Venedig war ein touristischer Hotspot, erst die Corona-Pandemie sorgte dafür, dass der Ansturm der Besucher:innen aus aller Welt etwas abebbte. Grundsätzlich gilt: Wer die Lagunenstadt von der ruhigen Seite kennenlernen möchte, kommt am besten im Spätsommer. Die Gassen sind dann voller Romantik, und die Venezianer:innen haben gute Laune, berichtet unsere Reiseautorin Heidrun Lange.

In den frühen Morgenstunden sollte man unbedingt den Markusplatz mit dem prachtvollen Markusdom besuchen. Das goldene Licht taucht den Platz in eine steinerne Schönheit. Diese Postkartenidylle mit den funkelnden Mosaiken am Markusdom, den filigranen Säulen des Dogenpalastes und den unzähligen Arkadenbögen hat man dann fast für sich allein.

Wohnen unter Venezianer:innen

Empfehlenswert ist auch ein Besuch bei Mattia Bosegio. Bei ihm kann man in einem antiken, im Jahr 2003 renovierten venezianischen Haus, das mit allem Komfort ausgestattet ist, wohnen. Im angrenzenden kleinen Garten gibt es Frühstück mit Croissants, Käse, Eiern und Cappuccino. Wer hier wohnt, bekommt zudem venezianische Tipps vom Besitzer geliefert. Ponto Chiodo heißt die Unterkunft im Stadtteil Cannaregio. Genau wie die antike Brücke, die vom Haus über einen Kanal führt. Ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, denn sie ist eine der letzten ohne Geländer – so wie Brücken im Venedig des 19. Jahrhunderts gebaut wurden. Nur ein paar Schritte von der Pension entfernt, leben und arbeiten viele Venezianer:innen abseits des Touristenstroms. Aus den kleinen Bäckereien in den verwinkelten Gassen strömt Vanilleduft. In den Boutiquen gibt es Schmuck und Mode. In den kleinen Kneipen, den "bacari", sind die Stühle besetzt. Heftig diskutiert wird über die italienische Politik, über Steuern, über das Hochwasser, mitunter werden auch Gerüchte ausgetauscht. Lange war es wegen COVID-19 in der Lagunenstadt ungewöhnlich leer. Zwar sehnt sich die Stadt nach Besucher:innen, aber sucht auch neue Wege, jenseits des Massentourismus.

Venedig von oben

Von oben auf eine Stadt zu schauen, ist schon etwas Besonderes. Einen guten Aussichtspunkt gibt es in der Nähe der Rialtobrücke. Dort befindet sich das Fondaco dei Tedeschi, ein imposantes Luxus-Kaufhaus. Auf der vierten Etage des Gebäudes gibt es eine Terrasse mit einem grandiosen Blick. Es ist wie in einem Freilichtmuseum und das völlig kostenlos. Kirchtürme ragen über die roten Dächer, darunter zeigt sich das Leben auf dem Canal Grande, der sich durch die Lagunenstadt schlängelt und grau-grün schimmert. Ein Gondoliere manövriert seine schwarze Gondel elegant in eine Seitengasse. Mit gestrecktem Arm stemmt er sich rhythmisch gegen das Ruder. Auf geradem Kurs bleibt er, indem er das Ruder mit seitlich gelegtem Blatt beim Rückwärtsziehen leicht hin und her schwenkt. Diese Technik gibt es nirgends auf der Welt, nur in Venedig.

Mit dem Vaporetto durch die Kanäle

Die Vaporetti, die Wasserbusse, sind unterwegs und bringen die Gäste von einem Ufer zum anderen. Das Schöne an Bootsfahrten in einer Stadt: Man ist immer mittendrin und doch privilegiert. Vom Wasser aus ziehen die Wohnhäuser mit der bröckelnden Fassade und die prunkvollen Paläste langsam vorbei. Selbstverständlich kann man an einer der zahlreichen Haltestellen einfach aussteigen. Entdeckt man einen Palast, eine Gasse oder einfach nur ein Eiscafé, so verlässt man das Vaporetto an der nächsten Haltestelle und steigt ein paar Vaporetti später wieder ein.

