Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. Kindliche Frakturen behandelt und operiert man anders als im Erwachsenenalter. Auch die Nachbehandlung kindlicher Verletzungen muss in einem speziellen kindgerechten Rahmen erfolgen und gezielt auf die Bedürfnisse der kleinen Patienten sowie auf den Beratungsbedarf der Eltern eingehen.

Die Nachbehandlung kindlicher Verletzungen erfolgt häufig in der Hausarztpraxis, da mittlerweile eine Vielzahl von Eingriffen ambulant durchgeführt wird. Der Hausärzt:in kommt hierbei eine entscheidende Rolle bei der Durchführung, Begleitung und Vermittlung der Therapie zu. Von der behandelnden chirurgischen Klinik ist ein individueller Nachbehandlungsplan zu fordern. Das postoperative Vorgehen muss klar definiert und strukturiert angegeben sein. Bei der Nachbehandlung muss immer zwischen konservativer und operativer Therapie unterschieden werden. Zudem ist die Nachbehandlung abhängig vom Alter des Kindes, der Frakturlokalisation und der Frakturdislokation.

Ziele der Behandlung

Ein wichtiges Ziel ist die vollständige Wiederherstellung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Kindes. An einer Behinderung infolge einer Verletzung im Kindesalter leiden die Betroffenen oft ihr ganzes Leben lang. In das Aufgabenspektrum der Hausärzt:in fällt die Nachsorge der postoperativen Wunde mit Verbandswechsel und Fadenzug.

Es ist zu beachten, dass gerade bei Operationswunden ein früher Verbandswechsel unnötig ist und das Kind nur belastet. In der Regel kann der Fadenzug im Gesicht nach sieben Tagen und an den Ex-
tremitäten nach 14 Tagen erfolgen. In die Nachsorge fällt aber auch die Überprüfung der Frakturkonsolidierung und der Ausschluss von Dislokationen. Eine enge Anbindung an die Klinik kann z. B. im Hinblick auf die Röntgenkontrollen hilfreich sein. Nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Hausarztpraxis und Chirurgie kann der Therapieerfolg gesichert werden. Eine adäquate Analgesie ist zudem wichtig. Hierzu sind meist peripher wirksame Schmerzmittel (Paracetamol oder NSAR) ausreichend. Bei Versorgung der unteren Extremität muss ab Pubertätsbeginn an die Verordnung einer Thromboseprophylaxe gedacht werden.

Spontankorrekturen im Wachstumsalter

Im Unterschied zum Erwachsenen handelt es sich bei Kindern um Frakturen am wachsenden Skelett. Das Potenzial der Spontankorrekturen gilt es gezielt auszunutzen. Spontankorrekturen sind bis zum fünften Lebensjahr sehr häufig, wobei beim Adoleszenten kein Korrekturpotenzial mehr vorliegt. Bei jungen Patient:innen besteht in Abhängigkeit der Frakturlokalisation und –dislokation ein sehr gutes Korrekturpotenzial von Achsfehlern und Verkürzungen, jedoch nicht von Rotationsfehlern. Hier ist Vorsicht geboten. Sollte man bei einer Röntgenkontrolle eine Frakturdislokation im Sinne eines Rotationsfehlers feststellen, bedarf es einer unverzüglichen Überweisung in eine kindertraumatologische Klinik zur operativen Therapie.

Fall 1: Distale Radiusfraktur
Sechsjähriges Mädchen nach Sturz vom Klettergerüst: Die distale Radiusfraktur wurde konservativ mit einer fünfwöchigen Gipsruhigstellung behandelt.

Das linke Röntgenbild (a) zeigt die Fraktur am Unfalltag mit dorsaler Verkippung des distalen Radius. Nach Gipsabnahme erfolgte die Spontanmobilisation sowie Röntgenkontrolle nach 12 Wochen posttraumatisch (b). Das rechte Bild zeigt eine Verlaufskontrolle nach einem Jahr (c). Das Röntgenbild nach einem Jahr fand außerplanmäßig zum Ausschluss einer Fraktur bei erneutem Sturzereignis statt.

