Für die Therapie neuropathischer Schmerzen gibt es heute viel mehr Optionen als etwa vor 15 Jahren. Die verfügbaren Medikamente kommen aus den Gruppen der Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opiate und Lokaltherapeutika. Die Wirksamkeit einer Substanz sollte jeweils erst nach zwei bis vier Wochen unter ausreichender Dosierung beurteilt werden. Kombinationen von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen können sinnvoll sein.
Neuropathische Schmerzen kommen zustande durch eine Läsion im somatosensorischen System. Eine breite Zulassung für die Behandlung neuropathischer Schmerzen haben Gabapentin und Pregabalin - Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle. Für die Schmerztherapie im Allgemeinen zugelassen sind Amitriptylin, Clomipramin und Imipramin als Vertreter der trizyklischen Antidepressiva. Der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin hat eine Zulassung für die schmerzhafte diabetische Neuropathie. Eine Indikation für mittelstarke und starke Opiate besteht bei starken, anders nicht beherrschbaren Schmerzzuständen, wovon neuropathische Schmerzen nicht ausgenommen sind. Als topische Therapeutika gibt es das Lidocainpflaster Versatis® für die postherpetische Neuralgie und ein hochdosiertes 8 %-Capsaicinpflaster (Qutenza®) für peripher bedingte neuropathische Schmerzen mit Ausnahme der diabetischen Neuropathie (Tabelle).
Antikonvulsiva
Gabapentin wird im Allgemeinen gut vertragen. Bei einigen Patienten können sich Müdigkeit zu Beginn der Therapie sowie Schwindel und Knöchelödeme bemerkbar machen. Die Eindosierung, beginnend mit 3 x 100 mg bis zu einer typischen Tageshöchstdosis von 1 200 bis 2 400 mg (maximal 3 600 mg), kann einige Wochen dauern. Insgesamt wird Gabapentin als wirksames und meist gut vertragenes Medikament zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen empfohlen [3].
Pregabalin ist bei verschiedenen Formen neuropathischer Schmerzen wirksam und hat eine schlafverbessernde und anxiolytische Wirksamkeit [2]. Man beginnt mit 1 x 50 bis 2 x 75 mg und kann meist in wenigen Tagen auf die übliche Enddosis von 2 x 150 mg aufdosieren (Maximaldosis 600 mg/Tag). Bei älteren und bei empfindlichen Patienten ist es ratsam, etwas langsamer aufzudosieren. Pregabalin kann als gut wirksames Medikament für periphere und zentrale neuropathische Schmerzen mit guter Verträglichkeit eingesetzt werden [3].
Carbamazepin ist nach wie vor das Mittel der Wahl bei der Trigeminusneuralgie [8]. Die erforderliche Tagesdosis variiert zwischen 300 und 1 200 mg, die Aufdosierung muss langsam erfolgen und es sollte ein retardiertes Präparat verwendet werden. Initial ist die Ansprechrate sehr hoch, es gibt allerdings sekundäre Therapieversager nach längerer Behandlungszeit, die dann ggf. über eine neurochirurgische Intervention aufgeklärt werden sollten. Für andere Arten neuropathischer Schmerzen gilt Carbamazepin aufgrund des ungünstigen Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils als Mittel der zweiten bis dritten Wahl [2, 4, 6].
Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva haben nach wie vor einen Stellenwert in der Behandlung neuropathischer Schmerzen, leider ist die Anwendung oft durch Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen behindert. Man unterscheidet sedierende (z. B. Amitriptylin) von nicht-sedierenden (z. B. Clomipramin) trizyklischen Antidepressiva und kann diese je nach gewünschter Wirkung verordnen (z. B. Amitriptylin retard zur Nacht bei zusätzlichen Schlafstörungen) [3]. Die wirksame Dosis variiert interindividuell sehr stark, so dass Tagesdosen zwischen 25 und 150 mg möglich sind. In jedem Fall ist eine langsame Aufdosierung erforderlich.
Der selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin ist wirksam bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie. Vom englischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) wird Duloxetin in der Dosierung von 60 mg/Tag als Medikament mit der besten Kosteneffizienz und dem höchsten zu erwartenden therapeutischen Nutzen in der Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie angesehen [1].
Opioide
Opioidanalgetika sind nachgewiesenermaßen wirksam in der Behandlung von neuropathischen Schmerzen [5], jedoch gelten sie als Mittel der zweiten bis dritten Wahl. Auch ist ihr langfristiger Gebrauch bei nicht-malignen Schmerzen umstritten [9]. Nebenwirkungen und Toleranzentwicklung können die Anwendung in der Praxis limitieren [3]. Es wird eine langfristige Therapiekontrolle mit Schmerztagebüchern und Dokumentation der Auswirkungen der Therapie auf alle Lebensbereiche empfohlen [3].
Lokaltherapeutika
Das 5 %ige Lidocainpflaster kann zur Mono- oder Kombinationstherapie bei der postherpetischen Neuralgie benutzt werden [7]. Die Pflaster werden auf das schmerzhafte Areal aufgeklebt und für zwölf Stunden appliziert, danach muss ein mindestens zwölfstündiges applikationsfreies Intervall eingehalten werden.
Das Hochdosis (8 %)-Capsaicinpflaster darf nur nach vorheriger Oberflächenanästhesie mit Lidocain-Gel appliziert werden. Die Applikationsdauer beträgt 30 Minuten, der Therapieerfolg kann im günstigen Fall bis zu drei Monate anhalten. Die Patienten müssen allerdings gewarnt werden, dass an den ersten Tagen verstärkte Brennschmerzen auftreten können, und sollten eine Bedarfsmedikation für diesen Fall erhalten.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (4) Seite 16-18