Die positiven Auswirkungen von regelmäßiger körperlicher Bewegung und Sport auf Gesundheit, Lebensqualität und Lebenserwartung sind seit Jahren bekannt und gut belegt. Ein günstiger Effekt wird in der Regel dann eintreten, wenn die Belastung angemessen intensiv, ausreichend lange und regelmäßig erfolgt. Diese Tatsache unseren Patienten zu vermitteln, genügt jedoch nicht. Die weitaus größere Herausforderung besteht darin, sie individuell so zu beraten und zu motivieren, dass der prinzipiellen Einsicht auch tatsächlich Taten folgen.

Während die meisten Menschen Gesundheit als wichtigstes Gut betrachten, ist ihr Verhalten eher geeignet, dem entgegenzuwirken: Der oft gepflegte Lebensstil mit Bewegungsmangel, Übergewicht und Genussmittelmissbrauch wirkt krankheitsfördernd. Ein gesunder Lebensstil hingegen umfasst

  • Verzicht auf Nikotin,
  • gesunde Kost (mediterrane Kost),
  • ein möglichst normales Körpergewicht,
  • eine gute Stressbewältigung und vor allem
  • regelmäßige Bewegung, körperliche Aktivität oder Sport.

Langfristige positive Wirkungen von Bewegung und körperlicher Aktivität nach evidenzbasierten Kriterien sind:

  • Verbesserung der Muskelkraft
  • Verbesserung der Funktionen von Atmung und Herz-Kreislauf-System
  • Verbesserung von Glukosetoleranz
  • Stabilisierung des Gerinnungssystems (Fibrinolyse)
  • Verbesserung des Fettstoffwechsels (Cholesterin etc.)
  • Verbesserung der kognitiven Funktion
  • evtl. Stärkung des Immunsystems.

Zusätzlich erleichtert körperliches Training das Einstellen des Rauchens, die Gewichtsabnahme und Stressbewältigung.

Die Aufgabe des Arztes

Aufgabe des Arztes ist es, Menschen und Patienten zu einer regelmäßigen Bewegung zu motivieren [8, 9] (Abb. 1). Jeder Arzt sollte bei jedem Patientenkontakt den Patienten befragen, ob und in welchem Umfang er körperlich aktiv ist, bei einem erneuten Besuch ist diese Frage Bestandteil der Beratung. Nach einer Studie der R. Berger-Stiftung ist der Arzt die wichtigste Person, die zu einem aktiven Lebensstil raten kann. Techniken der positiven Motivation sind dabei einzusetzen, wie Empathie ausdrücken, Diskrepanzen entwickeln, Widerstand umlenken und Selbstwirksamkeit fördern [5, 7, 9].

Bei der Beratung zu (mehr) körperlicher Aktivität und gesundheitsorientierten Angeboten für Bewegung und Sport ist eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung Vor­aussetzung für den Beginn (s. u.).

Das primäre Argument für eine regelmäßige Bewegung sollte nicht in erster Linie die mögliche längere Lebenserwartung sein, sondern die bessere Lebensqualität und die längere Selbstbestimmung oder Autonomie vor allem im Alter [1]. Sport und körperliche Aktivität führen dazu, dass der Patient sich besser fühlt und im Alltag leistungsfähiger wird. Dies ist, vor allem für ältere Menschen, wichtiger als eine Lebensverlängerung. Körperliche Aktivität und Sport dienen nicht nur der Steigerung der körperlichen Fitness. Auch das seelische Befinden wird durch körperliche Aktivität stabiler. Bei Depressionen wirkt Sport beruhigend, ausgleichend und depressionslösend.

Die sportärztliche Vorsorgeuntersuchung

Jeder Patient oder Sportwillige sollte den PAR-Q-Fragebogen (Download) beantworten [2]. Wird eine Frage mit „Ja“ beantwortet, ist eine weitere ärztliche Abklärung empfohlen. Dann sollte der ausführliche Fragebogen zum Selbstausfüllen benutzt werden [2]. Das Ausfüllen durch den Patienten erleichtert die Arbeit und gibt Zeit für das Gespräch. Eine Vorsorgeuntersuchung einschließlich eines Belastungs-EKGs ist, auch bei asymptomatischen Personen, vor Aufnahme eines Trainingsprogramms bei Männern ab 45 J. und Frauen ab 55 J. gemäß Leitlinien indiziert, vor allem bei Neu- oder Wiedereinsteigern.Bei Vorliegen von einem oder mehreren Risikofaktoren oder bei einer Symptomatik mit Dyspnoe, Brustschmerz, Palpitation oder Synkopen ist eine Untersuchung mit Ergometrie notwendig.