Entscheidet man sich für eine konservative Therapie, sind fundierte Kenntnisse des wachsenden Skeletts notwendig. Zudem sollte man Erfahrungen in den Ruhigstellungstechniken mitbringen, da bei Fehlbehandlung ein Fehlwachstum droht. Frakturen mit konservativer Behandlung müssen engmaschiger kontrolliert werden, da Instabilitäten in der Frakturzone und damit einhergehende Frakturdislokationen auftreten können. Durch Gipskeilungen lassen sich gewisse Korrekturen vornehmen. Mit einem solchen Verfahren stößt man in der Praxis jedoch häufig an seine Grenzen, weshalb man Gipskeilungen immer seltener vornimmt.

Eine Gipsruhigstellung beginnt mit einer Schiene oder einem gespaltenen Gips, der eine Woche nach abgeschwollenen Weichteilverhältnissen auf einen zirkulären Gips umgestellt werden kann. Es ist darauf zu achten, dass die Gipsruhigstellung dem Kind keine Schmerzen bereitet. Stabile Frakturen (Wulstfrakturen) bedürfen in der Regel keiner Röntgenkontrolle. Hier reichen eine Ruhigstellung für vier Wochen und klinische Kontrollen aus. Nach einem Monat kann eine radiologische Konsolidierungskontrolle abschließend erfolgen. Instabile Frakturen sollten nach vier bis sieben Tagen sowie nach 21 – 28 Tagen mittels konventionellem Röntgen kontrolliert werden. Weitere Röntgenkontrollen sind vom klinischen Befund abhängig. Sollte sich bereits in der ersten Kontrolle eine sekundäre Fragmentverschiebung mit resultierender Fehlstellung um mehr als zehn Grad darstellen, muss man gegebenenfalls einen Therapiewechsel erwägen. Zur weiteren Abklärung wäre hier eine Vorstellung in einer kindertraumatologischen Klinik empfehlenswert (Fall 1).

Bei den operativ behandelten Frakturen müssen die Adaptationsosteosynthesen (z. B. K-Drahtspickungen) postoperativ ruhiggestellt werden. Zugschraubenosteosynthesen, Zuggurtungen und intramedulläre Fixationen sind in der Regel übungsstabil. Häufig wird direkt postoperativ eine Ruhigstellung zur symptomatischen Schmerztherapie angelegt, die man bei abklingender Schmerzsymptomatik wieder ablegen kann. Intraoperativ erfolgt die erste Röntgenkon-
trolle, der nächste Termin ist im Normalfall erst nach vier bis sechs Wochen postoperativ sowie vor Metallentfernung. In Abhängigkeit der klinischen Untersuchungsbefunde muss man gegebenenfalls eine Röntgenuntersuchung vorziehen (Fall 2).
Die Indikation zur Implantatentfernung ist in der Regel gegeben. Diese erfolgt je nach Alter der Patient:in, nach Frakturtyp und der Art der operativen Versorgung (Tabelle 1).

Fall 2: Proximale Humerusfraktur
Neunjähriges Mädchen nach Fahrradsturz: Das Röntgenbild zeigt eine proximale Humerusfraktur (a), die mittels ESIN operativ versorgt wurde (b, intraoperatives Röntgen). Die Patientin erhielt eine dreiwöchige Ruhigstellung im Gilchrist mit Freigabe zur selbstkontrollierten Mobilisation nach Beendigung der Ruhigstellung. Das rechte Bild (c) zeigt die Röntgenkontrolle nach 12 Wochen vor der Metallentfernung. Die Metallentfernung konnte ambulant in Kurznarkose erfolgen. Die junge Patientin erhielt keine Physiotherapie und konnte Schulter- und Ellenbogengelenk vor und nach der Metallentfernung frei bewegen.

