Antibiotisch wirkende Pflanzen waren schon in der Antike bekannt. Zu ihnen gehört die Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus). Als Phytopharmakon wird sie häufig wegen ihrer antibakteriellen Eigenschaften bei der unkomplizierten akuten Zystitis und zur Rezidiv-Prophylaxe von Harnwegsinfekten eingesetzt.

Das Kraut der Kapuzinerkresse enthält ca. 0,1 % Senfölglukoside (Glucosinolate wie Glucotropaeolin). Diese Verbindungen spalten sich enzymatisch, wodurch Benzylsenföl (Benzylisothiocyanat) entsteht. Eine positive Stoffcharakteristik der Kommission E beim früheren Bundesgesundheitsamt bestätigt unterschiedliche Wirkungen der Heilpflanze bzw. des Benzylsenföls, die von bakteriostatisch (bei grampositiven und -negativen Bakterien) über virustatisch und antimykotisch bis zu hyperämisierend (bei äußerer Anwendung) reichen. Als Indikationen werden bei adjuvanter Therapie Infekte der ableitenden Harnwege, Katarrhe der Luftwege und leichte Muskelschmerzen (bei äußerer Anwendung) genannt.

Als Kontraindikationen gelten akute Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, akute Nierenentzündungen und die Gabe an Kinder unter vier Jahren. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln sind nicht bekannt. Als Nebenwirkungen können bei empfindlichen Personen vereinzelt Magen- und Darmbeschwerden auftreten.

Als getrocknete Droge oder als pflanzliches Arzneimittel liegt das Benzylsenföl noch als Prodrug (Glucosinolat) vor. Erst bei der Einnahme wird das pharmakologisch aktive Benzylisothiocyanat, das sogenannte "Benzylsenföl", freigesetzt. Das passiert beim Kontakt mit dem im Verdauungstrakt enthaltenen Wasser und durch das ebenfalls in der Kapuzinerkresse befindliche Enzym Myrosinase, das für die Spaltung der Glucosinolate verantwortlich ist.

Das Senföl wird im Magen und im oberen Dünndarmbereich fast vollständig resorbiert. Eine Schädigung der im Dickdarm lokalisierten Mikroorganismen (Darmflora) ist so nicht möglich. Der Körper scheidet es mit dem Urin über die Nieren und mit der Atemluft über die Lunge aus. Hier werden auch therapeutisch wirksame Konzentrationen erreicht. Die Verwendung von Trockenextrakten, wie bei vielen anderen Phytopharmaka üblich, ist nicht angebracht, sonst würde schon bei der Extrakt-Herstellung das flüchtige Senföl entstehen. Je nach Dosis wirkt das Senföl bakteriostatisch oder bakterizid. Das Benzylsenföl hat auch einen immunstimulierenden Effekt, der die antimikrobiellen Eigenschaften unterstützt.

Der erfolgreiche Einsatz des Senföls bei Infektionen rührt daher, dass es mit Sulfhydrylgruppen von bestimmten Enzymen in Bakterien und Pilzen reagiert und so den Stoffwechsel der Mikroorganismen stört, was den bakteriostatischen bzw. bakteriziden Effekt auslöst.

Kapuzinerkresse und Meerrettich in Kombi

Ein Monopräparat mit Kapuzinerkressekraut ist nicht im Handel. Es gibt das zugelassene pflanzliche Kombinationspräparat Angocin® Anti-Infekt N. Dieses Phytopharmakon enthält 200 mg Kapuzinerkressenkraut und 80 mg Meerrettichwurzel pro Filmtablette. Die Kombination verstärkt den antimikrobiellen Effekt: Die positiv monografierte Meerrettichwurzel enthält ebenfalls Glucosinolate (z. B. Sinigrin) und das Enzym Myrosinase.

Auch das antibakteriell wirksame Allylsenföl des Meerrettichs wird freigesetzt, sobald es mit Wasser im Verdauungstrakt in Kontakt kommt. Im "Leitfaden Phytotherapie" schreiben die Autoren, "dass die Kombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel ein breites und äußerst effektives antibakterielles Wirkungsspektrum gegenüber zehn klinisch relevanten Bakterienspezies besitzt. Die Keimhemmung betrifft sowohl gramnegative als auch grampositive Keime. Besonders fiel die starke Wirkung gegenüber Pseudomonas aeruginosa auf. Daher eignet sich Angocin® Anti-Infekt N sehr gut zu einer antiinfektiösen Therapie bei Infektionen der ableitenden Harnwege"[1]. Bisher sind gegenüber den Senfölen keine Resistenzentwicklungen bekannt. Dies zeigen auch internationale Studien.

