Die aktuelle KBV-Versichertenbefragung hat die Diskussion darüber, ob zu viele Patienten zu lange auf einen Arzttermin warten müssen, neu befeuert. Für die KBV ist klar, da hat die Politik viel zu viel Wind gemacht, das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sei eigentlich überflüssig. Trotz allem gibt es eine Konstante: Das Vertrauen der Versicherten in die Ärzte bleibt hoch. Aber immer mehr vermissen ihren Hausarzt.

Ganz gleich, welches Bild die Politik von der ambulanten Versorgung in Deutschland zeichnet, das Vertrauen der Versicherten in ihre Ärzte kann das offenbar nicht erschüttern. 91 % der Patienten geben an, ein gutes oder sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin zu haben. Dieser Wert sorgt deshalb auch für Zufriedenheit beim Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Auf den Hausarzt wartet man seltener

Wenn es allerdings um das Thema Wartezeiten auf einen Arzttermin geht, zeichnen sich Zornesfalten auf den Gesichtern der KBV-Vorstände ab. Schließlich hat diese Diskussion den Ärzten das ungeliebte Terminservice- und Versorgungsgesetz eingebrockt. Viel Lärm um nichts – so könnte man zumindest beschreiben, wie der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen die Ergebnisse der aktuellen Versichertenbefragung dazu interpretiert. Demnach mussten 29 % der gesetzlich und 30 % der privat Versicherten bei ihrem letzten Arztbesuch überhaupt keine Wartezeit in Kauf nehmen. Jeder vierte gesetzlich Versicherte bekam innerhalb von einem Tag bis zu einer Woche einen Termin, bei den privat Versicherten war es jeder dritte. Die unterschiedlich langen Wartezeiten bei gesetzlich und privat Versicherten hätten sich im Lauf der Jahre angeglichen, so Gassen, was vor allem daran läge, dass auch die Privatversicherten häufiger längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. So mussten laut Befragung immerhin jeder zweite Krankenversicherte bis zu 3 Wochen oder länger auf einen Termin beim Spezialisten warten. An den Hausärzten geht die ganze Wartezeitendiskussion im Übrigen weitgehend vorbei. Denn längere Wartezeiten auf einen Hausarzttermin sind deutlich seltener, lediglich etwa jeder 10. Versicherte musste 3 Wochen oder länger auf einen Termin in der Allgemeinarztpraxis harren.

Immer öfter fehlt der Hausarzt
Die Versicherten wurden auch gefragt, wie sie die Versorgungssituation mit Hausärzten und Spezialisten einschätzen. In den letzten zwei Jahren ist der Anteil derjenigen, die angaben, nicht genügend Hausärzte in Wohnortnähe zu haben, von 22 % auf 27 % gestiegen, bei den Spezialisten ist der Anteil von 43 auf 44 % gestiegen.

Immer weniger Arztzeit vorhanden

Ein Grund für die längeren Wartezeiten liegt laut Gassen klar auf der Hand: Die Arztzeit werde immer knapper. Die jüngeren Ärzte bevorzugen vermehrt Angestelltenverhältnisse und Teilzeitarbeit, und das habe Auswirkungen auf ihre Verfügbarkeit in der Praxis. Gleichzeitig ist die Zahl der Praxen von 2007 bis 2017 um 14,3 % zurückgegangen. Somit wird an weniger Standorten eine ambulante Versorgung angeboten. Im hausärztlichen Bereich ist die Zahl der Niederlassungen im gleichen Zeitraum um etwa 8 % gesunken.

Direkter Kontakt zum Arzt bevorzugt
Groß ist die Skepsis der Versicherten beim Thema Videosprechstunde. 62 % lehnen diese für sich ab. Selbst in der jüngsten Alterskohorte, bei den 18- bis 29-Jährigen, sagt etwas mehr als die Hälfte der Befragten, sie würde ein solches Angebot nicht nutzen. Dabei spiele die Sorge um mangelnden Datenschutz eine eher geringe Rolle. Der wichtigste Grund ist wohl, dass die Patienten den direkten Kontakt zum Arzt schlichtweg bevorzugen. 72 % nannten dies als Motiv für ihre Ablehnung der Videosprechstunde.

Mangelnde Patientensteuerung

Einen weiteren Grund sieht der KBV-Chef in dem nahezu barrierefreien Zugang zu är
ztlichen Leistungen. Hier fehle es an Steuerung. So habe man erstmals auch danach gefragt, wie dringend die Patienten ihren letzten normalen Praxisbesuch einschätzen. Zwei Drittel der Befragten stuften ihren letzten Arztbesuch als dringend ein – unabhängig davon, aus welchem Grund dieser erfolgte. Fragt man nach dem Anlass, dann zeigt sich, dass aus medizinischer Sicht gar keine Dringlichkeit geboten war. Selbst Vorsorge- oder Impftermine sehen 36 % der Befragten noch als eilig oder sehr eilig an. Wenn die Versicherten selbst darüber entscheiden sollten, wann sie einen Termin benötigen, dann ist die gefühlte Dringlichkeit in vielen Fällen höher als die tatsächliche. In der Medizin müsse nach Dringlichkeit, das heißt nach medizinischem Bedarf, und nicht nach einem nur "gefühlten" Bedürfnis behandelt werden, meint Gassen. Maßgeblich ist und sollte stets der ärztliche Sachverstand sein. Es gelte also, die Versorgung besser zu organisieren, schließlich sei die Ressource Arzt ein hohes Gut, mit dem man sorgsam umgehen müsse.



Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (15) Seite 28-29