Laut einer Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) spiegelt sich das wirtschaftliche Risiko, das mit einer selbstständig geführten Arztpraxis verbunden ist, nicht in der Höhe des Einkommens wider, das niedergelassene Ärztinnen und Ärzte erzielen.

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde die finanzielle Förderung der Behandlung von Neupatienten in den Praxen gestrichen. Die Änderung soll kurzfristig einen Einsparbetrag von rund 400 Millionen Euro erzielen. In der Diskussion um den Wegfall der Neupatientenregelung kam nicht zuletzt vonseiten der Politik und der Krankenkassen auch wieder die Diskussion darüber auf, ob niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht ohnehin schon ausreichend gut verdienen. Demnach wurde von Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 200.000 Euro genannt. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat sich daraufhin die Zahlen einmal genauer angeschaut.

Niedergelassene verdienen durchschnittlich 24 Euro pro Stunde

Nach der Erhebung des Zi betrugen die Gesamteinnahmen niedergelassener Ärzte im Jahr 2020 im Durchschnitt 335.000 Euro. Rund 78 % dieser Einnahmen (261.000 Euro) entfielen auf die gesetzliche Krankenversicherung. Dem standen Aufwendungen für den Praxisbetrieb in Höhe von 162.000 Euro gegenüber. Davon entfielen rund 56 % (90.000 Euro) auf Gehälter des Praxispersonals. Es verblieb ein durchschnittlicher Jahresüberschuss von 172.000 Euro pro Praxisinhaber. Dieser Jahresüberschuss ist jedoch kein Nettogehalt.

Zum einen müssen die Praxisinhaber daraus sämtliche wirtschaftlichen Risiken aus dem Praxisbetrieb wie etwa Lohnerhöhungen, steigende Energie- und/oder Betriebskosten tragen sowie Investitionen finanzieren. Zum anderen fallen Abzüge für Steuern, Altersvorsorge sowie Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von durchschnittlich 87.000 Euro an, sodass am Ende ein durchschnittliches verfügbares Einkommen von 86.000 Euro bleibt. Ein Teil dieses verfügbaren Einkommens stammt auch aus Einnahmen durch die medizinische Versorgung privat Versicherter. Rechnet man diesen Einnahmenanteil um in Einnahmen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, würde sich der durchschnittliche Jahresüberschuss auf 137.000 Euro und das verfügbare Jahreseinkommen auf 61.000 Euro reduzieren. Allein aus Praxistätigkeit für die gesetzliche Krankenversicherung entstünde demnach ein verfügbares Einkommen von 24 Euro pro Stunde.

Das Zi verglich dann die selbstständige Tätigkeit in der Praxis bezogen auf die eingesetzte Arbeitszeit mit dem Tariflohn eines Oberarztes mit mindestens dreijähriger Tätigkeit. Dabei zeigt sich, dass nur ein geringes Plus von wenigen Hundert Euro pro Jahr bleibt, für das Praxisinhaber die gesamte organisatorische, rechtliche und ökonomische Verantwortung des Praxisbetriebs übernehmen. Würden die Praxen auf Einnahmen der privat Versicherten verzichten müssen, wäre eine vergleichbar qualifizierte angestellte Tätigkeit im Krankenhaus ­finanziell attraktiver als die Niederlassung. Unter den Bedingungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes würden nun weitere Einschnitte für die Niedergelassenen greifen.

Dies muss sich ändern, fordert das Zi. Wer ein widerstandsfähiges und leistungsfähiges Gesundheitswesen wolle, müsse die selbstständige Tätigkeit in den Praxen fördern. Im Zuge der Beratungen rund um das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sei man seitens der Politik jedenfalls eindeutig von falschen Voraussetzungen zum verfügbaren Einkommen von Vertragsärzten ausgegangen, so das Zi.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2022; 26 (12) Seite 5