Kasuistik: Ein 45-jähriger Bankkaufmann erhält wegen einer Nebenniereninsuffizienz eine lebenslange Substitutionstherapie mit Hydrokortison. Er benötigt eine Gelbfieberimpfung. Frage: Darf diese durchgeführt werden? Antwort: Ja, bei einer niedrigdosierten systemischen Kortikoidgabe kann auch eine Lebendimpfung gegen Gelbfieber durchgeführt werden.

Allgemeine Kontraindikationen

Grundsätzlich sollte bei allen akuten schweren Erkrankungen – hierzu gehören auch Erkrankungen mit Fieber > 38,5 oC – erst nach der Genesung geimpft werden.

Bei Allergien gegen Inhaltsstoffe des Impfstoffs ist eine Impfung kontraindiziert – dies betrifft vor allem Antibiotika wie Streptomycin und Neomycin, die einigen Impfstoffen zugesetzt werden, um die Gefahr einer Verkeimung zu reduzieren. Menschen, die an einer schweren Hühnereiweißallergie leiden, dürfen nicht mit Impfstoffen, die Hühnereiweiß enthalten – z. B. Gelbfieberimpfstoff und die meisten Grippeimpfstoffe – , geimpft werden. Ab der Saison 2014/2015 ist ein hühnereiweißfreier Grippeimpfstoff verfügbar.

Patienten mit Abwehrschwäche

Bei Patienten mit angeborener oder erworbener Abwehrschwäche muss bei Impfung mit Lebendimpfstoffen – relevant sind hier die Gelbfieberimpfung, die Kombinationsimpfung Masern, Mumps, Röteln (MMR), der Zoster-Impfstoff, die orale Typhusimpfung (Kombination aus lebenden abgeschwächten und abgetöteten Erregern) und der intranasale Influenza-Lebendimpfstoff – überprüft werden, ob eine Impfung kontraindiziert ist. Totimpfstoffe können bei diesen Patienten dagegen ohne Gefahr gegeben werden, allerdings ist der Impferfolg oft eingeschränkt. Deshalb werden für immmunsupprimierte Reisende eine serologische Kontrolle des Impferfolges und ggf. zusätzliche Impfdosen empfohlen.

Influenza-Lebendimpfstoff

Der für Kinder und Jugendliche zugelassene intranasale Influenza-Lebendimpfstoff ist bei Immunschwäche und bei Salicylattherapie kontraindiziert. Grund hierfür ist, dass Salicylate und eine Infektion mit dem Influenza-Wildvirus mit dem Reye-Syndrom assoziiert sind. Kinder und Jugendliche mit schwerem Asthma sollten ebenfalls keinen intranasalen Influenza-Lebendimpfstoff erhalten, da für diese Patientengruppe keine klinischen Studien vorliegen.

Nach der Impfung kann das Impfvirus auf andere Personen übertragen werden – deshalb sollten Geimpfte ein bis zwei Wochen den Kontakt mit stark immunsupprimierten Patienten – z. B. nach Knochenmarktransplantation – vermeiden. Bei einer niedrigdosierten oder einer topischen Kortikoidtherapie kann die Impfung mit dem intranasalen Lebendimpfstoff durchgeführt werden. Bei einer asymptomatischen HIV-Infektion darf die Impfung zur Anwendung kommen, nicht aber bei dem manifesten Krankheitsbild AIDS.

Gelbfieberimpfung

Die Gelbfieberimpfung darf dagegen auch bei asymptomatischer HIV-Infektion nur dann durchgeführt werden, wenn eine "ausreichende Immunfunktion" besteht. Konkret sollte die CD4-Zellzahl über 200/µl liegen. Bei Patienten mit Dysfunktion des Thymus – z. B. bestehendes Thymom oder Zustand nach Thymektomie – ist die Impfung kontraindiziert, ebenso bei angeborenen Immundefekten, nach Bestrahlung und nach Therapie mit Zytostatika. Hier besteht die Gefahr, dass durch die Impfung ein "Impfgelbfieber" ( Gelbfieberimpfung-assoziierte viszerotrope Erkrankung YEL-AVD) ausgelöst wird, das eine ähnlich schwere Erkrankung wie ein Gelbfieber durch das Wildvirus darstellt.

