Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat analysiert, wie sich die wirtschaftliche Situation der Vertragsarztpraxen in den letzten Jahren entwickelt hat. Dabei zeigt sich, dass die Jahresüberschüsse eher mau ausfallen. Das liegt wohl nicht zuletzt auch an steigenden Betriebskosten. Durch die aktuell immer höhere Inflationsrate wird die Lage sich kaum entspannen. Auch für die Attraktivität einer Niederlassung sind das keine guten Aussichten.

Die in den letzten Jahren eher schwache wirtschaftliche Entwicklung in den Arztpraxen hat sich nur langsam verbessert, berichtet das Zi. Unter Berücksichtigung der Verbraucherpreise seien die Jahresüberschüsse in den Jahren 2016 bis 2019 inflationsbereinigt lediglich um durchschnittlich 1,3 % pro Jahr angewachsen. Im gleichen Zeitraum seien jedoch die Betriebskosten um 14 % stark angestiegen. Der Kostenanstieg habe damit die Entwicklung der Verbraucherpreise, die im gleichen Zeitraum im Bundesdurchschnitt um 4,8 % zunahmen, um nahezu das Dreifache überschritten.

Personal ist größter Kostenfaktor

Größter Kostenfaktor für die Praxen sind laut Zi die Ausgaben für Personal, die 55 % der Gesamtaufwendungen ausmachen. Dabei seien die Personalkosten seit 2019 um insgesamt 6,7 % gestiegen, von 2016 bis 2019 sogar um 21,9 %. Die größten Kostensprünge habe es zudem bei Aufwendungen für Material und Labor (+12,2 %) sowie bei der Miete für Praxisräume (+5 %) gegeben.

Woher kommen die Einnahmen?

Das Zi hat auch untersucht, woher die Einnahmen der niedergelassenen Vertragsärzt:innen kommen. Dabei zeigte sich, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in ihrer Bedeutung weiter zugenommen hat. So seien die GKV-Einnahmen an den Gesamteinnahmen im dreijährigen Beobachtungszeitraum überdurchschnittlich stark angestiegen (+11,6 %). Die Zuwachsrate bei den Privateinnahmen lag mit 8,6 % hingegen unter dem Durchschnitt.

Bei Inflation drohen reale Verluste

"Da die Inflationsrate in den vergangenen Jahren sehr niedrig war und nur etwa ein Drittel des heutigen Wertes betrug, sind diese Vergangenheitswerte keine gute Basis, um über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Arztpraxen heute zu urteilen. Bei der derzeitigen Inflationsrate von 4 und mehr Prozent würden die Praxen bei vergleichbarer Einnahmen- und Kostenentwicklung reale Verluste machen. Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung gründet aber auf dem Fundament einer soliden wirtschaftlichen Basis der Niederlassung", sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried bei der Präsentation der Ergebnisse des Zi-Praxis-Panels (ZiPP).

Praxen können bei Lohnentwicklung nicht mithalten

Eine aktuelle Analyse des Statistischen Bundesamts zur Kostenstruktur bei Arztpraxen bestätige die wesentlichen Trends des ZiPP insofern, als auch hier deutlich werde, dass die Aufwendungen in den Arztpraxen prozentual stärker steigen als die Umsätze, ergänzte von Stillfried. Aus diesem Grund sei in den Einzelpraxen der Reinertrag zwischen 2015 und 2019 nur um 8,9 % gestiegen. Zum Vergleich: Die allgemeine Lohnentwicklung betrug in den vier Jahren 10,9 %. Die amtliche Erhebung bestätige also, dass die Praxen bei der allgemeinen Lohnentwicklung nicht mithalten konnten. Dies betreffe dann nicht nur Praxisinhaber:innen, sondern – trotz stark steigender Aufwendungen für Lohnkosten in den Praxen – auch die dort angestellten Medizinischen Fachangestellten und Ärzt:innen.

Zeitaufwand muss besser vergütet werden

Nur wenn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, könne es gelingen, junge Ärzt:innen verstärkt für die medizinische Versorgung in der eigenen Praxis zu begeistern, mahnte von Stillfried weiter: "Die medizinische Versorgung von Patient:innen in den Arztpraxen braucht Zeit. Zeit, die wegen der zunehmenden Arbeitsverdichtung in der Niederlassung leider immer weniger zur Verfügung steht." Nicht zuletzt die COVID-19-Pandemie habe das sehr eindringlich vor Augen geführt, denn Regelversorgung und Krisenversorgung würden auch in Zukunft den Alltag vieler Praxen in Deutschland prägen. Dieser Zeiteinsatz müsse so vergütet werden, dass in der Niederlassung auch nach Abzug der Geldentwertung ein Plus verbleibt, fordert der Zi-Chef.

Von der Politik erwartet von Stillfried ein klares Bekenntnis pro ambulante Versorgung: "Die Sicherstellung der wohnortnahen fach- und hausärztlichen Versorgung gibt es nicht zum Nulltarif. Corona führt auch hier weiterhin zu überdurchschnittlicher Arbeitsbelastung. Die niedergelassenen Ärzt:innen haben eine hohe gesellschaftliche Verantwortung und tragen wirtschaftliches Risiko. Das muss in den Verdienstmöglichkeiten anerkannt werden. Diese müssen mindestens so attraktiv sein wie in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung, um junge Ärzt:innen weiterhin für die Niederlassung gewinnen zu können."

Das Zi-Praxis-Panel (ZiPP)
Mit dem ZiPP erfasst das Zi seit 2010 jährlich die Wirtschaftslage von niedergelassenen Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen. Berücksichtigt werden die Einnahmen aus kassenärztlicher und aus privatärztlicher Tätigkeit. Die Basis bildet die steuerliche Überschussrechnung der Praxen. Diese Daten werden direkt aus den Steuerunterlagen der Praxen erhoben. Die aktuell veröffentlichten Ergebnisse beruhen auf der Befragung des Jahres 2020 und beziehen sich auf die Berichtsjahre 2016 bis 2019. An der Erhebung 2020 nahmen 5.132 Praxen teil.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (2) Seite 26-27