Das Hautkrebs-Screening kann auch in der Hausarztpraxis stattfinden. Ein Dermatoskop muss seit Kurzem dafür vorgehalten werden, um bei GKV-Patient:innen die Abrechnung zu ermöglichen. In einem dreiteiligen Fortbildungsbeitrag soll anschaulich dargestellt werden, wie eine Untersuchung mit dem Dermatoskop aufgebaut sein sollte. Teil 1 behandelt die Unterscheidung zwischen melanozytären und nicht melanozytären Hautveränderungen.

Nach einem groß angelegten Testlauf in Schleswig-Holstein ist seit Mitte des Jahres 2008 das nationale Hautkrebs-Screening (HKS) für Dermatolog:innen und Allgemeinärzt:innen als zweistufiges Screening in Deutschland etabliert. Zunächst war die Verwendung eines Dermatoskops nicht vorgesehen. Seit 01.04.2020 jedoch ist die Untersuchung mit dem Dermatoskop "fakultativer Bestandteil" des HKS. Das bedeutet für die teilnehmenden Ärzt:innen, dass zur korrekten Abrechnung der GOP 01745 und GOP 01746 in den Praxen ein Dermatoskop vorgehalten werden muss. Dem apparativen und untersuchungstechnischen Aufwand wird mit einer pauschalen Erhöhung des Honorars Rechnung getragen.

Bereits seit über 30 Jahren stehen Ärzt:innen praxistaugliche Dermatoskope, sogenannte "Handheld-Geräte", zur Verfügung. Häufig als "Stethoskope des Dermatologen" bezeichnet, sind sie aus dem dermatologischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch in der Diagnostik entzündlicher Hautveränderungen (Inflammoskopie), parasitärer Hauterkrankungen und Erkrankungen von Haar und Kopfhaut (Trichoskopie) hat sich ihr Einsatz bewährt.

In einem effizienten Screening sollen abwendbar gefährliche Verläufe zuverlässig aufgegriffen wer-den. Parallel dazu müssen benigne Verläufe sicher erkannt werden, da die einmal als benigne eingestuften Hautveränderungen gemäß den Regularien des HKS keiner weiteren Kontrolle unterliegen. Das Ziel ist also, eine möglichst hohe Spezifität zu erzielen.

Seit letztem Jahr hat in die Online-Schulung zum HKS die Dermatoskopie durch Einführung eines "Schnupperkurses Dermatoskopie" Einzug gehalten. Wahrscheinlich wird bald auch das bisherige Schulungsformat inhaltlich angepasst werden. Nach einem Studium der Medizin mit geringer Präsenz der Dermatologie im Ausbildungsplan und nach der Anpassung der Lerninhalte zum HKS ist das Interesse vieler Hausärzt:innen daher groß, fundiertes Wissen zur Frühdiagnostik von Hauttumoren zu erwerben. Als Hilfsmittel bietet sich das in den Praxen bereits vorhandene Dermatoskop an. Die Diagnose vieler zweifelhafter Läsionen ist mithilfe der Dermatoskopie schnell und einfach durchführbar und der Inspektion mit dem bloßen Auge überlegen.

Beispielhaft ist dies in den Abbildungen 1 bis 4 zu sehen: Abb. 1 zeigt einen Nävus, der bei alleiniger makroskopischer Betrachtung wegen seiner unscharfen Begrenzung, seiner inhomogenen Färbung, der damit verbundenen Asymmetrie und seiner Größe geeignet ist, gemäß der makroskopischen ABCD-Regel des nationalen HKS Zweifel an der Dignität aufkommen zu lassen. Das dermatoskopische Bild dieses melanozytären Nävus dagegen bietet ein ruhiges retikuläres Muster und ermöglicht die Diagnose eines benignen melanozytären Nävus (Abb. 2).

Abb. 3 dahingegen könnte weniger geübte Betrachter dazu verleiten, bei symmetrischer, relativ scharf begrenzter Form mit gleichmäßig dunkelbrauner Färbung eine benigne Hautveränderung zu vermuten. Der Blick durch das Dermatoskop (Abb. 4) zeigt schon beim ersten Betrachten hingegen ein strukturreiches Bild mit deutlicher Asymmetrie und Inhomogenität, was ein malignes Melanom vermuten lässt.

Die Verbesserung der diagnostischen Qualität ermöglicht rechtzeitige therapeutische Maßnahmen und kann unnötige Exzisionen und psychische Traumatisierungen der Patient:innen reduzieren. Hinzu kommt, dass Hausärzt:innen ihr Dermatoskop nicht nur beim standardisierten HKS, sondern auch beim fakultativen Screening einsetzen können. Letzteres wird oft fälschlicherweise "opportunistisches Screening" genannt; die Abklärung eines Zufallsbefundes jedoch ist wichtiger Bestandteil unserer allgemeinärztlichen Tätigkeit.

Im deutschsprachigen Raum gibt es aktuell zwei richtungsweisende Lehrbücher, die Allgemeinärzt:innen prägnantes Basiswissen der Dermatoskopie vermitteln [1, 2]. Diese Artikelserie nimmt die Informationen beider Autoren auf und versucht, die etwas unterschiedliche Nomenklatur zu glätten. In enger Anlehnung an den Algorithmus von Kreusch und Rassner [3] und die Ergänzung durch Stolz [2] empfiehlt sich für Hausärzt:innen ein diagnostisches Vorgehen in drei Schritten (Abb. 5):

1. Schritt: Melanozytär oder nicht melanozytär?

Im ersten Schritt wird geklärt, ob eine Hautveränderung melanozytären Ursprungs ist oder nicht. Melanome sind melanozytäre Hautveränderungen, so dass dieser Differenzierung eine große Bedeutung zukommt.