Das Rezept für Bewegung

Bestehen keine Bedenken gegen ein regelmäßiges Training, erfolgt die Trainingsberatung mit Hinweisen zu Sportart, Dauer, Intensität und Umfang des Trainings. Ein Rezept für solche Trainingsempfehlungen erleichtert die Beratung (Abb. 2). Im Rahmen der Prävention kann das „Rezept für Bewegung“ des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und des jeweiligen Landessportbunds herangezogen werden (gemeinsam entwickelt mit BÄK und DGSP) (Abb. 3). Erfahrungen aus Neuseeland und Schweden belegen die motivierenden Effekte eines solchen Rezeptes.

Bei Empfehlungen zum Training und Sport ist auf die Qualität der Angebote zu achten. Solche mit dem Qualitätssiegel Sport pro Gesundheit besitzen die Voraussetzung für kompetente Übungsleiter und Trainer, die örtlichen Vereine oder der zuständige Landessportbund geben Auskunft ( http://www.dosb.de ). Bei Fitnessstudios ist auf eine sehr gute Qualität der Trainer und der Ausrüstung zu achten.

Trainingsberatung

Der Einstieg ist in der Regel die vermehrte Aktivität im Alltag [6]:

  • Nur noch Treppen steigen, auf den Aufzug verzichten,
  • Bei Fahrten mit Bus und Bahn eine Station früher aussteigen und zu Fuß zum Ziel gelangen,
  • Den Weg zum Bäcker oder zum Postamt zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen.

Mehrere kleinere Trainingseinheiten summieren sich zu einem Gesamteffekt. Dem Patienten ist zu Beginn des Sports ein sinnvoller, dosierter Trainingsaufbau zu empfehlen. Spaß und Freude am Sport sind notwendig, damit der Patient den Sport über längere Zeit betreibt. Sport in der Gruppe (Lauftreff, Walking-Gruppe) oder im Verein erleichtert den Einstieg, fördert das soziale Wohlbefinden und verschiedene Sportarten verschaffen Abwechslung [4].

Ausdauertraining

Das Training erfolgt dosiert mit ansteigender Intensität, Dauer und Häufigkeit. Zu Beginn sind kürzere, dann längere Spaziergänge angezeigt, dann der Umstieg auf Walking oder Nordic Walking. Diese Aktivitäten sollten mindestens dreimal/Woche über 30 - 45 Minuten durchgeführt werden. Diese Trainingsempfehlung ist ebenfalls evidenzbasiert (IA) [3, 8]. Ein Intervalltraining, Wechsel von schnellem und langsamen Gehen oder Laufen, ist ebenfalls effektiv und sorgt für Abwechslung. Ziel ist eine Gesamtdauer von ca. 150 min moderater körperlicher Aktivität in der Woche. Für die Dosierung ist die Messung der Pulsfrequenz hilfreich, eine Pulsuhr erleichtert die Überwachung. Anhand der Borg-Skala (Tabelle 1) ist es auch für den Ungeübten möglich, seine Trainingsintensität zu steuern (Ziel: Borg 11 - 13). Hinweise zum Herzfrequenzverhalten beim Training gibt die Tabelle 2. Bei intensivem Training genügen auch 60 - 90 Minuten pro Woche verteilt auf drei Tage. Geeignete Sportarten zur Empfehlung sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Krafttraining

Ausdauertraining gilt als Basis für ein Präventivprogramm, es sollte ca. 70 % umfassen, Krafttraining 20 % und Beweglichkeitstraining 10 %. Das ergänzende Krafttraining wird zweimal pro Woche empfohlen. Hierzu sind Geräte sinnvoll, alternativ ist isometrisches Üben wirksam. Anleitungen können auch Krankengymnasten oder Physiotherapeuten geben. Etwa 8 - 10 Übungen sollten mit 5 - 15 Wiederholungen durchgeführt werden mit ansteigenden Belastungen bzw. Widerständen. Auch hier hilft die Borg-Skala zur Dosierung, das Anstrengungsempfinden beim Krafttraining liegt bei 13 bis 16 als Zielgröße.

