Ein ausreichender und erholsamer Schlaf ist ein wichtiger Faktor für subjektives Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Ein gestörter Schlaf und seine Folgen belasten gerade im höheren Lebensalter nicht nur den Betroffenen, sondern auch Familien und Betreuungspersonen. Gerade im Kontext der Multimorbidität, Pflegebedürftigkeit, Heimunterbringung und Demenz stellen Schlafstörungen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Die Grundzüge einer adäquaten Abklärung und Behandlung von Schlafstörungen sollten jedem, der multimorbide alte Menschen betreut, geläufig sein.
Viele ältere Menschen sind mit ihrem Schlafvermögen unzufrieden und fast jeder dritte klagt über einen gestörten Schlaf [1, 2]. Berichtet werden Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen oder Schläfrigkeit am Tage [3]. Diese klinischen Zeichen sind jedoch unspezifisch und müssen durch eine gezielte Anamneseerhebung weiter abgeklärt werden. Die Diagnostik wird oft dadurch erschwert, dass die klinische Präsentation von Krankheiten im höheren Lebensalter durch die Überlagerung mit alterstypischen Veränderungen des Organismus, Umgebungsfaktoren, Multimorbidität und Polypharmazie beeinflusst wird [4, 5].
Bei älteren Menschen haben sich konsentierte Screeningfragen zur Abklärung einer Schlafstörung gerade in der täglichen Praxis als sehr hilfreich erwiesen (Übersicht 1) [6]. Diese Fragen beziehen sich auf die folgenden Kategorien von Schlafstörungen: Insomnie, Parasomnien, schlafbezogene Atemstörungen und Hypersomnie. Anschließend muss ggf. gezielt mithilfe validierter Fragebögen (www.dgsm.de) in dem betroffenen Bereich weiter gesucht werden.
Physiologische Veränderungen im Alter
Der Schlaf zeigt beim gesunden und beschwerdefreien älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren Menschen Veränderungen, die als normal gelten [7]. Zu diesen Veränderungen gehören eine leicht reduzierte Gesamtschlafzeit, eine deutlich reduzierte Schlafeffizienz, eine leicht verlängerte Einschlaflatenz und eine nächtliche Wachzeit nach dem erstmaligen Einschlafen von bis zu zwei Stunden Dauer [7, 8]. Zudem gehen ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren Menschen früher zu Bett und wachen früher auf. Auch schlafen ältere Menschen häufiger am späten Nachmittag oder am frühen Abend [6, 9, 10]. Die Kenntnis der altersphysiologischen Veränderungen des Schlafes ist wichtig, da hierdurch in Beratungsgesprächen eine falsche Erwartungshaltung an das eigene Schlafvermögen korrigiert werden kann [1].
In einer Metaanalyse mit mehr als 3 000 Teilnehmern wurden Normalwerte für den Schlaf über die gesamte menschliche Lebensspanne ermittelt [8]. Die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Studie sind für die älteren Teilnehmer qualitativ in Tabelle 1 aufgeführt. Daraus geht hervor, dass sich die größten Veränderungen zwischen mittelalten und älteren Personen finden.
Insomnie beim alten Menschen
Die ICSD-2-Kriterien für die Diagnose einer Insomnie (Schlaflosigkeit) gelten auch im höheren Lebensalter. Die Patienten berichten über Ein- und/oder Durchschlafstörungen sowie Früherwachen, die an wenigstens drei Nächten in der Woche auftreten und für mindestens einen Monat andauern. Ist zudem die Tagesbefindlichkeit gestört, liegt eine schwere Insomnie vor [11].
Die Häufigkeit einer Insomnie bei alten Menschen wird mit bis zu 50 % angegeben und ist von den verwendeten Selektions- und Diagnosekriterien abhängig [12 – 16]. Im höheren Lebensalter nimmt dabei der Anteil der sekundären Insomnien, also der Insomnien infolge einer anderen Grunderkrankung, deutlich zu [17]. Wesentliche Grunderkrankungen sind die Herzinsuffizienz, die Demenz, die depressive Episode und das Restless-Legs-Syndrom [17].
