Studien zur Bewertung von oralen Antidiabetika oder Insulin müssen sich heute primär am kardiovaskulären Outcome orientieren. Solange Daten dazu noch nicht zur Verfügung stehen, sind Surrogatparameter wie Hypoglykämierisiko, Gewichtszunahme oder HbA1c gefragt sowie zusätzlich zumindest Sicherheitsdaten hinsichtlich kardiovaskulärer und Gesamtmortalität. Wo stehen wir heute und was bringt die Zukunft?

Nach den enttäuschenden Ergebnissen der großen Outcomestudien (ACCORD, ADVANCE, VADT) mit intensivierter glukosesenkender Therapie und harten kardiovaskulären Endpunkten als primäre Zielgröße steht die Risiko-Nutzen-Bilanz heute im Vordergrund bei der Bewertung neuer Antidiabetika oder deren Kombinationen (Abb. 1). Zudem fordert das deutsche AMNOG zu Recht einen Zusatznutzen gegenüber etablierten Therapien. Da bei der Neueinführung Daten von Outcomestudien zumeist nicht zur Verfügung stehen, werden Hypoglykämierisiko und Gewichtsverhalten als Surrogatparameter herangezogen, die sehr vom Studiendesign oder der Zielgruppe determiniert werden.

In dieser Situation fordern heute FDA und EMA zumindest Sicherheitsstudien mit "major cardiovascular events" (MACE) – Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod und, immer häufiger, auch Herzinsuffizienz – als harte Endpunkte sowie Gesamtmortalität als primäre Zielgrößen. Diabetesbezogene Komplikationen wie Retinopathie, Nierenversagen und Polyneuropathie bleiben noch immer sekundäre Zielgrößen. Alle Studien bemessen die Diabetesqualität am HbA1c, jetzt auch im Hinblick auf die Inzidenz von Hypoglykämien.

Herz-Kreislauf-Effekte

Evidenz für kardiovaskulären Benefit gibt es nur für Metformin (UKPDS) und Acarbose (STOP-NIDDM) sowie ein überwältigendes Ergebnis zugunsten von Insulin bei Typ-1-Diabetes in der DDCT-Studie nach 20 Jahren. Für Patienten mit fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulären Risiko hat einzig der PPAR-gamma-Agonist Pioglitazon in der PRO-Active-Studie eine signifikante Senkung der Inzidenz von Reinfarkten und zweiten Schlaganfällen ergeben. Wegen des mit Glitazonen verbundenen erhöhten Herzinsuffizienzrisikos und Gewichtszunahme und des Verdachts auf ein erhöhtes Blasenkarzinomrisiko wird das Medikament in Deutschland nur noch selten verordnet, obwohl die Risiko-Nutzen-Bilanz bei Patienten mit Infarkt und Schlaganfall in der Anamnese eindeutig zugunsten von Pioglitazon spricht.

Basalinsulin: Gefäße profitieren

2012 wurden in Philadelphia zur Jahrestagung der ADA die Ergebnisse der ORIGIN-Studie (Outcome Reduction with Initial Glargine Intervention) vorgestellt. Diese multinationale Studie mit über 12 000 Teilnehmern mit hohem kardiovaskulären Risiko, 12 % davon mit Prädiabetes, verglich das Basalinsulin Glargin (Lantus®) mit Standardtherapie nach nationalen Leitlinien. Die Insulindosis wurde nach dem Nüchternblutzucker mit einem Zielwert von < 5,3 mmol/l (> 4,6 mmol/l) titriert. Nach 6,2 Jahren hatte die Standardtherapiegruppe ein HbA1c von 6,5 %, die Insulingruppe 6,2 %. Die beiden Therapiegruppen unterschieden sich weder im kardiovaskulären Outcome noch in der Krebshäufigkeit. Letzteres Ergebnis widerlegte eindeutig die vorher aufgrund einer höchst mangelhaften Registerstudie geäußerte Befürchtung, dass Glargininsulin das Krebsrisiko erhöhen würde. Unter Insulin war zwar das Hypoglykämierisiko im Vergleich zur Standardbehandlung erhöht, es blieb aber weit hinter den Inzidenzen bei fortgeschrittenem Diabetes in der ACCORD- und VADT-Studie zurück. Das galt auch für die Gewichtszunahme von 1,6 kg über den Beobachtungszeitraum. Bezüglich der diabetesbezogenen Komplikationen hatte die Insulintherapie bei den Patienten mit einem HbA1c > 6,4 % (Medianwert) einen signifikanten positiven Effekt auf das Eintreten und das Fortschreiten von Retinopathien und Nierenerkrankungen. Fasst man diese Ergebnisse zusammen, so zeigen sie klar Neutralität für kardiovaskuläres Outcome, aber klare Vorteile der frühen normnahen Diabeteseinstellung mit Insulin für die Entwicklung diabetesabhängiger Gefäßkomplikationen (Mikroangiopathie) mit nur geringem Hypoglykämierisiko und allenfalls moderater Gewichtszunahme.

