Die Augenoberfläche, aber auch die Hornhaut und Linse sowie die Netzhaut sind in besonderem Maße direkt den Klimabedingungen – insbesondere den Sonnenstrahlen – ausgesetzt. Als Folge des Klimawandels treten in Deutschland mehr bekannte, aber auch neue entzündliche Augenerkrankungen auf, die unbehandelt Sehschäden bis hin zur Erblindung verursachen können. Eine neue Herausforderung auch für Hausärzt:innen.

Brennpunkt Klima
Arztpraxen sind zwar geeignete, bislang jedoch auf breiter Ebene kaum genutzte Anlaufstellen für die Förderung des klimabedingten Gesundheitsschutzes. Doch wie können Hausärzt:innen ihrer Multiplikatorenfunktion gerecht werden und dies in praktisches Handeln überführen? In einer 12-teiligen Serie greift doctors today diese und andere Fragen auf und liefert hierzu Fakten, Orientierung und praxisnahes Handlungswissen.

Die Auswirkungen von UV-Licht und hohen Temperaturen auf die Entstehung von Katarakt, Lidtumoren, Pterygium oder auch der klimatischen Tropfenkeratopathie sind schon länger bekannt. Darüber hinaus gewinnt aber auch der Einfluss des Klimas auf andere ophthalmologische Volkskrankheiten wie das Syndrom des trockenen Auges, die Makuladegeneration und das Glaukom an Bedeutung.

UV-Licht und trockene Luft belasten die Augen

Die erhöhte UV-Strahlung wird vor allem im vorderen Augenabschnitt absorbiert und kann dort Neoplasien auslösen. Chronische Sonnenlichtexposition ist einer der Hauptauslöser von Plattenepithelkarzinomen der Lider und der Bindehaut. Eine zunehmende UV-Exposition führt außerdem zu einer höheren Inzidenz des Pterygiums und auch von konjunktivalen Melanomen. Die hochenergetische, kurzweilige UV-B-Strahlung gelangt teilweise auch in die Linse und wirkt hier kataraktogen.

Gleichzeitig kann eine steigende Lufttemperatur und zunehmende Trockenheit oder Feinstaub zu vermehrtem Auftreten des Trockenen Auges (Sicca-Syndrom) und allergischen Bindehautreaktionen führen. Erhöhte Feinstaubbelastungen sind nicht nur mit Erkrankungen der Augenoberfläche, sondern auch mit Gefäßverschlüssen, Glaukom, Katarakt oder Makuladegeneration assoziiert. Als Grund hierfür wird zumeist der oxidative Stress angeführt, der zu neurotoxischen, mikrovaskulären und entzündlichen Veränderungen führt.

Der Klimawandel bringt neue Krankheitserreger zu uns

Hinzu kommt: "Weltweite Mobilität und Klimawandel werden das Spektrum der infektiösen Augenerkrankungen vermutlich noch weiter verändern", befürchtet Prof. Hans Hoerauf von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Tigermücken, die ursprünglich in Afrika und Asien heimisch waren, verbreiten sich nun auch in Süddeutschland. Ihr Stich kann das Dengue-, Chikungungya-, West-Nil- und Zika-Virus übertragen. Diese Viren zählen zu den neuen Erregern für eine Entzündung der Aderhaut im Auge. Besonders gefährdet sind vor allem Reiserückkehrer und Menschen mit Migrationshintergrund.

Was Hausärzt:innen tun können

Für die Vorsorgearbeit von Allgemeinärzt:innen im Praxisalltag hat Prof. Ludwig M. Heindl vom Zentrum für Augenheilkunde am Uniklinikum Köln und Mitglied des UV-Schutzbündnisses (einer Initiative von 28 Institutionen zur Prävention von UV-bedingten Erkrankungen) eine Reihe von Empfehlungen zusammengestellt:

Auf den UV-Index achten

Unbedingt stets den UV-Index im Auge behalten! Der UV-Index beschreibt den am Boden erwarteten Tagesspitzenwert der sonnenbrandwirksamen UV-Strahlung auf einer Skala von 1 bis 11. Der tagesaktuelle UV-Index lässt sich online beim Deutschen Wetterdienst einsehen: www.dwd.de/DE/leistungen/gefahrenindizesuvi/gefahrenindexuvi.html. Die Vorhersage teilt zugleich das gesundheitliche Risiko in fünf Gefahrenbereiche von "gering" bis "extrem" ein. In Deutschland werden im Sommer Werte von 8 bis 9 erreicht.