Regelmäßige Nachuntersuchungen zur frühen Erkennung von Wachstumsstörungen sind erforderlich. Diese sollten in halbjährlichen Abständen bis zu zwei Jahre nach Trauma/Metallentfernung erfolgen. Bei im Verlauf aufgetretener Wachstumsdifferenz im Seitenvergleich sind jährliche Nachkontrollen bis zum Wachstumsabschluss nötig. Die Nachuntersuchungen erfolgen klinisch, zur Erweiterung lässt sich eventuell eine fotografische Dokumentation durchführen. Eine radiologische Diagnostik ist nur bei klinischem Verdacht auf eine posttraumatische Deformität notwendig. Funktionskontrollen direkt nach Gipsabnahme haben keinen Sinn. Häufig sind die jungen Patient:innen noch verängstigt, so dass bei der Abnahme oft noch ein Humpeln oder eine eingeschränkte Beweglichkeit vorliegen. Darüber sind die Eltern aufzuklären!

Physiotherapie: spielerisch gesund

Eine spezifische Kinderphysiotherapie ist bei Polytraumata, Schädel-Hirn-Trauma (SHT) oder schweren Weichteilverletzungen von Anfang an sinnvoll. Bei der Mehrzahl der Monoverletzungen ohne neurovaskuläre Schädigung ist keine Verordnung von Physiotherapie nötig. Die junge Patient:in sollte nach Freigabe zur Beübung allein sich selbst überlassen werden. Bei älteren Kindern kann zum raschen Erreichen eines normalen Gangbilds eine krankengymnastische Mobilisation sinnvoll sein. Verbleibt vier Wochen nach Freigabe eine Bewegungseinschränkung, sollte als erste Maßnahme zur Ursachenabklärung eine Röntgenkontrolle erfolgen, um knöcherne Ursachen auszuschließen. Zeigt das Röntgenbild einen regelhaften Befund, ist erst dann eine angeleitete Physiotherapie sinnvoll.

Die Physiotherapie sollte immer kindgerecht und spielerisch erfolgen. Hier ist eine hohe Empathie der Physiotherapeut:in notwendig, denn auch für Kinder kann die Physiotherapie belastend, schmerzhaft oder langweilig sein. Dabei ist Teamarbeit gefragt. Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen und Eltern müssen eng zusammenarbeiten. Das Kind muss zunächst lernen, die frakturierte Extremität wieder angstfrei zu bewegen. Häufig sind die Eltern besorgt, wenn das eigene Kind nach Ruhigstellung nicht sofort alles bewegen kann, und drängen oft auf eine Physiotherapie. Es ist daher von Anfang an wichtig, die Eltern aufzuklären, ihnen Ängste zu nehmen. Bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr ist das Behandlungsprogramm an Erwachsene anzupassen (Tabelle 2).

ESSENTIALS – Wichtig für die Sprechstunde
  • Die vollständige Wiederherstellung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Kindes steht an erster Stelle.
  • Die Aufgaben der Hausärzt:in sind: Nachsorge der postoperativen Wunde mit Verbandswechsel und Fadenzug.
  • Das Potenzial der Spontankorrekturen bei jungen Patient:innen muss gezielt ausgenutzt werden.
  • Nachbehandlung ist Teamarbeit. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen und Eltern ist erforderlich.
  • Bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr muss das Behandlungsprogramm an Erwachsene angepasst werden.


Literatur:
1. Marzi, I. (2016) Kindertraumatologie, 3. Auflage, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York. DOI 10.1007/978-3-642-44997-0
2. Von Laer, L. (2012) Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart. DOI 10.1055/b-002-11351


Autorin

© Houseyna Riße
Dr. med. Houseyna Riße

Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik
Bergmannsheil Bochum
44789 Bochum

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (4) Seite 40-42