Bei einer systemischen Steroidtherapie über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen sollte die Impfung frühestens einen Monat nach Behandlungsende erfolgen.

Menschen im Alter über 60 Jahre haben in einer Studie bei Erstimpfung gegen Gelbfieber ebenfalls häufiger ein Impfgelbfieber entwickelt. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass das Immunsystem im Alter schwächer wird. Das absolute Risiko ist allerdings sehr gering und sollte gegen das Risiko einer Gelbfiebererkrankung von Ungeimpften individuell abgewogen werden.

Die Lebendimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln sowie die orale Typhuslebendimpfung ist bei Immunsuppression ebenfalls kontraindiziert.

Impfung gegen Zoster

Bei der Impfung gegen Zoster ist die Konzentration der Impfviren deutlich höher als bei dem Varizellenlebendimpfstoff. Die Impfung ist somit bei Immunsuppression ebenfalls kontraindiziert. Bei topischer und niedrigdosierter systemischer Steroidtherapie kann der Impfstoff eingesetzt werden – das gilt auch für die Substitutionstherapie bei Nebenniereninsuffizienz. Nach der Literatur kann bei einer Dosis, die einem Prednisolonäquivalent von < 20 mg täglich entspricht, geimpft werden. Eine aktive Tuberkuloseerkrankung stellt ebenfalls eine Kontraindikation dar, ein überstandener Herpes zoster dagegen nicht.

Neben einer hochdosierten Kortikoidtherapie führen auch viele Antirheumatika zu einer – oft langanhaltenden – Immunsuppression. Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind bei dieser Behandlung ebenfalls kontraindiziert.

"Falsche" Kontraindikationen

Häufig unterbleiben indizierte Impfungen, weil bestimmte Umstände irrtümlich als Kontraindikationen angesehen werden. Die STIKO nennt in ihren Empfehlungen sogenannte "falsche Kontraindikationen", bei denen Impfungen durchgeführt werden können:

  • Banale Infekte, auch wenn sie mit subfebrilen Temperaturen (< 38,5oC) einhergehen
  • Ein möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit ansteckenden Erkrankungen
  • Krampfanfälle in der Familie
  • Fieberkrämpfe in der Anamnese des Impflings
  • Ekzeme und Dermatosen, lokalisierte Hautreaktionen
  • Behandlung mit Antibiotika
  • Schwangerschaft der Mutter des Impflings. Bei der Varizellenimpfung sollte hier eine individuelle Risikoabwägung erfolgen.

Zusammenfassung

Es gibt nur wenige Kontraindikationen:

  • Bei schweren akuten Erkrankungen sollte die Impfung erst nach der Genesung durchgeführt werden.
  • Bei schweren Allergien gegen Inhaltsstoffe der Impfung besteht eine Kontraindikation.
  • Lebendimpfungen sind bei angeborener, erworbener oder medikamentös induzierter Immunsuppression kontraindiziert – hier gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Lebendimpfstoffen.

Die Impfsprechstunde

Teil 1: Mindestabstände von Impfungen

Teil 2: „Echte“ und „falsche“ Kontraindikationen

Teil 3: Vorgehen bei ungeimpften Erwachsenen

Teil 4: Zoster-Impfung: wann und für wen?

Teil 5: Impfungen in der Schwangerschaft

http://Teil6: STIKO-Empfehlungen 2015

Teil 7: Influenza: Für jeden der passende Impfstoff


Literatur:
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: August 2014, Epidemiologisches Bulletin 34/2014
Pacanowski J et al. Plasma HIV-RNA is the key determinant of long-term antibody persistence following yellow fever immunization in a cohort of 364 HIV-infected patients. J Acquir Immune Defic Syndr, online edition. doi: 10.1097/QAI.0b013e318249de59, 2012


Autor:

© copyright
Dr. Andreas H. Leischker, M.A., Krefeld

Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin (DTG), Flugmedizinischer Sachverständiger
Gelbfieberimpfstation
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (7) Seite 56-57