Manchmal passiert es unerwartet: Der Tod eines niedergelassenen Arztes bringt nicht nur ein emotionales Gefühlschaos für die Hinterbliebenen mit sich. Oft stehen sie zusätzlich vor einem enormen Organisationsaufwand, der angesichts der Trauer oft nur schwierig zu bewältigen ist. Wer muss dringend informiert werden? Wo wurden alle wichtigen Praxis-Dokumente aufbewahrt? Wie wird ein Nachfolger organisiert? Schon zu Lebzeiten sollten Praxisinhaber essenzielle Vorbereitungen treffen, die im Fall der Fälle den Hinterbliebenen einen geregelten Organisationsablauf ermöglichen.

Der Fall
Gerade einmal vier Jahre haben Dr. S. und Dr. G. zusammen in ihrer Gemeinschaftspraxis gearbeitet, als Dr. G. unerwartet bei einem Verkehrsunfall stirbt. Durch den Schock des plötzlichen Verlustes ist sowohl den Erben als auch Dr. S. zunächst nicht bewusst, wie wenig Zeit für das Finden eines Nachfolgers für den verstorbenen Dr. G. verbleibt, soll der Praxiswert nicht massiv leiden.

In den ersten Tagen nach dem plötzlichen Tod von Dr. G. versucht Dr. S. noch, die Patienten der Praxis alleine zu behandeln. Er merkt jedoch sehr schnell, dass dies auf Dauer nicht möglich ist, da sich die Terminvergabe und die Wartezeiten in seiner Praxis deutlich verlängern. Da er befürchtet, dass Patienten zu anderen Praxen abwandern könnten, fragt er bei der KV nach, welche Möglichkeiten bestehen.

Was passiert mit der Zulassung?

Die KV erklärt Dr. S., dass die Vertragsarztzulassung seines verstorbenen Praxispartners nachbesetzt werden kann. Da die Zulassung jedoch grundsätzlich mit dem Tode endet, müsse zunächst überprüft werden, ob eine Wiederbesetzung überhaupt infrage kommt. Dagegen könne eine Überversorgung im Planungsbereich sprechen. Die Interessen von Dr. S. als verbleibendem Praxispartner würden aber in jedem Fall vom Zulassungsausschuss berücksichtigt werden. Um kurzfristig Entlastung in der Praxis zu erhalten, könne die Zulassung des verstorbenen Arztes zunächst im Rahmen des sogenannten "Witwenquartals" durch einen Vertreter besetzt werden. Dies sei sogar bis zu zwei Quartale nach dem Sterbequartal möglich, so die Erklärung des KV-Beraters. Jedoch sei der Antrag der Vertreterbestellung durch die Erben zu stellen, die dafür einen Erbschein benötigen.

Es stellt sich heraus, dass die Erbin, die Witwe des verstorbenen Dr. G., noch keinen Erbschein hat und mit der Verwertung des Praxisanteils ihres verstorbenen Mannes überfordert ist. So ist ihr nicht bekannt, wo ihr verstorbener Mann die Unterlagen zur Praxis (bspw. die Erteilungsurkunde der Vertragsarztzulassung, den Mietvertrag der Praxisräume und die Arbeitsverträge des Personals) abgelegt hat. Dr. S., der erst seit vier Jahren niedergelassen ist, weiß darüber auch nicht Bescheid, da sich vorwiegend Dr. G. als Senior-Partner um das Management der Praxis gekümmert hat.

Die Patientenversorgung sichern

Die Witwe und Dr. S. müssen daraufhin sehr viel Zeit aufwenden, bis alle fehlenden Unterlagen gefunden und zusammengestellt sind und weiterhin ein Plan entwickelt ist, wie nun weiter vorgegangen werden kann. Denn beide haben Interesse daran, dass keine Patienten abwandern und dass der Praxisanteil von Dr. G. zu einem angemessenen Preis an einen Nachfolger, der auch für die zukünftige Zusammenarbeit mit Dr. S. geeignet ist, veräußert werden kann.

Zur Überbrückung wird über einen Personalvermittler ein Arzt gefunden, den die Witwe bei der KV als Praxisvertreter zulassen möchte. Da die Witwe immer noch keinen Erbschein besitzt, fragt die KV nach einer Vollmacht, die der Witwe jedoch ebenfalls nicht vorliegt. Glücklicherweise akzeptiert die KV nach vielen Diskussionen, dass der Erbschein nachgereicht werden kann, und erteilt die Genehmigung für den Praxisvertreter.

