Alle reden nur noch von Corona, Impfstoffen oder Lockdowns diverser Art. Völlig aus dem Blick geraten ist dabei ein Thema, das bis zum Frühjahr die Gazetten beherrscht hat. Die Rede ist vom Klimawandel und dessen Folgen. Daran hat nun dankenswerterweise die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in einem Positionspapier erinnert.

Bedrohung für die Gesundheit

Für die DEGAM ist trotz der Corona-Pandemie der Klimawandel weiter die größte Bedrohung für die globale Gesundheit. Denn dieser führt zu vermehrten Krankheits- und Todesfällen durch häufigere, extreme und länger andauernde Hitzeperioden. Dies wiederum führt zu einer Verschlechterung akuter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer Zunahme von Herzinfarkten. Wärmere Temperaturen verlängern zudem die Dauer des Pollenflugs, was wiederum die weitere Verbreitung von Asthma und allergischen Reaktionen zur Folge hat.

Durch die Folgen der Migration und weltweite Mobilität kommen aber auch neue Erkrankungen hinzu. Tigermücken, die ursprünglich in Afrika und Asien heimisch waren, sind aufgrund des klimatischen Wandels in Südeuropa sesshaft geworden – und befinden sich derzeit auf dem Sprung nach Süddeutschland. Ihr Stich kann das Dengue-, Chikungunya-, West-Nile- und Zika-Virus übertragen. Diese Viren zählen zu den neuen Erregern für eine Entzündung der Aderhaut im Auge, die sogar zu schweren Netzhaut-Infektionen mit dauerhaftem Verlust der Sehfunktion führen kann.

Wenig bekannt ist zudem, dass allein der Gesundheitssektor für 5 bis 6 % der Treibhausemissionen in Deutschland verantwortlich ist und somit "zur Verschärfung der Klima-krise" beiträgt, schreibt die AG Klimawandel und Gesundheit bei der DEGAM den Ärzten ins Stammbuch. Somit wird es höchste Zeit, dass der Klimawandel endlich eines der Schwerpunktthemen auf dem Deutschen Ärztetag 2021 ist. Ein Ziel dort muss es sein, die Klimafolgen für die menschliche Gesundheit weit intensiver in der Aus- und Fortbildung aller Gesundheitsberufe zu verankern, als dies derzeit der Fall ist.

Neue Aufgaben für Hausärzte

Doch was kann ein Hausarzt bereits heute tun, in der Praxis mehr auf den Klimaschutz zu achten?
  • Risikopatienten identifizieren: Extremwetterlagen können besonders geriatrische, psychisch kranke oder Atemwegs-Patienten gefährden, aus denen neue und in veränderten Mustern auftretende Infektionserkrankungen entstehen. Hierzu bedarf es angepasster Behandlungsstrategien.
  • Präventionsberatung: Hierzu sollten künftig auch neue Beratungsmuster zählen, wie gefährdete Patienten etwa im Bereich der Ernährung und Mobilität ihre individuelle Treibhausbilanz verbessern und dabei auch sich selbst besser schützen können.
  • Advocacy: Hausärzte sollten hier auch stärker ihrer politischen Verantwortung gerecht werden, indem sie ihren Einfluss auf politische Entscheidungen zum Klimaschutz hörbar geltend machen.

Der Mehraufwand hierfür wird sich auszahlen, ist die DEGAM zu Recht überzeugt. 8.000 zusätzliche Todesfälle sind im Jahr 2018 mit Extremwetterlagen assoziiert worden, stellt die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) fest. Auch daran sieht man, dass die sich anbahnende Klimakatastrophe sich nicht vor der Corona-Pandemie zu verstecken braucht,

mein Ihr
Raimund Schmid



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (18) Seite 28