Wenn es darum geht, die Praxismitarbeiter ebenso wie die Patienten vor der Übertragung von Krankheitserregern zu schützen, spielt die Händehygiene eine herausragende Rolle. Hier ist es vor allem die Desinfektion mit Alkoholen, die Effizienz und Hautschonung verbindet.

Neben mechanischen Barrieremaßnahmen wie dem Tragen von Handschuhen sind die Reinigung (Waschung) und die Desinfektion der Hände die wichtigsten Hygienemaßnahmen in der Arztpraxis. Ein aktueller Beitrag des Robert Koch-Instituts (RKI) zum "Internationalen Tag der Händehygiene", den die Weltgesundheitsorganisation WHO 2009 initiiert hat, befasst sich mit den verschiedenen alkoholischen Händedesinfektionsmitteln.

Alkohole sind laut RKI deutlich besser hautverträglich als Handwaschpräparate. Bei adäquater Anwendung von Hautschutz und Hautpflege ist ihre Anwendung im Unterschied zur Händewaschung auch nicht mit dem Risiko einer Irritationsdermatose verbunden. Dazu kommt, dass eine Resistenzentwicklung von Keimen aufgrund des Wirkmechanismus von Alkoholen weder bekannt noch zu erwarten ist. Und die bekannte Eigenschaft von Alkoholen, an der Luft schnell zu trocknen, trägt zu einer komfortablen Anwendung bei.

Geringe Resorptionsmengen

Ethanol, n-Propanol und Isopropanol sind aufgrund ihrer Eigenschaften die Wirkstoffe der Wahl zur Händedesinfektion. Die Wirkung dieser einwertigen, aliphatischen, kurzkettigen Alkohole beruht auf der unspezifischen Denaturierung von Proteinen und dem dadurch bedingten Einfluss auf Membranen von Mikroorganismen, wodurch sie eine schnelle und breite Wirkung gegen eine Reihe von Mikroorganismen erzielen. Die erforderliche Einwirkzeit hängt von der Art der Erreger ab. So werden zur Abtötung von Dermatophyten oder zur Inaktivierung von unbehüllten Viren im Vergleich zu Bakterien in der Regel längere Einwirkzeiten benötigt. Die Wirksamkeit von Alkoholen steigt zwar mit zunehmender Kettenlänge (bis 8 C-Atome), allerdings im umgekehrten Verhältnis zur Verträglichkeit, sodass Alkohole mit mehr als 4 C-Atomen nicht für Händedesinfektionsmittel verwendet werden.

Alle drei genannten Alkohole zeichnen sich durch gute lokale Verträglichkeit und fehlende sensibilisierende Potenz aus. Bei Ethanol und Isopropanol, die stoffwechselbedingt im Blut vorkommen, weist die maximale Resorption einen deutlichen Sicherheitsabstand zu ernährungsbedingten physiologisch möglichen Konzentrationen auf. Dermal aus Händedesinfektionsmitteln resorbierte Wirkstoffmengen erreichten z. B. bei Ethanol 10-fach geringere Werte im Blut als durch das Trinken von 0,5 l Apfelsaft.

Unterschiedliche Eigenschaften

Ethanol (Äthylalkohol, Weingeist, Formel C2H5OH) ist in vielen Lebensmitteln natürlicherweise vorhanden, etwa in reifen Früchten und Fruchtsäften. Es gilt als der am besten verträgliche und ungiftigste Alkohol. So ist die Gewebeverträglichkeit von 80 % Ethanol signifikant besser als die von 60 % Isopropanol. Auch die inhalative Toxizität ist weitaus geringer als die der beiden Propanole.

Obwohl bei richtiger Anwendung für keinen der Alkohole Intoxikationen durch Inhalation beschrieben sind, sollten bei Anwendung auf irritierter bzw. besonders empfindlicher Haut, bei inhalativem Expositionsrisiko und besonders empfindlichen Patienten (Neugeborene, Patienten mit Atemwegserkrankungen) ethanolbasierte Präparate bevorzugt werden.

Ethanol wirkt ab etwa 10 % mikrobiostatisch und über 30 % mikrobiozid. Die optimale Konzentration gegen Bakterien liegt zwischen 70 und 80 %. Behüllte Viren werden zwar konzentrationsabhängig von allen Alkoholen erfasst, Ethanol ist jedoch insbesondere gegenüber unbehüllten Viren wirksamer als die Propanole. Zur Inaktivierung unbehüllter Viren ist in der Regel eine hohe Ethanolkonzentration (> 80 %) oder die Verbindung mit synergistischen Kombinationspartnern erforderlich. Absolutes Ethanol (nahezu 100 %) ist dagegen weder gegen Bakterien noch gegen Viren wirksam, da zur Vermittlung seiner Wirksamkeit eine bestimmte Wassermenge erforderlich ist. Auf der Haut wirken hochprozentige Ethanollösungen jedoch besser als zu erwarten, da die Hände immer eine gewisse Feuchtigkeit aufweisen.

