Im vertraulichen Teil der Todesbescheinigung muss eine Todesursachenkaskade angegeben werden, die vom Grundleiden über Folgezustände zur letztendlichen Todesursache führt. Bei der Angabe dieser Todesursachenkaskade können die Sterbenstypen eine große gedankliche Hilfe darstellen.

Sterbenstypen werden als ,,thanatologische Brücke" zwischen Grundleiden und finaler Todesursache bezeichnet [1]. Sie wurden zur Charakterisierung des Sterbeprozesses an klinisch-pathologischen Sektionskollektiven [2, 3] erarbeitet und erwiesen sich für die Angabe der Todesursachenkaskade zwischen Grundleiden und letztendlicher Todesursache im Leichenschauschein [4] als außerordentlich hilfreich.

Die vier Sterbenstypen

Es werden vier Sterbenstypen unterschieden: linear/divergierend/konvergierend/komplex. Beim linearen Sterbenstyp liegen Grundleiden und finale Todesursache im gleichen Organsystem. Beim divergierenden Sterbenstyp liegt ein organspezifisches Grundleiden vor, welches über ,,Streuungseffekte" zur Schädigung des Gesamtorganismus führt. Beim konvergierenden Sterbenstyp liegen mindestens zwei verschiedene Grundleiden vor, die in Summation zum Versagen eines lebensnotwendigen Organs führen. Beim komplexen Sterbenstyp existieren mindestens zwei Grundleiden, die jeweils für sich genommen in eine finale Todesursache münden, so dass mindestens zwei konkurrierende Todesursachen auftreten, die sich auch gegenseitig beeinflussen können [2]. Beispiele für die genannten Sterbenstypen finden sich in Abb. 1.

Sterbenstypen in der Pathologie

Thieke untersuchte in ihrer Dissertationsarbeit zur Verteilung der Sterbenstypen in der klinischen Pathologie insgesamt 932 Erwachsenenobduktionen des Jahrgangs 1980 [3]. Dabei zeigte sich, dass der lineare, divergierende und konvergierende Sterbenstyp etwa zu gleichen Anteilen vertreten war, nur der komplexe Sterbenstyp war deutlich seltener. Bei weiterer Evaluation der Todesursachen zeigte sich, dass die Organe, die die sogenannten Haupteintrittspforten des Todes (Herz, Gehirn und Lungen) darstellen, in insgesamt 60 % der Fälle todesursächlich waren (vgl. Tabelle 1). Als organunspezifisch wurden Tumorkachexie/Anämie/Intoxikation oder anderweitige Intoxikationen gewertet, indirekt organspezifische Todesursachen waren hepatischer, pankreatischer, enteraler oder renaler Genese, hierzu wurden auch Verblutungsfälle gezählt.

In Analogie zu Thieke und Nizze sollen einige Fallbeispiele aus einem rechtsmedizinischen Untersuchungskollektiv dargestellt werden:

Fallbeispiel Linearer Sterbenstyp

Ein 43-jähriger Mann, Sportschütze und Alkoholiker, wurde im Badezimmer tot von seiner Ehefrau aufgefunden. Er hatte sich mittels Kopfschuss suizidiert.

Fallbeispiel Divergierender Sterbenstyp

Ein 63-jähriger Mann wurde in fäulnisverändertem Zustand tot aufgefunden. In der Todesbescheinigung wurde eine ungeklärte Todesursache angegeben. Bei der Obduktion zeigte sich, dass der Mann an den Folgen eines fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms verstorben war, welches organunspezifisch (Metastasierung und Tumorkachexie/Anämie/Intoxikation) bzw. über Wachstums-/Verdrängungsprozesse indirekt organspezifisch (Ateminsuffizienz und Rechtsherzbelastung) zum Tode geführt hat.

Fallbeispiel Konvergierender Sterbenstyp

Ein 53-jähriger, alkoholabhängiger, arbeitsloser Kellner wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden. Er war vom Vermieter längere Zeit nicht mehr gesehen worden. Es war bekannt, dass der Mann seine Wohnung für Drogenhandel und -verkauf zur Verfügung stellte. Er verstarb letztlich an einer Pneumonie, die durch schlechten Ernährungszustand, eine Leberzirrhose bei Alkoholabhängigkeit und durch Drogenkonsum in der Entstehung und Aggravierung wesentlich begünstigt worden war.