Die Galleria dell’Accademia, das Guggenheim-Museum und das Palasthotel Pisani Gritti wirken wie ein Ölgemälde von Canaletto, Venedigs berühmtem Städtemaler. Am Ende der Lagune erscheint die weiße Kirche Santa Maria della Salute. Dort finden Ende November venezianische Feste statt. Eigentlich wird dort der Pestepidemie von 1630 gedacht, in Wahrheit aber pilgert jeder Venezianer zur Schwarzen Madonna, um sich, seinem Geschäft und seiner Familie etwas Glück zu wünschen. Es macht genauso Spaß, nur zu Fuß zu gehen. Die Treppen hinauf und wieder herunter geht es über kleine Brücken und Stege. Sich zu verlaufen gehört einfach dazu. Dann findet man lauschige Innenhöfe und plötzlich steht man vor dem Haus Nr. 5858. Es wirkt unscheinbar, aber von hier aus soll Marco Polo 1271 nach China aufgebrochen sein.

Cappuccino mit Musikzuschlag

Für viele Besucher :innen gehört ein Cappuccino auf dem trubeligen Markusplatz zu einem Venedig-Besuch dazu. Die Gäste sitzen auf der Terrasse an weiß gedeckten Tischen und werden von elegant gekleideten Kellnern bedient. Allerdings wird dort in den meisten Cafés neben dem hohen Getränkepreis auch ein Musikzuschlag fällig. Das Caffè Florian auf der Piazza San Marco 1720 eröffnet, ist das älteste Kaffeehaus Europas. In den Plüschsesseln des Salons saßen schon Goethe und Thomas Mann. Gegenüber im Caffè Quadri spielen Stehmusiker moderne Musik. Mal mit schwarzer Brille und edlem Satinschal oder als Charmeure mit samtigem Blick und Schmalz in der Kehle. Immer im Wechsel mit dem Caffè Lavena.

Reise-Informationen
  • Die besten Jahreszeiten, um Venedig zu besuchen, sind Frühling und Herbst. Besonders wenig los ist im Winter. Genau richtig für Besucher:innen, die auf morbiden Charme stehen. Unbedingt Gummistiefel einpacken. Es könnte Hochwasser geben! Das kann allerdings durchaus auch im Sommer passieren.
  • Anreise: Eurowings und EasyJet fliegen von allen größeren Städten nach Venedig ( http://www.eurowings.com ; http://www.easyjet.com/de ).
  • Die meisten Pauschalveranstalter haben Venedigreisen in ihrem Städteprogramm, z. B. http://www.tui.com/staedtereisen .
  • Tipp für B&B: 3749 Ponte Chiodo ( http://www.pontechiodo.it )
  • Paläste und Museen: Für viele Sehenswürdigkeiten empfiehlt es sich, bereits vorab im Internet ein Ticket zu kaufen, so muss man sich nicht in lange Schlangen einreihen, die sich unter anderem im Herbst vor dem Dogenpalast bilden. Tickets und Preise unter: ACTV in Venedig ( http://www.venedig.com ).
  • Vaporetto: 60 € für eine Wochenkarte. Man kann auch auf die Inseln Murano und Burano und Lidio fahren.

Am Abend schickt uns Mattia, man kann seinen Ratschlägen unbedingt Folge leisten, ins Osteria da Rioba. Dort soll es die beste hausgemachte Pasta der Stadt geben. Und natürlich auch Tintenfisch, Venusmuscheln und Meeresfrüchte. Danach ist Zeit für einen Bellini, den Kultdrink aus Sekt mit Pfirsichsaft, zum Beispiel in "Harry’s Bar" am Ufer Schiavone. Gegenüber im Zattere-Viertel, wo tagsüber die Wäsche auf der Leine flattert, erklingt im Hintergrund aus der Gesuati-Kirche Vivaldi, Musik von Venedigs berühmtestem Komponisten (1678–1741). Sein Palast steht nahe der Seufzer-Brücke und ist heute die Nobelherberge "Metropole". In den Salons wird seine Zeit wieder lebendig: Als die Dogen glanzvolle Feste gaben, Casanova die Damen in Atem hielt und die Venezianer:innen Karneval feierten.

Die Inseln besuchen

Nicht ganz so geheimnisvoll, aber auf jeden Fall eine gute Idee ist schließlich die Fahrt mit dem Wasserbus zu den Inseln der Lagune. Murano ist sehr touristisch, aber die Glaskunst ist weltbekannt. Die Insel Burano mit ihren bonbonfarbenen Häusern ist ein Blickfang. Der Glockenturm der Kirche San Martino neigt sich weit über den Dächern der Stadt mächtig schief der Lagune zu. Zum Ausspannen, Baden und barfuß im Sand Laufen, da ist der Küstenabschnitt Lido di Venezia mit seinen Stränden nicht weit und sehr einfach mit dem Vaporetto zu erreichen.



Autorin
Heidrun Lange

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (6) Seite 72-74