Pralle Sonne in jedem Fall meiden

Bereits ab UV-Index 3 sollte Patient:innen geraten werden, Sonnenschutzmaßnahmen zu ergreifen. Konkret bedeutet das: Sonnenschutzmittel mit ausreichendem Lichtschutzfaktor verwenden, Kopfbedeckung und Sonnenbrille tragen. Ab UV-Index 8 wird zusätzlich Sonnencreme auch unter der Kleidung empfohlen.

Brille mit Mindest-Filterkategorie 3

Sonnenbrillen mit CE-Zertifizierung garantieren wirksamen UV-Schutz. Hausärzt:innen sollten aber dazu raten, prioritär UV-abweisende Brillen mit der Aufschrift "UV400" oder "100 Prozent UV-Schutz" zu tragen. Diese sorgen dafür, dass alle UV-Strahlen bis zu einer Wellenlänge von 400 Nanometern herausgefiltert werden. Unterschätzt wird von vielen auch die Bedeutung des Blendungsfilters. Er reicht von Kategorie 1 bis 4 und gibt an, wie viel Prozent an Sonnenstrahlung absorbiert wird. Kategorie 1 taugt lediglich für bewölkte Tage. Bei starker Sonnenexposition, am Meer oder insbesondere in den Bergen ist zur Schutzkategorie 3 zu raten (siehe Infokasten).

Mit drei Vorurteilen, mit denen Allgemeinärzt:innen von Patientenseite immer wieder konfrontiert werden, sollte laut DOG aufgeräumt werden:

  • Große Brillen mit sehr breiten Brillenrändern bieten tatsächlich einen besseren Schutz vor der Sonne. Oftmals stoßen solche Brillen aber auf Ablehnung, weil sie gewöhnungsbedürftig sind und nicht jedem stehen.
  • Auch wenn es bewölkt ist, sind die Augen nicht – wie häufig vermutet – ausreichend geschützt. Denn die Sonnenstrahlen können auch durch die Wolken dringen.
  • Kontaktlinsen mit UV-Schutz bieten keinen ausreichenden UV-Schutz für die Augenlider und die Bindehaut. Deshalb sollten Ärzt:innen dazu raten, zusätzlich eine gute Sonnenbrille zu tragen.

Fazit

Laut Prognosen werden Hitzeperioden in unseren Breiten immer häufiger vorkommen und immer intensiver werden. Unsere Augen werden daher noch größeren Gefährdungen ausgesetzt sein. Für Allgemein- und Augenärzt:innen bedeutet das eine neue Herausforderung in der täglichen Präventions- und Praxisarbeit. Und mit der Prävention sollte besser früh begonnen werden. Wenn nichts oder – wie bisher – zu wenig geschieht, können diese Versäumnisse schnell ins Auge gehen.

Wasser und Schnee – deutlich höherer UV-Index
Spiegelnde Oberflächen wie Wasser, Sand und Schnee reflektieren das ultraviolette Licht und erhöhen den UV-Index erheblich. So steigert Wasser den UV-Wert um bis zu 10 %, Sand am Meer um etwa 15 %, Meeresschaum um 25 %. Bei Schnee schnellt der UV-Gesamtwert sogar um rund 50 % nach oben. Da die UV-Strahlung zudem alle 1.000 Höhenmeter um ca. 10 % zunimmt, sind die Augen im Hochgebirge oder auf Gletschern besonders gefährdet. Aufgrund der starken Blendung sollte man dort Sonnenbrillen mit Filterkategorie 4 tragen, die bis zu 97 % des Lichts absorbieren, rät die DOG. Damit könne man gut der Photokeratitis (Schneeblindheit) vorbeugen und so die zwar nur kurz auftretende, aber sehr schmerzhafte Verbrennung der Hornhaut verhindern. (ras)

Literatur beim Verfasser


Autor

Raimund Schmid


Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (9) Seite 28-29