Zurzeit ist wieder die Impfung gegen die saisonale Influenza angesagt. Bei jungen Menschen kann die Influenzaimpfung die sehr unangenehme Infektion und damit auch krankheitsbedingte Fehltage verhindern, für ältere Menschen und Patienten mit chronischen Grunderkrankungen kann sie lebensrettend sein: Fast alle Todesfälle an saisonaler Influenza betreffen hierzulande Menschen im Alter von über 50 Jahren.

Das war nicht immer so: Bei der "Spanischen Grippe" im Jahr 1918 waren unter den über 20 Millionen Toten auch viele junge Menschen. Bei über der Hälfte der Verstorbenen konnten damals aus dem Herzblut Pneumokokken angezüchtet werden – auch heute ist eine Superinfektion mit Pneumokokken eine häufige Komplikation bei schweren Influenzainfektionen. Während einer Influenzaerkrankung ist für den Betroffenen das Risiko, einen akuten Myokardinfarkt oder einen ischämischen Hirninsult zu erleiden, deutlich erhöht – die American Heart Association und das American College of Cardiology empfehlen deshalb für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in ihren Leitlinien die Impfung gegen saisonale Influenza mit der Empfehlungsklasse 1 zur Sekundärprophylaxe.

Neben alten Menschen sind Schwangere besonders durch eine Influenzainfektion gefährdet. Die STIKO empfiehlt deshalb die Influenzaimpfung ausdrücklich für alle Schwangeren. Schwangere mit Risikofaktoren sollten bereits im 1. Trimenon, alle anderen im 2. Trimenon geimpft werden.

Am häufigsten erkranken Kinder im Alter von 5 – 9 Jahren an Influenza. Sie scheiden die Viren zudem mehr als zehn Tage lang aus und können damit andere Kinder und Erwachsene anstecken. Erwachsene scheiden die Viren dagegen nur drei bis fünf Tage lang aus.

Durch ein Cochrane-Review ist es mittlerweile evidenzbasiert, dass die Influenzaimpfung zumindest bei älteren Menschen die Erkrankungshäufigkeit senkt sowie Krankenhausaufenthalte und Todesfälle verhindert.

Wer sollte geimpft werden?

Die STIKO empfiehlt die jährliche Impfung im Herbst mit einem Impfstoff mit aktueller, von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfohlener Antigenkombination als Standardimpfung aller Personen ab 60 Jahre, für alle Schwangeren, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Personen mit erhöhter Gefährdung, z. B. medizinisches Personal in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können, sowie für Patienten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer chronischen Grunderkrankung.

Indikationen für die Impfung gegen saisonale Influenza
  • Alle Menschen im Alter von über 60 Jahren
  • Alle Schwangeren
  • Alle Menschen mit Gefährdung durch chronische Grunderkrankungen
  • Alle Menschen mit erhöhtem Expositionsrisiko, z. B. durch „Publikumsverkehr“
  • Medizinisches Personal einschließlich Personal von Pflegeheimen
  • Reisende

Wenig bekannt ist, dass Influenzainfektionen auch in warmen Gefilden drohen: Die Influenza ist die häufigste durch Impfung vermeidbare Infektion bei Reisenden in die Tropen und Subtropen. In den Tropen tritt Influenza zudem ganzjährig auf. In Ländern der "Südhalbkugel" geht die Endemiezeit dagegen von April bis September. Das Risiko für eine Influenzainfektion ist auf Reisen generell erhöht. Besonders hoch ist es bei allen Reisen mit vielen Reisenden auf engem Raum: bei Kreuzfahrten (auf Kreuzfahrtschiffen kommt es regelmäßig zu "Kleinepidemien"), bei längeren Reisen mit Bus oder Bahn, bei Gruppenreisen und bei Pilgerreisen. Bei einer Reiseberatung sollte deshalb immer auch der Impfschutz gegen die saisonale Influenza überprüft werden.

Unabhängig von der STIKO-Empfehlung macht es auch aus epidemiologischer Sicht Sinn, alle Menschen ohne Kontraindikationen gegen saisonale Influenza zu impfen.

Die jährliche Impfung wird auch dann empfohlen, wenn die Antigenzusammensetzung des Impfstoffs gegenüber der vorhergehenden Saison unverändert ist – die Dauer der Immunität beträgt nur etwa sechs Monate.

Welcher Impfstoff?