Neue orale Antidiabetika

SAVOR und EXAMINE – die ersten Evidenz-basierten Outcomestudien mit DPP4-Inhibitoren – waren zweifellos die Highlights 2013 bei den oralen Antidiabetika. Nach den Turbulenzen um ein mögliches erhöhtes kardiovaskuläres Risiko mit Rosiglitazon hatte die FDA 2008 für neu eingeführte Antidiabetika kardiovaskuläre Sicherheitsstudien zur Pflicht erhoben. SAVOR und EXAMINE waren die ersten nach diesen Vorgaben durchgeführten Studien.

In der SAVOR-TIMI 53-Studie wurden 16 492 Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in der Vorgeschichte oder mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren über 2,1 Jahre mit 5 mg Saxagliptin/Tag oder Plazebo behandelt. Das kardiovaskuläre Outcome war absolut identisch. Damit war die Sicherheit nachgewiesen. Die Patienten mit Saxagliptin wurden aber signifikant häufiger (3,5 % vs. 2,8 %, p=0,007) wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt. Das Hypoglykämierisiko und Gewicht waren unter Saxagliptin nicht signifikant erhöht. Die EXAMINE-Studie überprüfte bei 5 380 Patienten mit akutem Koronarsyndrom die kardiovaskuläre Sicherheit von Alogliptin. Auch hier hatte der DPP4-Inhibitor keinen Einfluss auf die kardiovaskulären Ereignisse in der Beobachtungszeit von 1,5 Jahren. Eine signifikante Zunahme von Herzinsuffizienz und Hypoglykämien wurde unter Alogliptin nicht beobachtet.

Was erwartet uns 2015?

Zur Jahrestagung der ADA im Juni 2015 in Boston werden die Ergebnisse der TECOS-Studie mit Sitagliptin bei Typ-2-Diabetes mit hohem kardiovaskulären Risiko vorgestellt. Diese pragmatische Sicherheitsstudie beobachtete bei Patienten, die weiterhin vom Hausarzt betreut wurden (real world conditions), den Effekt von Sitagliptin auf die kardiovaskuläre Sicherheit und den eventuellen Benefit auf "major cardiovascular events". Untersucht wurden 14 000 Hochrisikopatienten weltweit über sechs Jahre. Dieser Megatrial dürfte entscheidend für die künftige Risiko-Nutzen-Bewertung der DPP4- Inhibitoren sein.

Mit der ELiXA-Studie wird erstmalig eine prospektive kontrollierte Studie zu einem GLP1-Analogon (Lixisenatid) vorgestellt werden. Lixisenatid ist ein kurzwirksames prandiales GLP1-Präparat mit vorwiegender Wirkung auf die Magenentleerung und den postprandialen Stoffwechsel. Da die Studie Patienten mit vorangegangenem akuten Koronarsyndrom untersucht, sind vor allem sicherheitsrelevante Aussagen zu erwarten.

Die Agenda 2020

Bis 2020 wird eine Vielzahl von Studien zu neuen Antidiabetika inklusive neuen Basalinsulinen abgeschlossen werden (Tabelle 1). Bei diesen Megatrials handelt es sich vorwiegend um Sicherheitsstudien. Nur wenige – wie Caroline (Linagliptin vs. Glimepiride) – vergleichen etablierte Therapien mit den neuen Substanzen, so dass die Bewertung eines Zusatznutzens nach AMNOG auch zukünftig umkämpft bleiben wird und klinische und mechanistische Studien auch weiterhin als Entscheidungsgrundlage des Allgemeinarztes und Diabetologen ihre Bedeutung behalten.

Große Outcomestudien sind jedoch entscheidend für evidenzbasierte Therapieempfehlungen und Leitlinien, da sie die zuverlässigsten Daten über die globale Risiko-Nutzen-Bilanz liefern mit dem geringsten Selektionsbias. Wie uns ACCORD und die Glitazonstudien gelehrt haben, kann das Ergebnis auch manchmal ernüchternd oder sogar negativ sein.

Mit der Vielzahl neuer Medikamente und deren vielen Kombinationen bleibt die Behandlung des Typ-2-Diabetes mehr denn je eine Ars curandi. Dem trägt die Entwicklung individualisierter Therapieempfehlungen Rechnung, die die Ergebnisse der Outcomestudien auf Zielgruppen fokussieren, die sich durch Alter, Lebenserwartung, Komorbiditäten, Diabetesstadium und psychosoziale Situation definieren lassen.



Autor:

© privat
Prof. Dr. med. Markolf Hanefeld

Seniordirektor Studienzentrum Prof. Hanefeld
GWT-TUD GmbH,
Studycenter
01307 Dresden

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (9) Seite 56-58