Antibakterielle Wirksamkeit bei akuter Zystitis

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Senföl-Phytopharmakons bei Harnwegsinfekten wurde in verschiedenen Studien geprüft und bestätigt. Neben Studien an Erwachsenen wurde auch eine Kohortenstudie [2] bei Kindern und Jugendlichen im Alter von vier bis 18 Jahren in 65 niedergelassenen Praxen durchgeführt. Alle Probanden hatten eine unkomplizierte akute Zystitis. Dabei wurde das Kapuzinerkresse-Meerrettich-Präparat (Prüfgruppe) in der vorgeschriebenen Dosierung gegen ein bei Harnwegsinfekten verordnetes übliches Antibiotikum (Kontrollgruppe) eingesetzt. Die Behandlung lag zwischen sieben und höchstens 14 Tagen, konnte jedoch bei Beschwerdefreiheit früher beendet werden. Am Studienende lag die Heilungsrate in der Prüfgruppe (Phytopharmakon) bei 89,9 % und in der Kontrollgruppe (Antibiotikum) bei 93,1 %. Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant. 87,1 % der Teilnehmer der Prüfgruppe und 88,6 % der Probanden der Kontrollgruppe waren mit der Behandlung "zufrieden" oder "sehr zufrieden". Während in der Prüfgruppe keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) festgestellt wurden, traten diese in der Kontrollgruppe bei sechs Personen auf. Damit war das Phytopharmakon besser verträglich als die üblichen Antibiotika. Im Ergebnis erbrachte das Senföl-Präparat eine vergleichbar gute Wirksamkeit gegenüber Antibiotika, die sonst bei akuter Zystitis eingesetzt werden.

Studie zu rezidivierenden Harnwegsinfekten

Für viele Frauen sind rezidivierende Harnwegsinfekte ein großes Problem. An einer multizentrischen Studie [3] bei 35 niedergelassenen Ärzten haben unlängst 131 vorwiegend weibliche Probanden zwischen 18 und 75 Jahren mit akutem Infekt-Rezidiv im Bereich der unteren Harnwege teilgenommen. Zudem hatten die Frauen mindestens zwei Harnwegsinfekte im zurückliegenden halben Jahr. Nach einem bakteriologischen Nachweis wurde der akute Harnwegsinfekt für eine Woche entweder mit Cotrimoxazol oder Ciprofloxacin behandelt.

Nachdem bei 103 Frauen der akute Infekt abgeklungen war, erhielten in randomisierter Zuordnung 51 Teilnehmerinnen eine vierteljährliche Prophylaxe mit täglich zwei mal zwei Filmtabletten der Kapuzinerkresse-Meerrettich-Kombination und 52 Probanden ein vom Prüfpräparat nicht zu unterscheidendes Plazebo. Ärztliche, bakteriologische und labordiagnostische Untersuchungen der Probandinnen fanden im Studienverlauf nach einer Woche sowie nachfolgend nach 30, 60, 120 und 180 Tagen statt. Im Ergebnis kam es bei der Verumgruppe (Senföl-Präparat) zu einer Rezidivrate von nur 43 %. Bei der Plazebogruppe lag die Rezidivrate dagegen bei 77 %. Mit dieser Studie wurden der therapeutische Effekt und die gute Verträglichkeit dieses Phytopharmakons auch bei rezidivierenden Harnwegsinfekten deutlich nachgewiesen.

Fazit

Aufgrund der Vielzahl erfolgreicher Studien kann das aus Kapuzinerkresse und Meerrettich bestehende Phytopharmakon als wirksames und gut verträgliches pflanzliches Antibiotikum bezeichnet werden. Dies gilt sowohl für die Behandlung der akuten Zystitis als auch für die Rezidiv-Prophylaxe von Harnwegsinfekten.


Literatur:
1. Schilcher, H. (Hrsg): Leitfaden Phytotherapie, Elsevier GmbH
München 2016
2. Goos, K.-H. et al.: Aktuelle Untersuchungen und Verträglichkeit eines
pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich
bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung
bei Kindern im Vergleich zu anderen Antibiotika, Arzneim.-
Forsch./Drug Res.57, No. 4, 238-246 (2007)
3. Albrecht, U. et al.: Eine randomisierte, Placebo-kontrollierte
Doppelblindstudie eines pflanzlichen Arzneimittels aus
Kapuzinerkresse und Meerrettich in der Prophylaxe von
rezidivierenden Harnwegsinfekten, Curr Med Res Opin 23(10): 2415-
2422 (2007)



Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (7) Seite 50-52