Über den Praxisvertreter kann die Patientenversorgung in der Praxis zunächst gesichert werden. Als weitere Hürde stellt sich jedoch heraus, dass nur noch fünf Monate verbleiben, bis die Zulassung von Dr. G. automatisch an die KV zurückfällt. In dieser kurzen Zeit wird es sehr schwierig sein, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Unter Abwägung sämtlicher Risiken beschließt Dr. S. daraufhin, die Zulassung selbst zu übernehmen, um darauf einen Arzt anzustellen. Diese ursprünglich nicht vorgesehene Notlösung ist nur deshalb möglich, weil er einen befreundeten Arzt aus seiner ehemaligen Klinikzeit kennt, der sich nicht sofort für eine Niederlassung, sondern zunächst nur für eine Anstellung interessiert.

Ermittlung des Praxiswertes

Da im Gemeinschaftspraxisvertrag nicht klar geregelt ist, wie der Praxiswert beim Ausscheiden eines Partners zu bestimmen ist, beauftragen die Witwe und Dr. S. einen Sachverständigen, der auf die Bewertung von Arztpraxen spezialisiert ist, und einigen sich für die Übernahme des Praxisanteils von Dr. G. auf den Wert, den der Sachverständige nach Abschluss seines Gutachtens feststellt.

Mittlerweile liegt der Erbschein vor, so dass die Witwe bei der KV die Ausschreibung der Zulassung beantragen konnte. Der Zulassungsausschuss entsprach dem Antrag der Nachbesetzung und akzeptierte auch die Übernahme der Zulassung durch Dr. S. für die Anstellung eines neuen Arztes.

Nicht auf´s Glück setzen

Wie der dargestellte Fall zeigt, haben sowohl die Witwe als auch Dr. S. eine Lösung für die Praxis gefunden. Dies war jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und die Trauer um den Toten musste zeitweise hinten anstehen. Erfahrungsgemäß ist aber nicht jeder Betroffene in der psychischen Verfassung, um das alles in dieser Form leisten zu können. Und klar ist auch, dass im vorliegenden Fall viel Glück vorhanden war, da die KV eine Ausnahme gemacht und nicht auf das sofortige Vorzeigen des Erbscheins bestanden hat, um den Vertreter, der erfreulicherweise schnell gefunden wurde, für die Praxisvertretung zuzulassen. Weiterhin hat Dr. S. sich bereit erklärt, die Zulassung zu übernehmen, um einen Arzt im Angestelltenverhältnis aufzunehmen, und der Zulassungsausschuss hat der Übernahme der Zulassung für eine Anstellung entsprochen. Und auch, dass sich die Witwe und Dr. S. ohne Streit auf einen Preis einigen konnten, ist nicht selbstverständlich.

Frühzeitig Vorbereitungen treffen

Wesentlich einfacher wäre es für die Witwe und Dr. S. gewesen, wenn Dr. G. Vorsorge geleistet hätte. Dazu hätte Dr. G. im Wesentlichen einen Fahr- oder Ablaufplan entwickeln müssen, was im Falle seines plötzlichen Todes zu unternehmen ist. Zudem hätten durch ihn alle wichtigen und notwendigen Unterlagen zentral und zugänglich abgelegt werden müssen und er hätte seiner Frau eine Generalvollmacht erteilen sollen, damit das meist langwierige Ausstellen des Erbscheines nicht abgewartet werden muss.

Insbesondere für Einzelpraxisinhaber kann diese Absicherung wertvoll sein, denn in einer Gemeinschaftspraxis können die verbleibenden Praxispartner im Falle des plötzlichen Todes meistens unterstützend tätig werden, sofern ein entsprechendes Vertrauensverhältnis besteht. In einer Einzelpraxis hingegen sind die Erben auf sich alleine gestellt und müssen zunächst die komplexen Strukturen, die hinter einer Arztpraxis stehen, verstehen. In diesem Fall besteht oft ein erhebliches Risiko, dass eine schnelle Verwertung der Praxis nach einem plötzlichen Todesfall misslingt. Hier ist also eine gründliche Vorsorge durch den/die Praxisinhaber/in umso wichtiger.

Checkliste für Erben
  1. Hat der Praxisinhaber einen Ansprechpartner für Nachfolgeregelungen benannt (z. B. Praxispartner oder Steuerberater)?
  2. Kontaktaufnahme zur zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
  3. Vertreter suchen und von KV genehmigen lassen
  4. Mitarbeit des Personals sicherstellen
  5. Suche nach einem Nachfolger einleiten
  6. Einen vollständigen Überblick verschaffen: Unterlagen, Verträge, Mitgliedschaften etc.
  7. Praxisübergabe einleiten
  8. Finanzamt verständigen
  9. Mitgliedschaften kündigen
  10. Renten- und Lebensversicherungsansprüche klären
  11. Sterbegeld beantragen
  12. Überblick über private Verträge und finanzielle Situation verschaffen




Autor:

Stefan Hoch

Frielingsdorf Consult GmbH
50674 Köln

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (4) Seite 72-75