einfach außen vor gelassen werden, so der KBV-Vorstand.

Gehen ohne Hilfen in den Praxen die Lichter aus?

Angesichts steigender Energiekosten hat die KBV daher Bund und Länder aufgerufen, die Arztpraxen in die geplanten Härtefallregelungen und Hilfsprogramme aufzunehmen, um die exorbitant gestiegenen und noch steigenden Energiekosten abzumildern. Geschehe dies nicht, könnten in den Praxen im Winter buchstäblich die Lichter ausgehen und die medizinische Versorgung in Deutschland sei dann am Ende. Ob die lautstarken Klagen von Ärzteseite bei der Politik noch Gehör finden werden, bleibt abzuwarten. Vielleicht findet sich ja doch eine Möglichkeit, die Arztpraxen bei den Energiekosten zu entlasten und so über den Winter zu bringen.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (12) Seite 2