Die Basis zur Beurteilung bilden die ersten drei Grundelemente aus der Musteranalyse [4]:
  • Linien (oder synonym: Streifen),
  • Punkte (Elemente < 0,1 mm),
  • Schollen (Elemente > 0,1 mm)

Die beiden weiteren Grundelemente
  • Kreise,
  • Pseudopodien (Linien mit endförmiger schollenartiger Verdickung)
werden erst später im zweiten Schritt benötigt.

Dank der Ausführungen von Stolz [2] ist eine klare Differenzierung melanozytärer Hautveränderungen möglich: Sie sind dann melanozytären Ursprungs, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegt:

1.1. Pigmentnetz

Das Pigmentnetz, auch "retikuläres Muster" in der Musteranalyse genannt, setzt sich aus Linien (Streifen) netzartig zusammen (Abb. 6). Dabei treffen im Idealfall die Linien annähernd orthograd aufeinander. Verfügt ein Pigmentnetz über feine, regelmäßige Maschen von brauner bis schwarzer Farbe, liegt eine melanozytäre Hautveränderung vor.

Der intensiveren Färbung kommt hier besondere Bedeutung zu, da bereits die gesunde Haut über ein Pigmentnetz verfügt. Dieses ist jedoch zart ausgeprägt und von hellbrauner Farbe. Auch ein weißes Netz spricht nicht für eine Hautveränderung melanozytären Ursprungs. Derbe und bizarre Pigmentnetze kommen sowohl bei melanozytären als auch bei nicht melanozytären Hautveränderungen vor und sind daher nicht signifikant.

1.2. Verzweigte Streifen

Verzweigte Streifen ausschließlich von brauner, blaugrauer bis schwarzer Farbe sieht man bei melanozytären Hautveränderungen häufig (Abb. 7). Charakteristisch sind die Verzweigungen der Streifen, die eher spitzwinkelig aufeinandertreffen und am besten in der Peripherie der Hautveränderung auszumachen sind. Typisch ist das Farbspiel von Braun über Blaugrau bis Schwarz, bedingt durch das Farbspektrum des Melanins. Der Farbeindruck durch das Melanin ist von dessen Lage abhängig: Oberflächlich erscheint es schwarz, geht dann von einer dunkel- und hellbraunen über eine graublaue schließlich in eine stahlblaue Färbung in der Tiefe der Haut über.

1.3. Aggregierte Schollen

Ein weiteres Kriterium für eine melanozytäre Hautveränderung sind Schollen, die aggregiert stehen (Abb. 8). Sie weisen das Melanin-typische Farbmuster auf: braun, blaugrau bis schwarz. Weiße und rote Schollen hingegen kommen sowohl bei melanozytären wie bei nicht melanozytären Veränderungen vor.

1.4. Strukturlose Areale (Muster)

Strukturlose Areale enthalten keine mit Sicherheit definierbaren Grundelemente. Auch hier ist die genaue Beachtung des genannten Farbspektrums wesentlich, das von Braun über Blau bis Schwarz reicht (Abb. 9). Rote strukturlose Areale kommen allerdings bei melanozytären (z. B. Melanomen!) ebenso wie bei nicht melanozytären Hautveränderungen (z.B. intracornealen Blutungen) vor.

ESSENTIALS: Wichtig für die Sprechstunde
  • Um das Hautkrebs-Screening korrekt abrechnen zu können, muss ein Dermatoskop vorgehalten werden.
  • In manchen Fällen ist eine Differenzierung zwischen benignen und malignen Hautveränderungen nur mithilfe des Dermatoskops möglich.
  • Für die Hausarztpraxis empfiehlt sich ein diagnostisches Vorgehen in drei Schritten.
  • Im 1. Schritt sollte geklärt werden, ob es sich um eine melanozytäre oder nicht melanozytäre Hautveränderung handelt.
  • Bei der Beurteilung bilden die Grundelemente der Musteranalyse – Linien, Punkte und Schollen – die Basis.


Die Schritte 2 und 3 des Algorithmus zum Hautkrebs-Screening werden in den Ausgaben 4 und 5 von doctors today behandelt.

Teil 2 des Beitrags zur Dermatoskopie in der Hautarztpraxis finden Sie hier.


Literatur:
1. Kittler H, Tschandl P (2015) Dermatoskopie: Musteranalyse pigmentierter und unpigmentierter Hautläsionen. facul-tas, Wien
2. Stolz W, Hänßle H, Sattler E, Welzel J (2018) Bildgebende Diagnostik in der Dermatologie: Dermatoskopie, Konfo-kale Laserscanmikroskopie, optische Kohärenztomografie, Sonografie (German Edition) Thieme, Stuttgart.
3. Kreusch J, Rassner G (1991) Auflichtmikroskopie pigmentierter Hauttumoren. Thieme Stuttgart, New York


Autor

Dr. med. Reiner Albrecht

Arzt für Allgemeinmedizin
92272 Freudenberg

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (3) Seite 36-39