Der Klimawandel gilt gemeinhin als die größte Herausforderung unserer Zeit. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sieht darin auch eine Gefahr für die Gesundheit. In einem Positionspapier gibt die Fachgesellschaft nun Handlungsempfehlungen, wie Hausärzte mehr für den Klimaschutz tun können.

Im internationalen Abkommen von Paris einigten sich 2015 alle Staaten der Welt völkerrechtlich verbindlich auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C. Der Weltklimarat stellte fest, dass die negativen gesundheitlichen Folgen bei der Erwärmung über 1,5°C deutlich steigen. Mit den aktuell in Deutschland angestrebten Klimazielen, u. a. der Klimaneutralität bis 2050, sei ein Überschreiten der globalen Erderwärmung von 1,5°C jedoch wahrscheinlich, befürchtet die DEGAM.

Aktiver Beitrag zum Klimaschutz

Gerade Hausärzte in der Primärversorgung würden die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels besonders früh bemerken, sei es durch Belastungen in Hitzewellen, längere Allergiesaisons, veränderte Muster von Infektionserkrankungen oder die Folgen klimabedingter Migration. Daher setzt die DEGAM sich für eine Klimaneutralität bis spätestens 2035 ein und möchte durch Aufklärung und Wissensvermittlung sowie Erarbeitung von Handlungsempfehlungen aktiv zum Klimaschutz sowie zum präventiven Gesundheitsschutz beitragen.

Bereits jetzt gebe es in Deutschland sichtbare Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit, so die DEGAM. Hierzu zählten vermehrte Krankheits- und Todesfälle durch häufigere, länger andauernde und extremere Hitzeperioden und andere Extremwetterereignisse sowie potenziell veränderte Ausbreitungsmuster vektorassoziierter Erkrankungen und die Verlängerung der Pollensaison. Auch die mit Treibhausgasemissionen häufig einhergehenden Luftschadstoffe stellten vermeidbare Gesundheitsrisiken dar.

Klimafreundliche Lebensstile führten nicht nur zu einer deutlichen Reduktion der Treibhausgase, sondern auch zu einer Reduktion der Morbidität und Mortalität, behauptet die Fachgesellschaft. Insbesondere in den Bereichen Ernährung und Mobilität könnten kardiovaskuläre Risikofaktoren sowie Risiken für bestimmte Krebserkrankungen und Depressionen vermindert werden. Beispiele hierfür seien das Ersetzen tierischer Fettsäuren durch pflanzliche Fettsäuren oder die Integration körperlicher Bewegung in den Alltag, beispielsweise durch Nutzung aktiver Fortbewegungsweisen, wie Fuß- und Radverkehr oder ÖPNV.

Fünf Handlungsfelder für Hausärzte

Da der Gesundheitssektor selbst für etwa 5–6 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich sei, müsse auch hier das Ziel des Handelns die Klimaneutralität des Gesundheitswesens bis spätestens 2035 sein, fordert die DEGAM. Dafür hat sie Handlungsempfehlungen für Hausärzte erarbeitet, wie diese aktiv zum Klimaschutz beitragen können – in der Patientenversorgung und dem eigenen Praxisbetrieb. Diese lauten wie folgt:
  1. Wissenserwerb in Aus-, Fort- und Weiterbildung: Hausärzte seien aktuell nur ungenügend auf geänderte Beratungs- und Behandlungsanlässe in Hausarztpraxen vorbereitet, heißt es. Die DEGAM sieht daher eine wichtige Aufgabe in der Wissensvermittlung bezüglich der Zusammenhänge von Klimawandel/-schutz und Gesundheit sowie den Auswirkungen auf die Primärversorgung in Deutschland.
  2. Gesundheitsschutz: Im Rahmen des Klimawandels komme es zunehmend zu Extremwetterereignissen und neuen oder in veränderten Mustern auftretenden Infektionserkrankungen. Besonders gefährdete Patientengruppen (z. B. geriatrische Patienten, Patienten mit Atemwegs- und Kreislauferkrankungen, Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder und psychisch Kranke) müssten identifiziert und die patientenbezogene Versorgungsqualität in Bezug auf klimafolgenbedingte Erkrankungen verbessert werden.
  3. Präventionsberatung: Hausarztpraxen können Beratungsanlässe nutzen, um hinsichtlich eines gesunden Lebensstils und einer gleichzeitigen Reduktion von Treibhausgasen zu beraten, zum Beispiel im Bereich Mobilität und Ernährung.
  4. Grüner Gesundheitssektor: Für die primärärztliche Versorgungsebene müssten Konzepte für ein nachhaltiges und resilientes Gesundheitswesen erarbeitet werden. Hier stehe an erster Stelle die Stärkung dezentraler Versorgungsstrukturen, auch im Sinne ressourcenschonender Hausarztpraxen.
  5. Advocacy: Hausärzte könnten in ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Funktion Einfluss auf die politischen Prozesse zu Klimaschutz und -anpassung nehmen und dabei insbesondere auf deren dringende gesundheitliche Notwendigkeit hinweisen. So könnten Hausärzte als Mitglieder ärztlicher Versorgungswerke darauf hinwirken, deren Beteiligungen an treibhausgasintensiven Anlagen zu beenden und eine Reinvestition z. B. in erneuerbare Energieträger zu erreichen, schlägt die DEGAM vor.

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit

Die DEGAM setzt sich im Rahmen dieser Handlungsfelder auch für eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, den Kommunen und Pflegediensten ein, um beispielsweise an der Erarbeitung von Hitzeaktionsplänen oder Frühwarnsystemen mitzuwirken und gemeinsam auf ein nachhaltiges und resilientes Gesundheitswesen hinzuwirken.

Fürwahr, das sind hehre Ziele, die sich die DEGAM da gesetzt hat. Einige davon, wie die Präventionsberatung und der Gesundheitsschutz, lassen sich in den Hausarztpraxen womöglich jetzt schon umsetzen. Bei anderen wird man noch dicke Bretter bohren müssen.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (17) Seite 32-34