Training bei Krankheiten

Bei zahlreichen Krankheiten kann heute körperliches Training als Ergänzung zur Therapie eingesetzt werden (Tabelle 4). Bei einigen Krankheiten wie Hochdruck, KHK, Diabetes mellitus wirkt ein Training gleich gut wie die Monotherapie mit einem Medikament. Bei Herzinsuffizienz führen Bewegung und körperliche Aktivität sogar zu einer Funktionsverbesserung des Herzens. Patienten können bei diesen Fragestellungen in einer Reha-Gruppe (Herz-, Tumorleiden,Diabetes mellitus oder Lungenkrankheiten) vorgestellt werden.

Zur Beurteilung der Trainingsintensität ist bei Patienten immer eine Belastungs- und ggf. eine Herzultraschalluntersuchung notwendig. Die Einleitung einer solchen Bewegung als Therapie sollte unter stationären Bedingungen oder in einer speziellen sportmedizinischen Ambulanz erfolgen. Anschließend ist die Teilnahme an entsprechenden Gruppen für die jeweilige Krankheit unbedingt zu empfehlen (Auskunft: Landessportbund und über DGPR).

Kontrolluntersuchung

Eine (sport)ärztliche Kontrolle ist regelmäßig angezeigt, um die Motivation zum Sport, zum Durchhalten zu unterstützen. Ein kurzes Gespräch mit Fragen nach der Bewegung und dem Training ist wichtig, bei guter Teilnahme ist ein Lob sehr hilfreich.

Eine Kontrolle der regelmäßigen Betätigung ist mit einem Tagebuch möglich, mit einem Schrittzähler (Pedometer, sehr effektiv) oder mit Pulswerten (Ruhewerte und Belastungswerte). Gewichtsvergleiche und Blutdruckwerte können dem Patienten die Wirksamkeit eines Trainings belegen. Nach einem Jahr (oder früher) kann mit einem Fahrrad- oder Laufbandergometertest eine Leistungssteigerung und Gesundheitskontrolle (EKG, Blutdruck) indiziert sein.

Ernährung

Wer Sport treibt, braucht ausreichend Flüssigkeit und eine gesunde Ernährung. Die Kost sollte ballaststoffreich sein, Vollwertkost enthalten sowie Obst, Salat und Gemüse. Ebenso gilt: weniger Fleisch, mehr Fisch, mehr Kohlenhydrate und weniger Fett (sog. mediterrane Kost).

Fazit

Fazit der Empfehlung an den Patienten (und den Arzt): Körperliche Aktivität bedeutet ... sich besser fühlen - besser aussehen - leistungsfähig sein. Für die körperliche Aktivität gilt: „Egal, was Sie tun: Hauptsache, Sie tun überhaupt etwas.“


Literatur
1. DGSP: Positionspapier: Primärprävention durch körperliche Aktivität. 2010. www.dgsp.de (Hrsg.H. Löllgen)
2. DGSP: Leitlinie zur sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung. Frankfurt 2007 (Hrsg.H.Löllgen und J.Hansel)
3. Haskell WL, Lee I-M, Pate RR, Powell KE, Blair SN, Franklin BA, Macera CA, Heath GW, Thompson PD, Bauman A: Physical activity and public health. Updated recommendation for adults from the American College of Sports Medicine and the American Heart Association. Circulation 116 2007:1081-1093
4. Löllgen H, Leyk D,Löllgen D:Trainingsberatung im Breitensport. MMW 2011(153):29-33
5. Miller WR,Rollnick S: Motiveirende Gesprächsführung. Lambertus, Freiburg, 2009
6. Murtagh EM, Murphy MH, Boone-Heinonen J : Walking : the first steps in cardiovascular disease prevention. Curr Opin Cardiol 25,2010:490-496
7. Prochaska JO, DiClemente CC: Stages and processes of selfchange of smoking. Clin Psychol 1991, 51,390-395
8. Thompson PD : Exercise prescription and proscription for patients with coronary artery disease. Circulation 112,2005:2354-2363
9. Walshe, R (Pers.Mitt.)

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen


Kontakt:
Prof. Dr. med. Herbert Löllgen
Präsident der DGSP: Die Deutschen Sportärzte
42897 Remscheid

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2011; 33 (19) Seite 52-55