Kinder und Jugendliche

Kinder erkranken häufig an Influenza und übertragen die Erkrankung häufig an andere Kinder und an Erwachsene. Es ist deshalb besonders wichtig, dass die Impfung auch eine mukosale Immunität erzeugt. Dies ist bei dem attenuierten, nasal applizierbaren Lebendimpfstoff der Fall. Dieser wird in Russland bereits seit vielen Jahren mit Erfolg verwendet. In Deutschland ist der Lebendimpfstoff unter dem Markennamen Fluenz® für Kinder im Alter von 2 bis einschließlich 17 Jahren zugelassen. Nach der aktuellen STIKO-Empfehlung sollte der intranasale Lebendimpfstoff für Kinder im Alter von 2 – 6 Jahren gegenüber dem parenteralen Totimpfstoff bevorzugt werden. Die üblichen Kontraindikationen für Lebendimpfstoffe, z. B. angeborene oder erworbene Immundefekte, sind zu beachten.

"Junge" Erwachsene

Erwachsene werden mit inaktiviertem Totimpfstoff geimpft. Die Schutzrate liegt bei Gesunden mit intaktem Immunsystem bei 80 – 90 %. Neben den trivalenten Impfstoffen ist mittlerweile auch ein tetravalenter Impfstoff (z. B. Influsplit Tetra®), der eine zweite Komponente gegen Influenza B enthält, verfügbar. Dieser bietet einen besseren Schutz gegen Influenza B.

Auswahl des optimalen Impfstoffes in Abhängigkeit vom Lebensalter
  • Kinder und Jugendliche (2. – 17. Lebensjahr): Intranasaler Lebendimpfstoff (Fluenz®)
  • „Junge“ Erwachsene (< 65): Totimpfstoff, vorzugsweise tetravalent (z. B. Influsplit Tetra®)
  • Senioren (> 65): Adjuvantierter Impfstoff (z. B. Fluad®), sobald verfügbar: Impfstoff mit erhöhtem Antigengehalt

Alte (> 65 Jahre) Menschen

Bei älteren Menschen ist die Antikörperbildung deutlich vermindert, die Schutzrate liegt nur bei etwa 60 %. Gerade ältere Menschen sind aber durch eine Influenzainfektion besonders gefährdet. Die Wirksamkeit des Influenzaimpfstoffes kann durch zwei Strategien verbessert werden: Es können entweder Impfstoffe mit einem Adjuvans oder aber Impfstoffe mit erhöhtem Antigengehalt verwendet werden. Der Impfstoff Fluad® enthält das Adjuvans "MF59" und ist für Menschen im Alter von über 65 Jahren zugelassen. Lokale Impfreaktionen treten bei adjuvantierten Impfstoffen häufiger auf und sind stärker ausgeprägt.

Eine neuere Strategie ist es, den Antigengehalt zu erhöhen: Der in den USA zugelassene Impfstoff "Fluzone High Dose" hat einen viermal so hohen Antigengehalt wie "normaler" Influenzaimpfstoff.

Mittlerweile konnte auch die klinische Effektivität dieses Impfstoffes mittels einer Doppelblindstudie nachgewiesen werden: Im Vergleich zum "konventionellen" Totimpfstoff erkrankten die mit dem Hochdosisimpfstoff Geimpften signifikant seltener an saisonaler Influenza. Ganz besonders profitierte die Gruppe der über 85-Jährigen: Bei ihnen waren Krankenhausaufnahmen wegen Pneumonien signifikant seltener.

Der hochdosierte Impfstoff gegen saisonale Influenza ist derzeit in Deutschland noch nicht verfügbar.

Die Impfsprechstunde

Bisher erschienene Beiträge:

Teil 1: Mindestabstände von Impfungen

Teil 2: „Echte“ und „falsche“ Kontraindikationen

Teil 3: Vorgehen bei ungeimpften Erwachsenen

Teil 4: Zoster-Impfung: wann und für wen?

Teil 5: Impfungen in der Schwangerschaft

http://Teil6: STIKO-Empfehlungen 2015

Teil 7: Influenza: Für jeden der passende Impfstoff


Literatur:
American Heart Association J Am Coll Cardiol. 2006 Oct 3; 48(7):1498-502
American College of Cardiology, Circulation. 2006 Oct 3; 114(14):1549-53
Beyer WEP et al., Cochrane Review 2013, Vaccine 3013
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Mutsch, M. et al: Influenza virus infection in travelers to tropical and subtropical countries
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Harper S.A.et al. Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), CDCMMWR 2005
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Richardson DM Clin Infect Dis 2015
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Sullivan SJ, Jacobson R, Poland GA Review Advances in the vaccination of the elderly against influenza: role of a high-dose vaccine. Expert Rev Vaccines. 2010 Oct; 9(10):1127-33.
Udell JA et al JAMA 2013



Autor:

© copyright
Dr. med. Andreas H. Leischker, M.A.

Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin (DTG), Flugmedizinischer Sachverständiger
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat Vortragshonorare und Reisekostenunterstützung von den Firmen Pfizer und Sanofi-Pasteur MSD erhalten


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (18) Seite 38-40