Für die Abklärung einer Insomnie beim alten Menschen hilft ein strukturiertes Vorgehen [6]. Tabelle 2 zeigt die wichtigsten Fragen.
Ob eine Insomnie behandelt werden muss, hängt auch im höheren Alter von den Symptomen, dem Leidensdruck und den assoziierten Gesundheitsstörungen ab [12]. Ältere Menschen mit Insomnie stürzen häufiger, zeigen häufiger kognitive Probleme, sind in ihrer Leistungsfähigkeit und Selbstversorgungsfähigkeit deutlicher beeinträchtigt und haben eine höhere Mortalität als ältere Menschen ohne Insomnie [12, 18 – 23].
Nach Grunderkrankungen fahnden!
Die Behandlung einer Insomnie orientiert sich an der auslösenden Ursache, wobei gerade bei älteren Menschen die Behandlung der Komorbiditäten im Vordergrund stehen muss [12]. Weiterhin können gerade im höheren Lebensalter mehrere Ursachen für eine Insomnie gleichzeitig vorliegen sowie primäre und sekundäre Insomnien sich überlappen [17]. Die Grundlage der Behandlung einer Insomnie im Alter ist die konsequente Suche nach auslösenden Faktoren und Erkrankungen sowie deren Beseitigung. Neben dem Umsetzen der Empfehlungen der Schlafhygiene müssen insbesondere depressive Episoden und persistierende Schmerzen behandelt werden [24].
Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion sind auch bei alten Menschen hoch effektiv [25 – 27].
Auch eine als "Countercontrol" bekannte Abwandlung der Stimuluskontrolle kann helfen. Die Patienten sollen bei Ein- oder Durchschlafstörungen ihr Bett nicht mehr verlassen, sondern sich bewusst mit anderen Tätigkeiten wie Lesen, Fernsehen, Musikhören beschäftigen, bis sie wieder das Gefühl haben, einschlafen zu können. Countercontrol ist weniger wirksam als Stimuluskontrolle, doch bessern sich Einschlaflatenz und Durchschlafvermögen um 20 bis 30 % [28].
Medikamentöse Therapie
Die am häufigsten verwendeten Präparate zur pharmakologischen Behandlung der Insomnie sind die Benzodiazepine und die Nichtbenzodiazepin-Hypnotika, sogenannte Z-Drugs. Die Indikation zur Pharmakotherapie einer Insomnie sollte im höheren Alter kritisch überdacht werden. Entschließt man sich zu einer solchen Behandlung, muss mit einer niedrigen Dosis begonnen und diese nur langsam gesteigert werden: Start low, go slow. Die Wirksamkeit der Benzodiazepine und Z-Drugs konnte in Studien belegt werden. In einer Metaanalyse ließ sich zeigen, dass die Gesamtschlafzeit zunahm und die Zahl der nächtlichen Aufwachphasen sank, jedoch stiegen auch die unerwünschten Effekte [29]. Die unerwünschten Effekte waren aber abhängig von der Art des verwendeten Präparates, der Dosis und der Dauer der Einnahme [29]. Für andere Präparate wie Antihistaminika, Antidepressiva oder Neuroleptika gibt es keine Evidenz bezüglich der Behandlung der Insomnie im höheren Lebensalter. Auch müssen die anticholinergen Effekte dieser Präparate – Gefahr des Delirs, Beeinträchtigung der Hirnleistung, Verstärkung einer Schlafapnoe – bedacht werden [30, 31, 32].
