Eine häufige chronische Wunde ist das Ulcus cruris, also ein Ulkus am Unterschenkel. Im englischen Sprachgebrauch wird ein Ulcus cruris auch als leg ulcer bezeichnet. Es gibt ganz unterschiedliche Ursachen, die Bezeichnung Ulcus cruris ist daher keine Diagnose, sondern nur eine Beschreibung des Erscheinungsbildes. Zur optimalen Therapie des Ulcus cruris und damit zur Einleitung der Wundheilung ist die Kenntnis der konkret auslösenden Ursache bzw. Grunderkrankung der Ulkusbildung notwendig.

Serie Wundmanagement
Unsere neue Serie zum Thema Wundmanagement soll praxisnahe Einblicke in die Versorgung von in der Hausarztpraxis häufig vorkommenden Wundsituationen geben. Freuen Sie sich u. a. auf Themen wie "diabetischer Fuß", "die chronische Wunde", "Wundauflagen", anschauliche Kasuistiken sowie Tipps zur Verordnung. Als Einstieg zur Serie behandelt dieser Beitrag die Ursachensuche beim Ulcus cruris.

Die häufigste Ursache eines Ulcus cruris ist die chronische venöse Insuffizienz (CVI). Ein Ulcus cruris, welches auf dem Boden einer CVI entstanden ist, bezeichnet man dann spezifisch als Ulcus cruris venosum (UCV). Ein UCV ist meistens Folge einer CVI auf dem Boden einer primären Varikosis oder eines postthrombotischen Syndroms. Es kann aber auch auf dem Boden einer funktionellen venösen Insuffizienz wie bei der Adipositas oder beim arthrogenen Stauungssyndrom auftreten, ohne dass morphologische Veränderungen am Venensystem bestehen. Die Diagnose der CVI ist häufig eine Blickdiagnose und basiert auf sichtbaren Hautveränderungen (Hämosiderose, Atrophie blanche, Abb. 1) und einem Ödem. Die Therapie der Wahl, die neben der Wundversorgung notwendig ist, ist die Kompressionstherapie.

Arterielle Perfusion überprüfen!

Wichtig ist die Abklärung der häufig zusätzlich vorliegenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Liegt bei einem Patienten mit einem Ulcus cruris eine CVI und eine pAVK vor, spricht man von einem Ulcus cruris mixtum (Abb. 2). Bei der weiteren Behandlung des Ulcus cruris mixtum müssen beide Erkrankungen angegangen werden. Die venöse Komponente profitiert auch in diesem Fall von einer Kompression. Wichtig ist aber auch eine ausreichende arterielle Perfusion. Wenn diese nicht vorliegt, muss die arterielle Perfusion interventionell oder operativ verbessert werden.

Obwohl eine arterielle Läsion bei einer pAVK sich eher im Bereich des Fußes und der Zehen manifestiert, kann ein Ulcus cruris auch eine atypische Manifestation einer pAVK sein. Man spricht dann von einem Ulcus cruris arteriosum. In diesen Fällen ist die pAVK meist sehr ausgeprägt, sodass eine Revaskularisation der arteriellen Strombahn im Vordergrund steht.

Seltenere Ursachen

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die ein Ulcus cruris verursachen können (vgl. Tabelle 1). Dazu gehören zum Beispiel Vaskulitiden als entzündliche Systemerkrankungen, die Livedovaskulopathie als thromboembolische Verschlusskrankheit kutaner Gefäße oder das Pyoderma gangraenosum als ulzerierende neutrophile Dermatitis. Diese Diagnosen sind ohne eine weitere spezifische Aufarbeitung einschließlich der histologischen Untersuchung nicht zu stellen.

Wann weiter abklären?

Alle Ulcera am Unterschenkel ohne die typischen Hautveränderungen der CVI, die nicht primär am medialen distalen Unterschenkel auftreten, multiple Ulcera oder nekrotisch veränderte Ulcera sollten an diese seltenen Ursachen denken lassen. Auch eine fehlende Verbesserung der Wundsituation bei einem Ulcus cruris in den ersten drei bis vier Wochen unter einer adäquaten Wundversorgung und Kompression sollte zur weiteren Abklärung seltener Ursachen führen. In dermatologischen Wundambulanzen machen diese seltenen Ursachen immerhin etwa 14 % aller Ulcera am Bein aus. Darüber hinaus bleibt trotz intensiver Diagnostik auch in diesen Ambulanzen eine Gruppe von Wunden übrig, deren Ursache im Moment nicht mit Sicherheit geklärt werden kann. Hier sollten Verlaufsuntersuchungen Krankheitsbilder wechselnder Aktivität aufdecken oder Behandlungsfehler durch den Patienten bzw. artifizielle Ursachen.


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Autor:

Prof. Dr. med. Knut Kröger

Helios Klinikum Krefeld GmbH
Klinik für Gefäßmedizin – Angiologie
47805 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (8) Seite 36-39