Die Ursache einer plötzlichen kurzzeitigen Bewusstlosigkeit lässt sich meist durch eine gezielte Anamnese, Augenzeugenberichte bzw. eine rationale Basisdiagnostik klären. Für die hausärztliche Praxis stellt sich die Frage, welche Kriterien hilfreich sind, um das Geschehen möglichst rasch einordnen zu können.

Bei der Diagnostik gilt es zunächst, zwischen einer Synkope und einer nicht-synkopalen neurologischen Erkrankung (u. a. epileptische, dissoziative Anfälle oder metabolische Entgleisungen) zu unterscheiden [6]. Dazu sind eine ausführliche Anamnese und Fremdanamnese sowie eine gezielte Basisdiagnostik mit körperlicher Untersuchung, 12-Kanal-EKG und Schellong-Test entscheidend.

Bei der Anamnese sollten mögliche Auslöser identifiziert (woran kann sich der Patient zuletzt erinnern?) und die Dauer der Reorientierungsphase erfasst werden. Außerdem sollte man sich das Geschehen möglichst durch Augenzeugen beschreiben lassen. Wichtig sind kardiale, neurologische sowie psychiatrische Vorerkrankungen des Patienten sowie innerhalb seiner Familie und eine detaillierte Medikamentenanamnese.

In über 60 % der Fälle handelt es sich bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit um eine neurogene Synkope, gefolgt von kreislaufbedingten (10 %) und durch Herzrhythmusstörungen (11 %) verursachten Synkopen. Nichtsynkopale anfallsartige Bewusstseinsstörungen sind mit 6 % verhältnismäßig selten [4]. Die sichere Einordnung erfordert jedoch eine neurologische Diagnostik und besondere Aufmerksamkeit. Einen Überblick zu möglichen Differenzialdiagnosen gibt Tabelle 1.

Einteilung der Synkope

Die eigentliche Synkope wird definiert als ein mit einem posturalen Tonusverlust einhergehender plötzlicher Bewusstseinsverlust mit spontaner Erholung nach wenigen Minuten aufgrund einer globalen Hirnperfusionsminderung [21]. Man unterteilt Synkopen und damit assoziierte Kreislauffehlregulationen nach ihren Ursachen in neurogene (vasovagale, neurokardiogene, orthostatische), kardiogene und zerebrovaskuläre Synkopen. Neurogene Synkopen sind auf eine Dysregulation im Bereich des peripheren und/oder zentralen autonomen Nervensystems zurückzuführen. Hierzu zählen neben vasovagalen Synkopen die neurogen-orthostatische Hypotension und auch das posturale Tachykardiesyndrom, das ohne Bewusstseinsverlust einhergehen kann.

Vasovagale Synkopen

Bei vasovagalen Synkopen (früher auch als Reflexsynkope bezeichnet) findet sich als synkopenauslösender Mechanismus eine neurogen induzierte Vasodilatation und/oder eine vorwiegend vagal bedingte Bradykardie oder Asystolie. Langes, ruhiges Stehen (ggf. auch Sitzen) führt über venöses Pooling und kapilläre Filtration in den Beinen zu einer Abnahme des thorakalen Blutvolumens. Bei Unterschreitung des individuellen Schwellenwertes für das thorakale Blutvolumen oder bei größeren Blutverlusten (beim erwachsenen Menschen >1,5 Liter) kann eine vasovagale Reaktion ausgelöst werden. Häufig sind blut- und verletzungsassoziierte vasovagale Synkopen durch plötzlichen Schmerz oder Konfrontation mit Blut und Verletzungen (z. B. ausgelöst bei der Blutabnahme). Eine viszerale Reizung kann darüber hinaus auch ohne Verletzungskontext zu einer vasovagalen Reaktion führen (z. B. Miktionssynkope als Reizung im Bereich der Harnwege, Schlucksynkope als ösophageale Reizung). Auch an den hypersensitiven Karotissinus ist zu denken. Patienten berichten dabei oftmals von einem Sturz nach Kopfdrehung oder beim Rasieren des Halses. Der transiente, sekundenlange Bewusstseinsverlust ist den Patienten oftmals nicht erinnerlich, weshalb gelegentlich fälschlicherweise von sogenannten kryptogenen Sturzattacken ausgegangen wird [6]. Der Verdacht auf eine vasovagale Synkope lässt sich bereits durch eine typische Anamnese begründen und durch die Basisdiagnostik erhärten (Tabelle 2). Bei einer einmaligen vasovagalen Synkope ist die Basisdiagnostik ohne weitere Zusatzuntersuchungen ausreichend [6]. Andernfalls kann eine Provokationstestung mittels Kipptisch, Karotissinusmassage oder implantiertem Ereignisrekorder sinnvoll sein [3].