Besonderheiten im Pflegeheim
Eine besondere Gruppe stellen Heimbewohner dar. Diese alten Menschen werden unter dem Aspekt der Pflegebedürftigkeit selektioniert und zeigen häufig zahlreiche Komorbiditäten. Physische und psychische Morbidität verändern die alterstypischen Merkmale des Nachtschlafs. Die ausgeprägtesten Veränderungen des Schlafes finden sich bei Demenzpatienten. Hier nimmt die Tiefe des Nachtschlafs ab mit der Folge leichterer Erweckbarkeit bei gleichzeitig reduzierter Vigilanz im Tagesverlauf. Damit zeigen demenzkranke Menschen eine aufgehobene Tag-Nacht-Rhythmik, eine reduzierte Schlafeffizienz mit langen Wachphasen in der Nacht und häufigem Tagesschlaf. Bei diesen Patienten sind etablierte Mechanismen in Diagnostik und Therapie nicht mehr möglich. Verständnis, Kooperation sind reduziert. Der gestörte Schlaf kann Sozialverhalten, Funktionalität und Lebensqualität beeinflussen.
Der Schlaf bei Menschen mit Demenz
Viele Menschen mit Demenz-Syndromen zeigen Störungen ihrer Aktivitätsmuster. Die hieraus resultierenden Schlafstörungen belasten den Patienten, aber auch die betreuenden Angehörigen oder Mitpatienten bzw. Mitbewohner in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern [33]. Ursächlich wird eine Störung der Neurone des Ncl. suprachiasmaticus im Rahmen der Demenz diskutiert. Zusätzlich kann auch der Einfluss äußerer Zeitgeber infolge abnehmender Empfindlichkeit reduziert sein. In einer an Demenzkranken durchgeführten Aktimeterstudie zeigten 57 % der Patienten auffällige Verhaltensmuster des Schlafverhaltens. Diese Verhaltensmuster wurden als irregulärer Rhythmus (30,5 %), freilaufender Rhythmus (12,2 %), Hypoaktivität im Tagesverlauf (7,3 %) und ultradianer Rhythmustyp (7,3 %) klassifiziert [34].
Dies bedeutet, dass die Schlafstörungen demenzkranker Menschen Unterschiede zeigen und differenziert betrachtet werden müssen. Auf der Basis der oben gemachten Einteilung können jedoch individuelle Behandlungskonzepte für demenzkranke Menschen versucht werden. Die noch wenigen Daten zeigen auch, dass die Implementierung schlafmedizinischer und chronobiologischer Ansätze bei der Versorgung Demenzkranker hilfreich sein kann, zumal die rein pharmakologische Behandlung von Verhaltensstörungen mit Neuroleptika mit einer Übersterblichkeit assoziiert ist [35, 36, 37].
Einsamkeit, geringe Anregung von außen, fehlende Lichtexposition am Tage und Isolierung fördern bei Heimbewohnern die Destabilisierung des zirkadianen Rhythmus. Dauerhafte Bettlägerigkeit entkoppelt von äußeren Zeitgebern und fördert ein irreguläres Schlaf-Wach-Muster. Fehlende Lichtexposition tagsüber und Bettlägerigkeit sind mit der Verfügbarkeit von Mitarbeitern in der Pflege assoziiert. So fand sich in einer Studie mit niedrigem Pflegeschlüssel eine Bettlägerigkeit am Tage bei 40 % der Bewohner im Vergleich zu 26 % bei ausreichendem Pflegeschlüssel [38]. Untersuchungen zeigen auch, dass weniger mobile Heimbewohner nachts etwa zwölf Stunden im Bett verbringen und zusätzliche zwei Stunden während des Tages. Der typische wenig mobile Heimbewohner verbringt damit lediglich neun Stunden des Tages außerhalb des Bettes. Diese Umgebungsfaktoren sind aber grundsätzlich beeinflussbar. So führt eine Förderung der Aktivität von Bewohnern oder eine ausreichende Lichtexposition gerade am Vormittag zu einer deutlichen Stabilisierung des zirkadianen Rhythmus und mittelbar zu einer Verbesserung des Schlafes.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (15) Seite 58-60