Fallbeispiel Komplexer Sterbenstyp

Eine 83-jährige, seit drei Jahren bettlägerige Frau wurde von ihren Angehörigen gepflegt. Im Rahmen der Beantragung einer Pflegestufe sei die Dame laut Angaben des Sohnes aus der gesetzlichen Krankenversicherung "gefallen". Die Wunden an Gesäß und Fersen seien immer größer geworden, man habe sich jedoch nicht getraut, mit der Mutter in ein Krankenhaus zu fahren – aus Angst, eine Versichertenkarte vorlegen zu müssen. Eines Tages habe man die Mutter tot im Bett aufgefunden. In der Todesbescheinigung wurde eine ungeklärte Todesursache bescheinigt, keine Hinweise auf Fremdverschulden. Als Grundleiden im vertraulichen Teil waren angegeben: Bullöse Hauterkrankung, Dekubitus. Während der Obduktion präsentierte sich der Fall deutlich vielschichtiger mit insgesamt drei konkurrierenden finalen Todesursachen: Exsikkose und Immobilisation sowie fehlende Blutverdünnung begünstigten das Entstehen einer tiefen Beinvenenthrombose, die in einer fulminanten Lungenembolie mündete. Der insgesamt schlechte Ernährungszustand bei fehlender Blutzuckereinstellung ließ den Stoffwechsel entgleisen bis zur Ausbildung eines massiven diabetischen Komas. Außerdem mündete der schlechte Pflegezustand über Wundliegegeschwüre bei fehlender antibiotischer Therapie in eine Sepsis und in ein Multiorganversagen.

Sterbenstypen in einem rechtsmedizinischen Untersuchungskollektiv

In Analogie zu Leiss sowie Thieke und Nizze wurden 180 Sektionsprotokolle aus einem forensischen Untersuchungsgut im Zeitraum von Januar bis Juli 2010 ausgewertet. Erwartungsgemäß verteilten sich die Sterbenstypen deutlich anders als in der klinischen Pathologie aufgrund der in Deutschland bestehenden primären Selektion der Todesarten.

Etwa zwei Drittel der Fälle gehörten zum linearen Sterbenstyp. Im jüngeren Lebensalter kamen lineare Sterbenstypen (bei den natürlichen Sterbefällen v. a. kardiale Todesfälle, bei den nicht-natürlichen Suizide, Tötungsdelikte, Intoxikationen) besonders häufig vor. Im höheren Lebensalter waren es konvergierende (in ¾ der Fälle natürliche Todesfälle, wobei zu einem kardialen Grundleiden weitere Grundleiden hinzutraten) bzw. komplexe Sterbenstypen (multimorbide ältere Menschen oder intra-/postoperative Todesfälle, Unfälle). Der divergierende Sterbenstyp war im untersuchten Obduktionsgut stark unterrepräsentiert, da er chronische Erkrankungsprozesse abbildet, die v. a. aus dem Spektrum der natürlichen Todesfälle stammen und eher in der Pathologie obduziert werden.

Fazit

Im vertraulichen Teil der Todesbescheinigung muss eine Todesursachenkaskade angegeben werden, die vom Grundleiden über Folgezustände zur letztendlichen Todesursache führt. Bei der Angabe der Todesursachenkaskade können die Sterbenstypen eine große gedankliche Hilfe darstellen.

Zum Beispiel liegt bei einem Patienten eine schwere koronare Herzerkrankung auf dem Boden einer Koronararteriensklerose vor. Diese ist zurückzuführen auf eine Hypertonie, Hypercholesterinämie und einen Diabetes mellitus. Diese Krankheiten würden dementsprechend als Grundleiden firmieren. Infolge der Koronararteriensklerose ist es zu einem akuten Myokardinfarkt gekommen, der die letztendliche Todesursache darstellt.

Der divergierende Sterbenstyp bietet sich vor allen Dingen für todesursächliche Tumorerkrankungen als gedankliche Stütze zur Abgrenzung von Grundleiden, Folgezuständen und letztendlicher Todesursache an.

Die Kenntnis der Sterbenstypen ist ein intellektuelles Hilfsmittel, um Grundleiden, Folgezustände und letztendliche Todesursache in eine logisch und pathophysiologisch stimmige Abfolge zu bringen.


Literatur:
1. Thieke C, Nizze H. Types of death: the thanatologic bridge between principle disease and cause of death. Pathologe. 1988;9:240–4.
2. Leiss J. Die Todesursache unter individual-pathologischen Gesichtspunkten. Dtsch. Med. Wochenschr. 1982;107:1069–72. doi:10.1055/s-0029-1236771.
3. Thieke C. Sterbenstypen unter Berücksichtigung von Grundleiden und deren Todesursachen, eine thanatogenetische Studie am Obduktionsgut; Dissertation, Rostock, April 1986 aus dem Institut für Pathologische Anatomie der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock
4. Madea B, Rothschild M (2010) The postmortem examination – determination of the cause and manner of death. Deutsches Ärzteblatt International 107(33): 575-588
5. Madea B, Mußhoff F. Postmortem toxicology. Forensic Sci Int. 2004;142:71–3. doi:10.1016/j.forsciint.2004.02.011.


Autoren:

Rebecca Wagner

Dr. med. Elke Doberentz, Prof. Dr. med. Burkhard Madea
Institut für Rechtsmedizin
53111 Bonn

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (2) Seite 42-44