Orthostatische Synkope

Auch bei der neurogenen orthostatischen Hypotension kommt es durch rasches Aufstehen (besonders nachts oder nach einem heißen Bad) aufgrund einer autonomen Dysfunktion mit unzureichender sympathisch vermittelter Vasokonstriktion und fehlender Gegenregulation der orthostasebedingten thorakalen Hypovolämie zu einem anhaltenden Blutdruckabfall. Im Schellong-Test wird ein systolischer Abfall von > 20 mmHg oder ein diastolischer Abfall von > 10 mmHg innerhalb von drei Minuten nach dem Hinstellen als pathologisch gewertet (ggf. mit verminderter Herzfrequenzanstiegsrate im Stehen).

Die sympathische Dysregulation kann durch zahlreiche neurologische Grunderkrankungen (z. B. Parkinson-Syndrome, Polyneuropathie z. B. im Rahmen eines Diabetes mellitus, Guillain-Barré-Syndrom, Multiple Sklerose) oder durch eine Therapie mit vasoaktiven Medikamenten (z. B. Alpha-Blocker, Antidepressiva, Apomorphin) vermittelt sein [6]. Es empfiehlt sich daher eine erstmalige neurologische Vorstellung. Fällt der Schellong-Test trotz subjektiver orthostatischer Intoleranz (oder Präsynkope) negativ aus, sollte ein Kipptischtest mit mindestens drei Minuten Stehzeit [11] (Kriterium Blutdruckabfall > 20/10 mmHg) erfolgen sowie weitere autonome Tests zum Nachweis einer umfassenden zentralen oder peripheren Störung [8].

Kardiogene Synkope

Der Nachweis und Ausschluss einer kardiogenen Synkope muss zeitnah erfolgen. Die Ein-Jahres-Mortalität des unbehandelten Patienten liegt bei bis zu 30 % [17]. Bereits bei folgenden anamnestischen Angaben muss an eine kardiogene Genese gedacht werden: Bekannte schwere Herzerkrankung, Synkopen bei körperlicher Anstrengung oder im Liegen, vorausgegangene Palpitationen oder begleitender Brustschmerz, plötzlicher Herztod in der Familienanamnese. Einen Überblick auf darauf hinweisende Zeichen im 12-Kanal-EKG zeigt Tabelle 3. Zur Diagnosesicherung einer kardiogenen Synkope bedarf es einer weiteren kardiologischen Abklärung [6].

Nichtsynkopale Bewusstseinsverluste

Eine transitorisch ischämische Attacke (TIA) ist selten mit einem Bewusstseinsverlust verbunden. Lediglich im vertebrobasilären Stromgebiet kann eine TIA mit einem vorübergehenden Bewusstseinsverlust einhergehen. Häufiger berichten Patienten über andere neurologische Defizite wie Doppelbilder, Dysarthrie, Dysphagie oder Störungen der langen sensomotorischen Bahnen mit Ataxie.

Als häufige und auf den ersten Blick manchmal schwer abzugrenzende Differenzialdiagnosen stehen epileptische und dissoziative Anfälle der Synkope gegenüber. Dabei ist zu beachten, dass auch Synkopen mit motorischen Entäußerungen einzelner Muskeln oder meist nicht synchronen krampfartigen Bewegungen der Extremitäten einhergehen können (konvulsive Synkope). Dies ist unabhängig von den Synkopen-Ursachen [12]. Entscheidend ist bei der Differenzierung zwischen epileptischen und synkopalen Ereignissen vor allem die Reorientierungsphase. Bei einer Synkope erholt sich der Patient innerhalb von wenigen Sekunden [1], während nach einem epileptischen Anfall der Patient durchschnittlich 18 Minuten dazu braucht [7]. Fokal-neurologische Defizite wie z. B. eine transiente Armparese oder Sprachstörungen nach dem Geschehen weisen deutlich auf ein epileptisches Ereignis hin. Vegetative Begleiterscheinungen während des Anfalls mit Urin- oder Kotabgang, Zungenbiss oder geöffneten Augen mit Blickdeviation kommen sowohl beim epileptischen Anfall als auch bei konvulsiven Synkopen vor. Einen Überblick zur raschen Beurteilung gibt Tabelle 4.

