Mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 soll die Allgemeinmedizin an den Universitäten aufgewertet werden. Wenn der Masterplan endlich umgesetzt sein wird, dann wird es auch ein PJ-Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin geben. In der Folge wird die Nachfrage nach PJ-Stellen deutlich ansteigen, aber ist die allgemeinmedizinische Lehre an den Universitäten darauf vorbereitet?

Wo stehen die Hausärzt:innen eigentlich in der universitären Lehre? Diese Frage treibt auch Dr. Fabian Dupont, MHPE, den wissenschaftlichen Leiter des Projekts Lehrentwicklung am Zentrum Allgemeinmedizin der Universität des Saarlandes, um. Er geht davon aus, dass im Zuge der Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 in Deutschland circa 10.000 PJ-Stellen pro Jahr in der Allgemeinmedizin bereitgestellt werden müssen. Dem gegenüber stehen rund 20.000 kassenärztlich tätige Allgemeinmedizinpraxen, von denen aber noch längst nicht alle als PJ-Praxen registriert sind. Dupont geht daher davon aus, dass es zu einer deutlichen Veränderung des Lehralltages kommen wird. Erschwerend komme noch hinzu, dass im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie die Lehre im Fach der Allgemeinmedizin überdacht werden müsse.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Am Zentrum Allgemeinmedizin in Homburg/Saar geht man einen ganz neuen Weg, um Studierende auf die Allgemeinmedizin vorzubereiten. Als erstes Institut konnte man eine Lehr-Forschungskooperation mit Amboss eingehen. Separat dazu wurde eine weitere Forschungskooperation mit dem Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) abgeschlossen. Das neuartige kompetenzorientierte Blended-learning-Konzept habe man gezielt so entworfen, um auch den Interessen und Wünschen der Studierenden in der aktuellen Pandemie Sorge zu tragen, so Prof. Dr. Johannes Jäger, MME, Leiter des Zentrums Allgemeinmedizin. Die Studierenden hätten deutlich gesagt, dass die Lehre gerade in der aktuellen Zeit neu strukturiert werden müsse. In Homburg arbeite man daher schon länger an einem Konzept, um die Inhalte aus der Praxis näher an die Studierenden zu bringen. Denn: Allgemein-
ärzt:innen arbeiten seit jeher bereits kompetenzorientiert. Dieses neue Modewort wird zwar von vielen Bereichen derzeit verwendet, träfe allerdings insbesondere auf die Hausärzt:innen zu, meint Jäger.

Kompetenzorientiertes Arbeiten in der Hausarztpraxis

Was machen Hausärzt:innen, wenn sie mit einem bestimmten Beschwerdebild konfrontiert werden? Sie wählen aus den zur Verfügung stehenden Methoden aus, um Daten zu generieren, die eine Hypothese stärken oder schwächen. Sie schließen standardisiert vermeidbar schlimme Verläufe soweit möglich aus und wenden dann Therapiekonzepte an, die sie aufgrund bestimmter Informationen (Stimuli) auswählen. Dabei zählt nicht das einzelne Wissen, sondern primär der Endpunkt oder das Outcome für den Patienten. Am Zentrum Allgemeinmedizin in Homburg hat man sich daher gefragt, warum man diese Art zu arbeiten dann nicht auch in das Zentrum der Lehre rücken sollte. Vor allem, wenn sich die Studierenden das tatsächlich so wünschen.

Berufsanfänger:innen tun sich oft schwer

So würden PJler und Berufsbeginner:innen oft unisono beklagen, dass sie sich trotz ihres immensen Wissens aus dem Studium häufig schwertun, in der Praxis oder im Krankenhaus eigenständige Pläne zu erstellen, denen sie dann auch selbst vertrauen können. Diese Konzepterstellung und das eigenständige Arbeiten müssen deshalb schon im Studium eingeübt werden. Wenn dieses Ziel mit der Wissensvermittlung von wichtigen allgemeinmedizinischen Krankheitsbildern verknüpft werden kann, könne man Studierende auf ihr Staatsexamen vorbereiten und sie gleichzeitig fitter für ihre Praxiszeit machen. All das mit der Hoffnung, dass Studierende leichter in den Praxisalltag integriert werden und sich so schneller als Teil eines funktionierenden Teams sehen. Denn nur so funktioniere Motivation und nur so "können wir junge Kolleg:innen für unser großartiges Fach begeistern", glaubt Prof. Jäger.

Die Lehrinhalte werden in Homburg über Lernkarten, Allgemeinmedizin-Podcasts, Lehrvideos und Präsenzsimulationseinheiten vermittelt. Gleichzeitig arbeiten zwei Doktorandinnen an der Frage, wie sich Verhalten und Motivation der Studierenden durch das neu geschaffene Lehrangebot verändern. Erste Ergebnisse werden nach Abschluss des Wintersemesters 2020/2021 erwartet. Gerne werden wir dann in doctors today über die neuen Erkenntnisse berichten.

Dr. Fabian Dupont, MHPE/Dr. Ingolf Dürr


Erschienen in: doctors|today, 2020; 1 (1) Seite 32-33