2021 kommt sie: die elektronische Patientenakte (ePA). So steht es im Koalitionsvertrag. Doch das Zeitfenster für deren Einführung ist eng, betrachtet man vor allem die derzeitigen Probleme beim Datenschutz, die sowohl Krankenkassen als auch Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) umtreiben. Dies zeigte eine Diskussion mit Gesundheitspolitikern beim Hauptstadtkongress 2019.

Alle medizinischen Daten auf einen Blick – vom Röntgenbild bis zum Blutwert –, sämtliche Diagnosen, Behandlungsberichte und Impfungen: Diese Informationen soll der Patient auf der neuen Karte speichern können. Bis spätestens 2021 müssen die Kassen ihren Versicherten die ePA anbieten (elektronische Gesundheitsakten gibt es heute schon von fast allen Krankenkassen). Die Apotheken (bis März 2020) und die Krankenhäuser (bis März 2021) hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zudem dazu verpflichtet, sich an die Telematik-Infrastruktur anzuschließen.

Wie sicher sind die Patientendaten?

Die ePA ist ein Mammutprojekt, das im E-Health-Gesetz von 2015 gesetzlich festgeschrieben wurde. Immer wieder hagelt es Kritik an der neuen Akte, vor allem hinsichtlich der Datenschutz-Bestimmungen. Beim diesjährigen Hauptstadtkongress bestätigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die jüngsten kritischen Töne der Medien an dem Projekt: Ab 2021 könne man noch nicht für jeden Arzt individuell festlegen, welche Inhalte der Patientenakte zur Ansicht freigegeben sind. Zum Start der Karte ist es demnach technisch nicht möglich, dass der Patient selber entscheidet, welche Informationen der Akte für welchen Arzt, Apotheker oder Therapeuten einsehbar sind. Spahn blieb dennoch dabei, dass die Entscheidungshoheit beim Patient en liege, "welcher Arzt Einblick in seine Patientenakte" hätte.

Frank Michalak, Vorstand der AOK Nordost, sorgt sich hier um das Vertrauen des Versicherten in die Akte: "Der Patient muss Herr seiner Daten bleiben." Dass er bislang nicht selbst bestimmen könne, welche Informationen er freigibt, und stattdessen die ganze Akte für alle einsehbar sei, sieht er "sehr, sehr kritisch". Auch kritisierte er die Schnelligkeit bei der Einführung: "Die Zeitschiene ist sehr herausfordernd."

Wer ist der Herr der Daten?

Dr. Gottfried Ludewig leitet seit 2018 die Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium und betonte: "Der Patient bleibt zu 100 % Herr seiner Daten." Die Entscheidung liege bei ihm, welches Dokument er in die Akte stellt und ob überhaupt. Er könne jedes Dokument auch jederzeit wieder löschen. Und er entscheide auch: Welchen Arzt lasse ich in meine Akte schauen, welchen nicht. Was er jedoch in der ersten Stufe und zum Start der neuen Akte aus technischen Gründen noch nicht könne: das einzelne Dokument für Arzt A, B oder C individuell zur Einsicht auswählen.

Hier blickte Ludewig kurz nach Österreich: 93 % der Patienten würden dort schon eine solche Akte nutzen – seit 2014 wurde diese schrittweise eingeführt. Interessant sei: 99,9 % der Dokumente in der elek-
tronischen Gesundheitsakte hätten die österreichischen Patienten für alle Ärzte freigegeben.

Arbeitsteilung festgelegt

Für Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hatte die ePA ihren großen Durchbruch vor zwei Jahren – mit dem Letter of Intent: Unter Moderation des BMG einigten sich alle Beteiligten – der GKV-Spitzenverband, die KBV, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte gematik – auf eine Arbeitsteilung bei der Patientenakte. Die Vorgaben für Technik und Sicherheit regele weiter die "vielgescholtene" gematik, so Kriedel. Der GKV-Spitzenverband und die Kassen kümmern sich um Struktur und kassenspezifische Informationen. Welche Daten – neben den medizinischen – zusätzlich in der Patientenakte vorgesehen sind, steht hier weiterhin zur Debatte. Pro-
bleme machten hauptsächlich die medizinischen Daten, weil die Dateninformationen derzeit noch nicht standardisiert seien, so Kriedel.

Für die Lösung dieses Problems ist die KBV zuständig – seit einem Änderungsantrag zum Terminservice- und Versorgungsgesetz, das im Mai 2019 in Kraft trat. Damit wurde der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Verantwortung für die sog. semantische und syntaktische Interoperabilität der ePA übertragen, bei der es um die Festlegung von Standards und Formaten geht, aber auch um das bestmögliche gemeinsame Verständnis der Inhalte für alle.

Diese Entscheidung sorgte seitens der IT-Branche für Kritik. Dass die KBV als Experte für die Patientenversorgung die Standards für die elektronische Patientenakte festlegen soll, sei laut Kriedel jedoch nur folgerichtig: Etwa 95 % aller Behandlungsfälle werden im niedergelassenen Bereich abgerechnet. "Wir sind mit Hochdruck dran", erklärte er. Doch mit allen beteiligten Akteuren einen Konsens zu erzielen, bleibe eben schwierig.



Autor:
Angela Monecke

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (14) Seite 28-29