Bei Verdacht auf Tonsillopharyngitis mit Leitsymptom Halsschmerzen sollte man systematisch vorgehen. Das Ziel dabei ist, eine virale von einer bakteriellen Infektion abzugrenzen und potentiell lebensbedrohliche Verläufe wie den Peritonsillarabszess, die Epiglottitis oder den "echten" Krupp bei Diphtherie nicht zu übersehen.

Die Tonsillopharyngitis ist ein häufiger Konsultationsanlass in der hausärztlichen Praxis und macht aufgrund der Vielzahl an möglichen Ursachen umfangreiche differenzialdiagnostische Überlegungen notwendig. Durch systematisches Vorgehen und eine eingehende Anamnese und Untersuchung des Patienten können virale von bakteriellen Ursachen differenziert werden und potenziell lebensbedrohliche Zustände bei bestimmten Erkrankungsformen rechtzeitig erkannt und eine Therapie eingeleitet werden.

Eine Tonsillopharyngitis ist durch eine Entzündung des Waldeyer-Rachenrings gekennzeichnet, während eine Pharyngitis die Entzündung des epithelialen und lymphatischen Gewebes im Epi-, Meso- und Hypopharynx beschreibt. Als häufigstes Symptom werden "Halsschmerzen" genannt, wobei sich der klinische Symptomenkomplex mit fließenden Übergängen zwischen Naso-, Oro-, Tonsillo- und Laryngopharyngitis darstellt.

Ätiologie

Virale Erreger stellen mit 70 – 95 % der Fälle die häufigste Ursache für eine Tonsillopharyngitis dar und sind mit ihren klinischen Symptomen in Tabelle 1 zusammengefasst.

Die zweithäufigste Ursache nach den viralen Erregern und häufigste bakterielle Erreger stellen bei immunkompetenten Kindern (20 – 30 %) und bei Erwachsenen (5 – 15 %) Gruppe-A-Streptokokken (GAS) dar. Andere bakterielle Erreger sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Zu beachten ist die Altersabhängigkeit des Erregerspektrums. Eine GAS-Tonsillopharyngitis kommt bei Kindern vor dem 3. Lebensjahr praktisch nicht vor, diese Kinder können jedoch Träger sein. Weiter ist die saisonale Abhängigkeit auffällig, wobei GAS-Tonsillopharyngitiden bevorzugt im November bis Mai auftreten, während z. B. eine Tonsillopharyngitis durch Enteroviren häufiger im Sommer und Herbst vorkommt. Zu beachten ist die bakterielle Kolonisation des humanen Pharynx mit bis zu 300 verschiedenen Bakterienspezies, wobei das Verhältnis anaerob zu aerob 5 – 10:1 beträgt.

Diagnostik

Ab dem 3. Lebensjahr kann mit Hilfe des McIsaac-Scores der Verdacht auf eine GAS-Tonsillopharyngitis erhärtet bzw. entkräftet werden (Tabelle 3). Ab einem McIsaac-Score von 3 – 5 Punkten ist eine GAS-Tonsillopharyngitis wahrscheinlich, wobei ein GAS-Schnelltest die Diagnose unterstützt und eine mikrobiologische Kultur den Goldstandard (sensitiver als der Schnelltest!) darstellt. Bei Kindern unter dem 3. Lebensjahr ist diese Diagnostik jedoch nicht sinnvoll. Ebenso ist ein Anti-Streptolysin-Titer zur Diagnostik der GAS-Tonsillopharyngitis sinnlos, da die Antikörper nach Exposition monate- und jahrelang persistieren können. Der mikrobiologische Nachweis anderer beta-hämolysierender Streptokokken (Gruppe B, C und G) im Rachenabstrich muss bei einer akuten Tonsillopharyngitis oder bei einem Ausbruch in einer Gemeinschaftseinrichtung ähnlich bewertet werden wie ein GAS-Nachweis.

Ein alleiniger Nachweis eines Bakteriums aus dem Rachenabstrich ist nicht als kausal anzunehmen, da Kommensale beachtet werden müssen. Bei nicht-immunkompetenten oder immunsupprimierten Kindern muss jedoch auch an seltene oder atypische Erreger gedacht werden.

Ein McIsaac-Score von 1 – 2 Punkten macht eine virale Tonsillopharyngitis wahrscheinlich, wobei bei einem günstigen Spontanverlauf keine weitere Diagnostik erforderlich ist und eine symptomatische Therapie ausreicht. Bei fehlender Spontanremission, relevanter Krankheitsschwere oder unilateralem Befund ist eine weitere mikrobiologische Diagnostik erforderlich. Auf eine virale Genese weisen insbesondere eine begleitende Rhinitis, Konjunktivitis, Gastroenteritis und/oder Bronchitis hin. Vorhandensein von Tonsillenexsudat ist kein zuverlässiger Ausschlussparameter für virale Infektionen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen verursachen z. B. Adenoviren häufig eine follikuläre-exsudative Tonsillopharyngitis.