N-Propanol (1-Propanol, n-Propylalkohol, C3H7OH) entsteht auf natürlichem Weg als Nebenprodukt der alkoholischen Gärung und ist Teil der sogenannten Fuselöle. Es ist bei gleicher Konzentration der im Vergleich zu Ethanol und Isopropanol am stärksten antibakteriell wirksame Alkohol. Die mikrobiozide Wirkung beginnt bei einer Konzentration von 13 %. Der optimale Wirkbereich gegen Bakterien liegt zwischen 50 und 60 %. Von allen Alkoholen besitzt n-Propanol die beste Wirksamkeit gegenüber (murinen) Noroviren – bereits 50 %ige Lösungen erzielen die geforderte Reduktion von 4 lg. n-Propanol wird in einer Konzentration von 60 % (Volumenprozent) als Referenzsubstanz bei der Wirksamkeitsprüfung alkoholischer Mittel zur chirurgischen Händedesinfektion eingesetzt.

Isopropanol (2-Propanol, Isopropylalkohol, Propan-2-ol) besitzt die gleiche Summenformel wie n-Propanol, die Kohlenstoffatome sind jedoch nicht in einer Kette, sondern kreuzförmig um ein zentrales Kohlenstoffatom angeordnet. Hierdurch ergeben sich im Vergleich zum n-Propanol abweichende Eigenschaften. Die mikrobiozide Wirkung beginnt bei einer Konzentration über 30 %, der optimale Wirkbereich liegt zwischen 60 und 85 % für Bakterien. Gegen murine Noroviren wirkt Isopropanol erst in hohen Konzentrationen ab 80 %, 90 %ige Lösungen zeigen allerdings keine ausreichende Wirksamkeit. Auch Isopropanol wird in einer Konzentration von 60 % als Referenzsubstanz für die Wirksamkeitsprüfung von Mitteln zur hygienischen Händedesinfektion eingesetzt. Die Exposition aus der Nahrung ist zu vernachlässigen, Isopropanol ist jedoch in vielen Haushaltschemikalien enthalten. Eine wesentliche Expositionsquelle dürften Enteiser-Sprays und Waschzusätze sein, die hohe Mengen an Isopropanol enthalten.

Kombinationspartner der Alkohole

Mitunter werden alkoholbasierten Formulierungen antiseptische Wirkstoffe mit der Zielsetzung einer nachhaltigen Wirkung (Remanenz) zugesetzt, z. B. Chlorhexidin, Octenidin, Polyhexanid, quaternäre Ammoniumverbindungen, 2-Phenylphenol oder Triclosan. Bisher konnte aber weder für die hygienische noch für die chirurgische Händedesinfektion eine verbesserte Wirksamkeit nachgewiesen werden. Durch die häufige Anwendung kann andererseits jedoch wirkstoffabhängig das Risiko von Unverträglichkeiten steigen bzw. sogar eine Resistenzentwicklung induziert werden. Daher sind Händedesinfektionsmittel mit Zusatz antimikrobiell remanent wirksamer Wirkstoffe nach Auffassung des RKI nicht zu empfehlen.

Im Unterschied dazu hat sich gezeigt, dass Zusätze verschiedener Säuren die Wirksamkeit alkoholischer Lösungen insbesondere gegen Viren deutlich steigern können. Am bekanntesten ist die Kombination mit Phosphorsäure, die die virozide Wirksamkeit deutlich verbessert. Auch organische Säuren wie z. B. Zitronensäure erhöhen die Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren. Gegen bakterielle Sporen, Helminthen, Kryptosporidien, Oozysten und Protozoen sind dagegen alle Alkohole und daher auch alkoholische Desinfektionsmittel unwirksam.

In vergleichenden Untersuchungen von Seife gegen etablierte virozid wirksame Händedesinfektionsmittel konnte gezeigt werden, dass diese z. B. bei Noroviren der Seife überlegen sind. Im medizinischen Bereich werden in Deutschland in der Regel nur Händedesinfektionsmittel angewendet, die als Arzneimittel zugelassen sind. Das bietet den Vorteil, dass nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Verträglichkeit des Produkts für den Anwender belegt sein muss.

Werner Enzmann


Quelle:
Robert Koch-Institut, Epid Bull 17/2016



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (10) Seite 66-67