Ende Oktober traf sich der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands zu seiner Jahreshauptversammlung. Die Schwerpunkte der Diskussion bildeten die bessere Honorierung der Leistungen und der zunehmende Mangel an Fachpersonal.

Eine neue Gebührenordnung, die Stärkung des ambulanten Sektors, Freiheiten in der Selbstverwaltung zurückgewinnen und höhere Gehälter für Medizinische Fachangestellte (MFA) – das sind die großen Vorhaben für den Virchowbund in der kommenden Legislaturperiode.

Bürgerversicherung abgewendet

Im Hinblick auf das Wahlergebnis zeigte sich Virchowbund-Präsident Dr. Dirk Heinrich erleichtert, dass bürgerliche Parteien eine Mehrheit bekommen hätten. Denn mit einer rot-rot-grünen Koalition wäre eine neue Diskussion über die Bürgerversicherung wahrscheinlich geworden. Heinrich schreibt es dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zu, dass diese Diskussion auch in den Koalitionsverhandlungen keine Rolle mehr spielt. Durch die offene Sprechstunde und die Terminservicestellen sei das Argument entkräftet, dass Patienten keinen Zugang zu Facharztterminen hätten.

Ambulante Versorgung stärken

Wichtig sei nun, dass die ambulante Versorgung gestärkt werde. Dazu bedürfe es Anreizen für eine Niederlassung wie einer leistungsgerechten Vergütung, mehr Medizin-Studienplätzen und einer besseren Niederlassungsfreiheit. In puncto Vergütung drängt der Virchowbund auf eine Reform der GOÄ, deren aktuelle Version seit 1982 mit einem Update von 1996 besteht. Seit April 2021 befinde man sich in Abschlussverhandlungen, die aktuell laut Heinrich an der PKV und Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scheitern. „Der PKV muss klar sein, dass der Vorschlag auf dem Tisch liegen muss, sobald der neue Gesundheitsminister seinen Job antritt“, so Heinrich.

Regressdrohung abschaffen

Dazu komme eine überbordende Bürokratie, die Zeit fresse und die Ärzte frustriere und zermürbe. „Und die Budgetierung wirkt als Niederlassungsbremse“, kritisiert Heinrich. Viele junge Ärzte wollten sich nicht mehr niederlassen aus Angst vor Regressen und sagten sich: „Du wirst budgetiert und kriegst dazu noch einen Regress – dann lass ich es doch gleich sein.“ Hinzu komme, dass viele ältere Praxisinhaber sich dazu entschlössen, ihre Praxis früher als geplant abzugeben. Heinrich forderte daher, die Regressdrohungen abzuschaffen. Nicht einmal Kassenfunktionäre könnten darin einen Sinn mehr entdecken. Tatsächlich äußerte sich auch der Vorstandsvorsitzende des BKK-Dachverbandes Franz Knieps ganz ähnlich: „Regress produziert nichts außer Frust und entwickelt keine steuernde Wirkung.“

Eine Chance für die Niedergelassenen sieht Heinrich bei der anstehenden Reform der Notfallversorgung und der sich abzeichnenden zunehmenden Ambulantisierung. So sei es erwiesen, dass jeder zweite Notaufnahme-Patient auch ambulant behandelt werden könne. Dementsprechend sollten nicht benötigte Kliniken in ambulante und kurzstationäre Strukturen umgewandelt werden. Für eine mögliche Ambulantisierung im Rahmen einer Versorgungsreform fordert Heinrich eine Reform der Paragrafen 115 bis 12 SGB V und damit eine Vereinfachung der Behandlungen, die jeweils ambulant und stationär durchgeführt ­werden dürfen. Dabei soll das Gebot „ambulant vor stationär“ gelten und eine stationäre Behandlung nur mit Begründung stattfinden dürfen. Honorare sollen nach Leistung und nicht nach Behandlungsort festgelegt werden und sich an den DRG-Sätzen orientieren.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: DERMAforum, 2021; 25 (12) Seite 3