An dissoziative Anfälle (psychogene nicht-synkopale Anfälle), die epileptischen Anfällen ähneln können, sollte gedacht werden, wenn die Anfallsbeschreibung vage und widersprüchlich ist und eine hohe Attackenfrequenz vorliegt. Der Anfall - oftmals mit demonstrativem Charakter und unter Zeugen - dauert häufig länger als zehn Minuten, der Patient hat dabei häufig die Augen geschlossen. Nicht selten ist der Anfall von Hyperventilation und Kopfschmerzen begleitet [13]. Psychiatrische Vorerkrankungen können weitere Hinweise geben. 75 % der Patienten sind junge Frauen, oftmals im paramedizinischen Bereich tätig.


Literatur
1. Aminoff et al. (1988) Electrocerebral accompaniments of syncope associated with malignant ventricular arrhythmias. Ann Intern Med 108:791-796.
2. Ammirati F et al. (1998) Electroencephalographic correlates of vasovagal syncope induced by head-up tilt testing. Stroke 29:2347-2351.
3. Brignole M (2008) Experience with implantable loop recorders for recurrent unexplained syncope. Congest Heart Fail 14:7-13.
4. Brignole M. (2007) Diagnosis and treatment of syncope Heart 130-136.
5. Dalla Pozza (2006) Synkope im Kindes- und Jugendalter.Monatsschrift Kinderheilkunde 154:583-593.
6. Diehl et al. (2008) Leitlinie Neurogene Synkopen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie AWMF online
7. Helmstaedter C et al. (1994) Postictal courses of cognitive deficits in focal epilepsies. Epilepsia 35:1073-1078.
8. Hilz MJ, Dutsch M (2006) Quantitative studies of autonomic function. Muscle Nerve 33:6-20
9. Kapoor WN (2000) Syncope. N Engl J Med 343:1856-1862.
10. Höllinger P., Sturzenegger M. (2002) Kurzdauernde Bewußtlosigkeit Schweiz Med Forum 19: 468-472.
11. Kapoor WN (2000) Syncope. N Engl J Med 343:1856-1862
12. Lahrmann H et al. (2006) EFNS guidelines on the diagnosis and management of orthostatic hypotension. Eur J Neurol 13:930-936.
13. Lempert T et al. (1994) Syncope: a videometric analysis of 56 episodes of transient cerebral hypoxia. Ann Neurol 36:233-237.
14. Lempert T et al. (1990) Psychogenic disorders in neurology: frequency and clinical spectrum. Acta Neurol Scand 82:335-340.
15. Lusic I et al.(1999) Serum prolactin levels after seizure and syncopal attacks. Seizure 8:218-222.
16. Neufeld et al. (1997) Sequential Serum creatine kinase determination differentiates vaso-vagal syncope from generalized tonic-clonic seizures. Acta Neurol Scand 95:137-139.
17. Perry TR et al. (1983) Routine EEG vs. intensive monitoring in the evaluation of intractable epilepsy. Public Health Rep 98:384-389
18. Reed MJ (2009) Management of syncope in the Emergency Department. Minerva Med 100:259-273.
19. Sarasin FP et al. (2002) Prevalence of orthostatic hypotension among patients presenting with syncope in the ED. Am J Emerg Med 20:497-501.
20. Sander et al. (2008) Leitlinien Transient Globale Amnesie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie AWMF online
21. Sturzenegger MH, Meienberg O (1985) Basilar artery migraine: a follow-up study of 82 cases. Headache 25:408-415
22. Weissinger, Lempert (2005)Ohnmacht. B. Schmitz, B. Tettenborn (Hrsg.) Paroxysmale Störungen in der Neurologie. Springer Verlag S.6.
23. Zschocke S, Alexopoulos T (1984) [Long-term EEG monitoring in epilepsy diagnosis]. Fortschr Neurol Psychiatr 52:438-450

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Dr. med. Annerose Zeigler


Kontakt:
Dr. med. Annerose Ziegler
Klinik für Neurologie und Neurophysiologie
Charité-Universitätsmedizin Berlin
12203 Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (18) Seite 40-42