Unbedingt müssen jedoch die Differenzialdia-gnosen beachtet werden. Bei einer unilateralen Tonsillenschwellung und einem Auftreten nach bakterieller Infektion im HNO-Bereich muss an einen Peritonsillarabszess gedacht werden.

Abnormer Speichelfluss, hohes Fieber, inspiratorischer Stridor und fehlende Hämophilus-influenzae-Impfung müssen an eine Epiglottitis denken lassen. Der Allgemeinzustand ist dabei reduziert, Husten fehlt, die Stimme ist kloßig und es bestehen Schluckbeschwerden.

Bellender Husten, Heiserkeit und inspiratorischer Stridor können auf einen meist durch Parainfluenzaviren verursachten Pseudokrupp (Laryngotracheitis) hinweisen. Der Allgemeinzustand ist meist relativ gut, der Krankheitsbeginn langsam und Schluckbeschwerden fehlen.Grau-weiß belegte Tonsillen mit vulnerablen Pseudomembranen, Heiserkeit bis hin zur Aphonie und ein süßlich-fauler Fötor sind für den "echten Krupp" (Diphtherie) verdächtig. Der Allgemeinzustand ist reduziert, Schluckbeschwerden und ein inspiratorischer Stridor sind vorhanden. Seit der Impfung ist diese Erkrankung jedoch in Deutschland selten geworden.

Therapie

Bei allen Patienten ohne Kontraindikation ist eine Therapie mit nicht-steroidalen antiinflammatorischen Medikamenten, wie Ibuprofen oder Paracetamol, zu empfehlen. Bei hochgradigem Verdacht auf eine GAS-Tonsillopharyngitis sollte eine antibiotische Therapie mit Penicillin V (100.000 IE/kg/Tag in drei Einzeldosen per os) oder Phenoxymethylpenicillin-Benzathin (50.000 IE/kg/Tag in zwei Einzeldosen per os) für sieben Tage oder bei Penicillinunverträglichkeit mit Erythromycin-Estolat (40 mg/kg/Tag in drei Einzeldosen per os) oder mit Cephalosporinen der 1. Generation (z. B. Cefadroxil; 50 mg/kg/Tag in zwei Einzeldosen) für fünf Tage erfolgen. Insbesondere die postinfektiösen immunologischen Komplikationen sind nach einer GAS-Infektion zu beachten.

Ist eine virale Tonsillopharyngitis wahrscheinlich, erfolgt zur Symptomlinderung eine symptomatische Therapie mit nicht-steroidalen antiinflammatorischen Medikamenten bei Bedarf dreimal täglich für zwei bis drei Tage. Ein nicht gerechtfertigter Antibiotikaeinsatz ist zu vermeiden.

Wann operieren?

Die Indikation zu einer Adeno-/Tonsillektomie (Abb. 3) erfolgt bei Kindern bis 15 Jahren nach einer strengen Risiko-Nutzen-Abwägung nach den Paradise-Kriterien. Die Indikation kann erwogen werden bei einem schweren Verlauf mit ≥ 7 GAS- oder V.a.-GAS-Pharyngitiden im Vorjahr oder ≥ 5 GAS- oder V.a.-GAS-Pharyngitiden pro Jahr in den letzten beiden Jahren oder bei ≥ 3 GAS- oder V.a.-GAS-Pharyngitiden pro Jahr in den letzten drei Jahren. Als eine GAS-Episode wird eine ärztlich diagnostizierte und mit Antibiotika therapierte eitrige Tonsillitis definiert, wobei eine Tonsillektomie bei weniger als drei Episoden in den letzten zwölf Monaten keine Therapieoption darstellt. Die Zusammenfassung von randomisierten Studien, einer Metaanalyse von Kohortenstudien, einer retrospektiven Erhebung und von Fallserien ergibt, dass in den meisten Fällen eine Tonsillektomie die Lebensqualität der Patienten verbessert. Eine Reduktion der Episodenzahl wird bei schwerem Krankheitsbild beobachtet. Nachblutungen werden in 4,5 % der Fälle beobachtet.


Literatur
1) AWMF-Register 017/024. Leitlinie Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln – Tonsillitis. Klasse S2k
2) AWMF-Register 053/010. Leitlinie Halsschmerzen. Klasse S3
3) DGPI-Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 6. Auflage 2013, Georg Thieme Verlag, Stuttgart


Autorin:

Prof. Dr. med. Martina Prelog

Universitäts-Kinderklinik Würzburg
97080 Würzburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (15) Seite 52-55