Spätestens die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass unser Gesundheitswesen digitaler werden muss. Bei einer virtuellen Veranstaltung des Unternehmens Kry diskutierten Gesundheitsexpert:innen von vier Bundestagsparteien, was nach der Wahl weiter passieren muss bei der Digitalisierung.

In einer aktuellen Bitkom-Umfrage meinen 75 % der Teilnehmenden, dass digitale Technologien wie das eRezept, die ePA oder Telemedizin-Apps unser System krisenfester machen können. Zugleich schätzen 70 %, dass Deutschland anderen Ländern in Sachen Digitalisierung hinterherhinkt. Anlass genug, einen Blick auf die weitere Entwicklung der Digitalisierung zu werfen und darauf, was gesundheitspolitisch versierte Vertreter:innen der politischen Parteien aus ihrer eigenen praktischen Erfahrung mit den bisherigen Digitalisierungsschritten dazu sagen.

Oft hapert es schon beim Internetzugang

Insbesondere die Videosprechstunde habe in der Pandemiezeit einen großen Schub erfahren, konstatierte Dr. Andreas Philippi von der SPD. Er ist niedergelassener Chirurg an einem MVZ in Herzberg. Tatsächlich spare die Videosprechstunde Ressourcen und man gewinne mehr Zeit für die Patient:innen. Allerdings hapere es vor allem auf dem Land oft noch an einer guten und schnellen Internetverbindung. Da gebe es für die Politik noch einiges zu tun, so Philippi.

Dass bei der Digitalisierung noch vieles im Argen liege, bestätigte auch Johannes Wagner, angehender Kinderarzt in Coburg, der für die GRÜNEN zur Bundestagswahl antrat. Nach wie vor sei zu wenig digitale Infrastruktur vorhanden, um schnell und sicher an relevante Gesundheitsdaten von Patient:innen zu kommen.

Ärzt:innen sind keine IT-Spezialist:innen

Die Hausärztin Dr. Silke Müller von der FDP sieht das Problem der langsamen Digitalisierung nicht nur aufseiten der Politik. Auch die Ärzteschaft stehe da oft noch auf der Bremse und sei nicht unbedingt bereit, die neuen technischen Wege zu gehen. Viel zu oft würden in den Arztpraxen noch Akten abgeheftet. Dass viele Ärzt:innen der Digitalisierung mit Skepsis begegnen, liege aber auch daran, dass es an Motivation mangele und es keinen erkennbaren finanziellen Benefit gebe. Und letztlich seien Ärzt:innen ja auch keine IT-Spezialist:innen und wollen dies auch gar nicht sein. Ihre eigenen Erfahrungen mit der Digitalisierung seien aber sehr positiv. Als Beispiel nennt Müller die Online-Terminvergabe, die ihr gerade in der Pandemiezeit sehr geholfen habe, die Praxis am Laufen zu halten. Eine weitere Erkenntnis: Man brauche auf jeden Fall eine gute Software-Unterstützung durch die Anbieter solcher digitaler Tools, so Müller.

Bei der elektronischen Patientenakte (ePA) seien leider viele Ärzt:innen nicht mitgenommen worden und fühlten sich jetzt von der Politik etwas überfahren, kritisiert Johannes Wagner. Vielen erscheint die Technik zu kompliziert und sie machten sich Sorgen wegen der Daten- und IT-Sicherheit. Bei den Niedergelassenen herrsche derzeit noch eine große Frustration vor: Sie sähen nur mehr Arbeit und eine komplizierte Technik und fehlende finanzielle Anreize. Hier müsse die Politik noch nachlegen und für mehr Unterstützung sorgen.

Benefit muss für Ärzt:innen klar erkennbar sein

Dr. Philippi wünscht sich hier eine nationale Strategie für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dazu gehöre auch eine Verbesserung der Telematik-Infrastruktur und mehr Rechtssicherheit. Für die Ärzt:innen müsse der Benefit klar erkennbar sein. Die technische Ausstattung der Praxen müsse gefördert und finanzielle Anreize geschaffen werden, um Daten auszutauschen. Außerdem dürfe man nicht vergessen, auch die Patient:innen mitzunehmen. Hier plädiert er für eine Aufklärungskampagne, die auch vermitteln sollte, warum es wichtig ist, Patientendaten zu sammeln.

Den Ärzt:innen müsse noch besser vermittelt werden, dass die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag dazu leisten könne, Bürokratie abzubauen. Statt Zwang wäre hier mehr Aufklärung wünschenswert. Für die Zukunft erhoffen sich die Podiumsteilnehmer:innen, dass der ambulante und stationäre Sektor besser miteinander vernetzt werden.



Autor
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (11) Seite 28-29